Hamburg. Bürgermeister Peter Tschentscher stimmt die Stadt auf strengere Regeln ein – und bittet wegen einer Datenpanne um Entschuldigung.
Als Vorsichtsmaßnahme gegen die ansteckendere Omikron-Variante und angesichts rasant steigender Corona-Zahlen will der Hamburger Senat wieder eine FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen einführen – bisher müssen Fahrgäste dort nur eine medizinische Maske tragen. Weil es im Nahverkehr oft sehr eng sei, werde der Senat die Eindämmungsverordnung in den nächsten Tagen anpassen, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Dienstag im Rathaus.
Wegen Omikron befinde sich Hamburg in einer „neuen Phase der Pandemie“. Auch mit flächendeckend geltenden 2G-plus-Regeln werde so bald keine Entspannung eintreten: „Wir kämpfen wahrscheinlich in den nächsten Wochen mit sehr vielen Neuinfektionen“, sagte Tschentscher.
Corona Hamburg: Omikron kann Immunabwehr umgehen
Die Omikron-Variante des Coronavirus kann die Immunabwehr teilweise umgehen. Eine verstärkende Drittimpfung (Booster), die von der Ständigen Impfkommission für Erwachsene empfohlen wird, kann Wissenschaftlern zufolge nicht nur besser vor schweren Verläufen schützen, sondern womöglich schon besser vor Infektionen mit Omikron.
Allerdings sind in Hamburg erst 46,8 Prozent der Erwachsenen geboostert; von den 12- bis 17-Jährigen, für die es noch keine Boosterempfehlung der Stiko gibt, haben 7,1 Prozent in Hamburg eine Boosterimpfung erhalten, wie die Gesundheitsbehörde am Dienstag auf Abendblatt-Anfrage mitteilte.
Behörde geht von höherer Inzidenz aus
Die Behörde meldete am Dienstag 2048 bestätigte Neuansteckungen. Das sind 150 mehr als am Vortag und 580 mehr als am Dienstag vor einer Woche. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche lag am Dienstag bei 690,2. Am Montag hatte der Wert bei 659,7 gelegen, vor einer Woche noch bei 463,3. Zugleich erhöhte sich die Zahl der seit Beginn der Pandemie in Hamburg an oder im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorbenen Menschen um zwei auf 2032.
Die Behörde versah die jüngsten Angaben erneut mit dem Hinweis, dass von einer höheren Fallzahl bei den Neuinfektionen und damit auch von einer höheren Inzidenz ausgegangen werden müsse. Zur Erklärung verwies sie auf den schnellen Anstieg und das hohe Fallaufkommen, die zu „einer teilweise späteren Meldung durch die Labore sowie zu einer teilweise verzögerten Bearbeitung an den übermittelnden Stellen“ führten.
FFP2-Maskenpflicht in Alten- und Pflegeheimen
Auch in den besonders sensiblen Alten- und Pflegeheimen ist ein Anstieg der Infektionszahlen spürbar, wenngleich noch auf beherrschbarem Niveau. Dort gab es mit Stand Montagabend 125 Corona-Fälle in 26 Einrichtungen. In drei Häusern sind es laut Sozialbehörde mehr als zehn Infektionen. Unter anderem sind im Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel auf einzelnen Stockwerken mehrere Bewohner betroffen (das Abendblatt berichtete). Diese zeigten aber nur sehr leichte oder keine Symptome und seien isoliert worden, so die Heimleitung.
Seit Montag gelten in Alten- und Pflegeheimen verschärfte Regeln – darunter eine FFP2-Maskenpflicht. Man habe den Betreibern aber bereits in den vergangenen Wochen „ausdrücklich empfohlen, über die zuletzt noch geltenden Mindestbestimmungen hinauszugehen“, sagte der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich.
Wieder Demos in Hamburg gegen Corona-Regeln
Der Sprecher der Geschäftsführung von „Fördern & Wohnen“, Thomas Flotow, sprach von einem enormen Aufwand, der bei der täglichen Testung aller Mitarbeiter und entsprechenden Angeboten für alle Bewohner betrieben werden müsse. Man wolle aber den Normalbetrieb trotz der steigenden Zahlen so gut wie möglich gewährleisten.
Gegen die geltenden Corona-Regeln hatten auch am vergangenen Sonnabend wieder Menschen in Hamburg auf der Straße protestiert. Auf diese wöchentlich größer werdenden Demonstrationen von Querdenkern, Impfgegnern und Corona-Leugnern angesprochen, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher am Dienstag, er sehe diese Entwicklung gelassen. „Ich freue mich natürlich über jeden, der nicht protestiert. Auf der anderen Seite sind wir in einer demokratischen freiheitlichen Gesellschaft.“
„Es ist eine Sorge, dass der Konflikt härter wird"
Der Staat müsse gewährleisten, dass gegensätzliche Meinungen auch kundgetan werden dürfen. „Und das ermöglichen wir. Aber wir achten auch darauf, dass es in geordneten Bahnen verläuft.“ Er teile „keines der Argumente“ von Impfgegnern. Aber es sei falsch, sie pauschal als Verfassungsfeinde zu sehen. „Und doch müssen wir aufpassen, dass eine solche Bewegung nicht doch plötzlich instrumentalisiert wird.“
Tschentscher rechnet damit, dass es über die angestrebte Corona-Impfpflicht weiter hitzige Diskussionen geben wird. „Es ist eine Sorge, dass der Konflikt härter wird. Deshalb bin ich froh über jeden, der ein versöhnliches Wort sagt und nicht noch provoziert in dieser angespannten Lage.“ Die bereits hohe Impfquote sei auch ein „Volksentscheid“ darüber, dass sehr viele Menschen in Hamburg die Vorteile der Corona-Impfungen anerkennen, sagte Tschentscher.
Lange Wartezeit für PCR-Tests
Durch die Einführung von 2G plus und die geplante Verkürzung der Quarantänedauer werden in Hamburg deutlich mehr Tests benötigt. Bereits jetzt ist die Wartezeit auf einen PCR-Test sehr lang. Wie will die Stadt die benötigten Kapazitäten sicherstellen? Die Labore seien tatsächlich sehr belastet, sagte Tschentscher dazu am Dienstag.
Er hoffe, dass in Hamburger Laboren ausreichend Kapazitäten für PCR-Tests aufgebaut werden können. Neben den Laboruntersuchung gehöre zu den Testungen jedoch auch die operative Aufgabe der Abstrich-Entnahme. „Meine Hoffnung ist, dass wir das alle gemeinsam, also Labore, die Kassenärztliche Vereinigung, wir als Stadt, das wir das alles möglichst hinbekommen.“
Tschentscher entschuldigt sich für „Datenpanne“
Das größte Problem derzeit seien die hohen Fallzahlen. Das Personal in Gesundheitsämtern sei aufgestockt, weitere Verstärkung von der Bundeswehr sei angefordert worden. „Wir haben die Lage in diesem Sinne im Griff, dass wir unter diesen veränderten Bedingungen auf die wichtigsten Punkte achten“, sagte der Bürgermeister.
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Tschentscher entschuldigte sich am Dienstag erneut für eine „Datenpanne“ im November. Damals hatte der Senat falsche Corona-Inzidenzen für Ungeimpfte und Geimpfte genannt. Dem zugrunde lag, dass der Senat alle Menschen, bei denen der Impfstatus noch nicht ermittelt wurde oder nicht ermittelt werden konnte, zu den Ungeimpften gerechnet hatte. Dies führte zu einer Unterschätzung von Impfdurchbrüchen. Das Vorgehen damals sei ein „grober Fehler“ gewesen, sagte Tschentscher.
Corona Hamburg: Thering übt Kritik an Tschentscher
CDU-Fraktionschef Dennis Thering kritisierte Tschentschers Auftritt. „Boosterimpfungen, steigende Infektionszahlen, zu wenige Testzentren, aber außer fadenscheinigen Ausreden gab es vom Bürgermeister keine Antworten, wie das Krisenmanagement des Senats wieder in die Erfolgsspur kommen soll“, sagte Thering. „Die Glaubwürdigkeit des Bürgermeisters hat in den letzten Wochen massiv Schaden genommen.“
Die fraktionslose FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein forderte mit Bezug auf die „Datenpanne“, Tschentscher müsse in der Bürgerschaft detailliert über die „Behördenverantwortung oder künftige Controlling-Maßnahmen zur Verhinderung solcher Fehler“ informieren.