Hamburg. Wirbel um die neue Einrichtung an Gleis 5: Kunden beklagen fehlende Aufklärung, Behörde ermittelt gegen Arzt.

Die Vorwürfe der Kunden waren massiv, Behörden ermittelten im Hintergrund, und jetzt haben zudem Abendblatt-Recherchen für das vorläufige Schließen des Test- und Impfzentrums im Hamburger Hauptbahnhof gesorgt. Dass die Einrichtung mithilfe von Landes- und Bundespolizei geschlossen wurde, bestätigte eine Sprecherin des Bezirksamts Mitte am späten Mittwochabend. Zunächst ging es nur um die räumliche Enge und unzureichende Hygienestandards.

Dann wurden weitere Mängel bekannt. Ob das Test- und Impfzentrum in der Wandelhalle wieder öffnet, ist fraglich. Im Zusammenhang mit dem kleinen Ladengeschäft am Rande der Wandelhalle am Abgang zu den Gleisen 5 und 6 stand der Vorwurf im Raum, dass es beim Impfen weder ein Aufklärungsgespräch noch eine anschließende Möglichkeit zum 15-minütigen Ausruhen unter ärztlicher Beobachtung gibt.

Hamburg Hauptbahnhof: Impfzentrum  an Gleis 5 vom Amt geschlossen

So berichteten Impfkandidaten, dass sie sich boostern lassen wollten, aber die vollständige Immunisierung noch keine sechs Monate zurückliege. Das sei kein Problem, sei ihnen von Mitarbeitern beschieden worden. Bei anderen sei nicht einmal gefragt worden, welcher Impfstoff zuletzt verwendet worden sei und wie lange die letzte Impfung zurückliege.

Die jeweiligen Termine sind im Internet gebucht worden und sollten vor Ort mittels eines Codes bestätigt werden. Dieser Code, so versicherten es Impfkandidaten, sei nicht überprüft worden. Ob die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Hauptbahnhof eingehalten werden, ist ungewiss.

Corona-Impfzentrum soll bei Gesundheitsamt angemeldet sein

Wer hinter dem Test- und Impfzen­trum am Hauptbahnhof steckt, ist nicht ganz klar. Auf der Internetseite für die Buchungen ist eine Firma als verantwortlich angegeben, die auf eine erste Abendblatt-Anfrage nicht reagierte. Nach weiteren Recherchen meldete sich die „Hammonia Hospital Virtuelle Klinik Betriebsgesellschaft mbH“, die sich als „ambulantes privatmedizinisches Dienstleistungsunternehmen“ versteht. Ihren Angaben zufolge habe man das Impfzentrum beim Gesundheitsamt Hamburg-Mitte und bei der Ärztekammer angemeldet.

Die „Erst-Ausstattung der Impfdosen“ nach dem Start am 1. Dezember sei aus „eigenen Vorräten“ gekommen. Weiterer Impfstoff werde über die Apotheken bestellt. Abgerechnet werde wie überall mit dem „Bundesamt für Soziale Sicherheit“. Gemeint ist offenbar das Bundesamt für Soziale Sicherung, das frühere Bundesversicherungsamt. Vom Betreiber der Wandelhalle hieß es, man gehe davon aus, dass alles mit rechten Dingen zugehe.

Bezirk Mitte: Test- und Impfzentrum soll in größere Räume umziehen

Doch es bleiben Fragen und Ungereimtheiten. Auffällig war die anfangs große Zahl an freien Terminen. Es gab bei einer Testbuchung am Mittwoch zum Beispiel für den 12. Dezember zwischen 8 und 20 Uhr Termine zum Impfen. In Hamburg ist es aufgrund des Andrangs und der meist streng ausgelegten Sechsmonatsfrist zwischen zweiter Impfung und Auffrischung derzeit schwierig, genügend Termine für die willigen Impfkandidaten anzubieten. Ärzte führen lange Wartelisten. Bei den offenen Impfangeboten muss den Wartenden in der Schlange bisweilen mitgeteilt werden, dass sie trotz langen Ausharrens nicht mehr drankommen können – wegen der Öffnungszeiten oder weil sie die Sechsmonatsfrist noch nicht erfüllt haben.

Das Bezirksamt Mitte teilte dem Abendblatt mit, nach einer Begehung des Zentrums am Hauptbahnhof seien Mängel festgestellt, diese aber behoben worden. In Kürze sei eine weitere Kontrolle geplant. Der als Arzt auf der Internetseite angegebene Dr. S. ist bei der Ärztekammer Hamburg als privatärztlich tätiger Mediziner registriert. Der Bezirk Mitte teilte mit, der verantwortliche Arzt „soll“ in Schleswig-Holstein niedergelassen sein. Der Bezirk erklärte außerdem, das Test- und Impfzentrum solle in Kürze in größere Räume umziehen.

Impfkandidatin wunderte sich, dass kein Arzt anwesend war

Ohne eine Registrierung bei der Hamburger Ärztekammer ist der Arzt, der eine Impfkandidatin betreute, nachdem diese ohne Aufklärungsgespräch und ohne anschließende Ruhezeit am Hauptbahnhof geimpft wurde und sich wunderte, dass offenbar kein Mediziner anwesend oder in der Nähe war. Sie bat um Aufklärung.

Nach ihrem Beharren und einem Telefonat eines Mitarbeiters sei Dr. B. erschienen, der mit ihr gesprochen habe. Hammonia Hospital erklärte: „Die Impfungen werden ausschließlich durch von unseren Ärzten geschulten, eigenen medizinischen Mitarbeitern verabreicht und erfolgen unter ständiger Aufsicht eines unserer im Impfzentrum anwesenden Arztes.“

Impfstation: Welche Bedingungen ein Arzt erfüllen muss

Dr. B. war vor einigen Jahren wegen vielfachen Abrechnungsbetrugs verurteilt worden. Er musste seine Zulassung aufgeben. Ob er derzeit eine Approbation hat, ist nicht zu beantworten. Eine Sprecherin der Sozialbehörde teilte dem Abendblatt mit: „Die Sozialbehörde führt gegen den Arzt in anderen Zusammenhängen ein Verfahren, welches noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.“

Impfen kann nach Behördenangaben praktisch jeder Arzt, wenn er den Impfstoff bestellt, ein Aufklärungsgespräch führt und hygienische Voraussetzungen herstellt plus Räumlichkeiten zur Verfügung hat, die ein Ausruhen und Beobachten nach dem Piks ermöglichen. Es gibt keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten beim Impfstoff.