Hamburg. Beteiligung soll Druck auf Impfskeptiker erhöhen. Bereits jetzt schließen Zentren wegen geringer Nachfrage. Es gibt weitere Risiken.

Die Schlangen vor den Corona-Testzentren in der Hamburger City sind deutlich sichtbar: Wer nicht oder noch nicht komplett geimpft ist, braucht bisweilen mehrmals pro Woche einen Schnelltest. Der Nachweis ist Voraussetzung für Veranstaltungen, manchmal für den Job und oft für das Fitnessstudio, wo die aktuellen Bescheinigungen zumeist genau kontrolliert werden.

Doch was, wenn die Tests künftig wieder bezahlt werden müssen? In der Hamburger Politik gibt es dafür starke Befürworter. Ziel ist es, die Impfquote deutlich zu erhöhen, jetzt, da ausreichend Impfstoff vorhanden ist. Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts liegt der Anteil der vollständig Geimpften in Hamburg bereits bei 47,8 Prozent. Bundesweit sind es 50,9 Prozent.

Nachfrage nach Corona-Schnelltests sinkt

Auch wenn durch die steigende Zahl der Geimpften bereits einige Testzentren in Hamburg und der Metropolregion schließen mussten, schauen die Betreiber gelassen auf die Pläne der Bundespolitik, die Tests möglicherweise kostenpflichtig zu machen. „Wir haben noch keine unternehmerische Entscheidung getroffen“, sagte Moritz Fürste dem Abendblatt. Der frühere Hockey-Olympiasieger ist einer der Betreiber einer Testzentrumskette. Ein anderer ist Axel Strehlitz, Unternehmer aus der Veranstaltungsbranche auf St. Pauli. Auch er schaut auf die politischen Entscheidungen, die meist so kurzfristig kommen, dass wenig Zeit zum Reagieren bleibt.

Wie andere hat er Testzentren schließen müssen – die Nachfrage war zu gering. Billstedt, Rothenburgsort und Veddel sind mittlerweile zu. Stade und Buxtehude musste Strehlitz ebenfalls schließen. Die Betreiber fühlen sich in der Pandemie-Entwicklung um Monate zurückversetzt, als die Schnelltests ohnehin kostenpflichtig waren. Erst dann kamen die Bürgertests, deren Kosten der Bund trägt. Die Anbieter fragen sich, ob und wie sie ihre Testzentren überhaupt wirtschaftlich betreiben können.

Schwarze Schafe unter den Betreibern: Betrug bei Abrechnung

Einige schwarze Schafe haben mit kleinen und größeren Betrügereien bei der Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung vor allem im Ruhrgebiet den Ruf der aus dem Boden gestampften Branche beschädigt. Müssen die Kunden jetzt selbst zahlen, könnte die Zahl der Nutzer sinken. Und gibt es immer weniger Anbieter, steigt der Preis für die Tests vermutlich weiter.

Ein möglicher Teufelskreis. Denn Menschen mit schmalem Portemonnaie, die auf die Tests angewiesen sind oder Veranstaltungen besuchen wollen, könnten benachteiligt werden. Doch bleibt es beim kostenlosen Test, sinkt der Druck, sich impfen zu lassen.

Tests für alle möglich zu machen und "nicht nur für Privilegierte“

Die Vorsitzende des Hamburger Hausärzteverbandes, Dr. Jana Husemann, sagte dem Abendblatt zur Kostenfrage: Wer über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, könne sich immer vom Impfen durch weitere Tests „freikaufen“. Husemann: „Auf der anderen Seite kann ich es auch verstehen, dass man es infrage stellen kann, ob die Allgemeinheit weiter für kostenlose Tests aufkommen soll, wenn es zumindest für alle über 16-Jährigen die Möglichkeit zur Impfung gibt.“ Für unter 12-Jährige und unter 16-Jährige ohne Risikofaktoren werde es zumindest vorerst kostenlose Testmöglichkeiten geben müssen.

Corona: Diese Testverfahren gibt es

  • PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
  • PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
  • Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
  • Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
  • Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
  • Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft

Testzentrumsbetreiber Strehlitz sprach sich dafür aus, Tests für alle möglich zu machen „und nicht nur für Privilegierte“. Er sagte, die Diskussionen um die Reiserückkehrer würden dafür sorgen, dass man nach wie vor viele Schnelltest-Angebote brauche. Ärzte sprachen sich gegenüber dem Abendblatt dafür aus, auch geimpfte Reiserückkehrer zu testen. Selbst wer doppelt immunisiert ist, kann unter Umständen eine Infektion weitertragen.

Debatte um Kostenpflicht für Getestete ist im vollen Gange

Nicht immer sind die Schnelltests verlässlich, wie sich an falsch negativen oder zeitlich zu weit zurückliegenden Tests gezeigt hat. Strehlitz bietet deshalb auch PCR-Tests an für Preise zwischen 25 und 75 Euro. Das seien die günstigsten, die zu haben seien. Die PCR-Tests (Polymerase Chain Reaction) sind deutlich genauer als die Antigen-Schnelltests.

Die Debatte um eine Kostenpflicht für Getestete ist im vollen Gange. Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte sie angestoßen und kostenpflichtige Tests gefordert, wenn alle, die sich impfen lassen können, ein Angebot erhalten haben. Nachfolger Peter Tschentscher (SPD) sieht das laut Senatssprecher Marcel Schweitzer genauso. Eine Kostenbeteiligung sei folgerichtig, da Tschentscher seit einiger Zeit dafür plädiere, künftig bei eventuellen Beschränkungen zwischen Geimpften und Ungeimpften zu unterscheiden.

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Beim Koalitionspartner im Rathaus wird diese Haltung geteilt. „Es geht in dieser Pandemie um das Gemeinwohl und da trägt jeder einzelne Verantwortung“, sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. „Alle Erwachsenen, die sich nicht impfen lassen möchten und bei denen keine medizinischen Gründe dafür vorliegen, müssen mit Einschränkungen rechnen, wenn es zu einer vierten Corona-Welle kommt. Dazu gehört auch eine Beteiligung an den Kosten der Corona-Tests.“

Opposition stellt Forderung an den Senat

Oppositionsführer Dennis Thering sieht es ebenso: „Klar ist, wer nicht bereit ist, durch seine Impfung seinen Teil im Kampf gegen die Pandemie beizutragen, kann nicht auf die Solidarität aller setzen und weiterhin kostenlose Tests in Anspruch nehmen“, sagte der CDU-Fraktionschef. Ausgenommen werden sollten dabei die auch schon von Scholz genannten Gruppen in Schulen und Betrieben und alle Bürger, die sich nicht impfen lassen dürfen.

Thering verbindet das mit einer Forderung an den Senat: „SPD und Grüne haben in Hamburg noch nicht das gesamte Potenzial an Impfmöglichkeiten ausgeschöpft. Wir brauchen mehr mobile Impfteams in den Stadtteilen und Impfgelegenheiten in Shoppingcentern und anderen hochfrequentierten Orten. Sind dann alle Menschen, die es wollen, vollständig geimpft, ist es selbstverständlich, dass Tests dann kostenpflichtig werden.“