Hamburg. Ein Radfahrer starb am Bahnhof Ohlsdorf, nachdem er aufs Gleis gestoßen wurde. Die Polizei meint, den Täter ermittelt zu haben.
Die Polizei Hamburg wartete mit Handschellen im Ankunftsterminal. Zwei Tage nachdem ein Radfahrer am S-Bahnhof Ohlsdorf von einem Mann aufs Gleis gestoßen wurde und dort tödlich verunglückte, hat die Polizei den mutmaßlichen Rempler festgenommen.
Der Haftbefehl wurde am Flughafen Hamburg vollstreckt, kurz nachdem der Mann mit einem Flieger in die Hansestadt zurückkehrte. Im Sicherheitsbereich schlugen die Beamten schließlich zu und stellten Beweismittel sicher.
Wie Staatsanwaltschaftssprecherin Liddy Oechtering am Freitag mitteilte, verbleibt der Verdächtige in Untersuchungshaft. Der Vollzug sei wegen Fluchtgefahr angeordnet worden. Ob er sich zu den Vorwürfen geäußert hat, wollte Oechtering nicht sagen.
S-Bahn-Rempler meldete sich bei Polizei
Es handelt sich um einen 62-Jährigen aus Alsterdorf. Er war auf Geschäftsreise gewesen. Polizisten hatten ihn lokalisiert und von seinem Rückflugtermin erfahren.
Ob der Gesuchte sich selbst telefonisch bei der Polizei gemeldet hatte, nachdem er die Medienberichte über die Tat in Ohlsdorf gelesen hatte, war noch unklar. Die Staatsanwaltschaft hatte zwischenzeitlich gegen ihn bereits einen Haftbefehl wegen Mordes erwirkt.
Für die Polizei dürfte eine Zitterpartie begonnen haben. Offenbar war völlig unklar, ob sich der Mann mit einem Anwalt beraten hatte und tatsächlich wie angekündigt den Rückflug antreten würde.
Wie der S-Bahn-Rempler festgenommen wurde
Die Polizei hoffte nicht nur den Mann festnehmen, sondern auch Beweismittel sicherstellen zu können. Nach bisherigen Erkenntnissen war der Mann nach der Tat relativ zeitnah auf die Geschäftsreise gegangen. Was er von dem tödlichen Ausgang des Remplers mitbekommen hatte, ist unklar. Auch das sollen die anstehenden Vernehmungen klären.
Der 62-Jährige flog tatsächlich wie angekündigt zurück nach Hamburg. Mit acht Minuten Verspätung landete er in Fuhlsbüttel. Ermittler der Mordkommission warteten bereits an den Zugängen zum Terminal. Kurz darauf holten sie ihn im Flugzeug ab. „Er wurde noch vor der Kofferausgabe festgenommen“, so ein Beamter. Weitere Details wurden bis zum Abend nicht bekannt.
Jetzt werden Vernehmungen durch Beamte der Mordkommission im Polizeipräsidium anstehen. Dabei soll geklärt werden, wie der 62-Jährige die Rempelei selbst wahrgenommen hat und was überhaupt Auslöser des Remplers gewesen sein könnte. Bei den Vernehmungen wird auch der Anwalt des Beschuldigten dabei sein. Von seinem Rat dürfte es abhängen, ob und wie der Beschuldigte sich zu den Vorwürfen einlässt.
Radfahrer in Ohlsdorf aufs Gleis gestoßen
Am Dienstagnachmittag war ein aufs Gleis gestoßener Fahrradfahrer zwischen zwei Waggons einer einfahrenden S-Bahn geraten. Der 56-Jährige wurde zwischen Zug und Bahnsteigkante eingeklemmt und starb noch vor Ort. „Wäre das ganze einen Bruchteil einer Sekunde später oder früher passiert, wäre er vermutlich nicht zwischen die Waggons geraten und vom Bahnsteig gerissen worden“, glaubt ein Beamter. Im Laufe der Ermittlungen stellte sich heraus, dass es sich dabei nicht um einen tragischen Unfall handelte, sondern das Opfer offenbar bewusst folgenschwer angerempelt wurde.
Die Szene, die sich dann ereignete, wurde von einer der Überwachungskameras, die die Bahnsteige nahezu lückenlos abdecken, festgehalten. Dem 56-Jährigen kam ein 40 bis 50 Jahre alter Mann mit Brille und dunkler Jacke entgegen, hieß es in dem Zeugenaufruf der Polizei. Als sie auf gleicher Höhe waren, kam es zu einem Rempler. „Es war eine Kollision, die augenscheinlich bewusst ausgeführt wurde“, sagte Polizeisprecher Florian Abbenseth über dem Rempler. Die Aufnahmen waren auch Grund für den Einstieg der Mordkommission in den Fall.
Die Ermittler gehen davon aus, dass der mutmaßliche Täter sich durch den 56-Jährigen gestört fühlte, weil dieser auf seinem Rad an ihm vorbeirollte und ihn deswegen schubste. Am Donnerstagabend erfolgte nun die Festnahme.
S-Bahn-Rempler – kein Einzelfall
Vergleichbare Fälle kamen immer wieder vor – auch in Hamburg. Für Schlagzeilen sorgte 2004 Ugur I., der „S-Bahn-Schubser“, der offenbar aus Frust und betrunken im S-Bahnhof Reeperbahn eine 21-Jährige in Richtung einer einfahrenden Bahn gestoßen hatte. Die Freundin der Frau hielt sie fest, verhinderte Schlimmeres.
Es war einer der ersten Fälle, die von einer Überwachungskamera festgehalten wurden. Die Tat hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Ugur I. wurde wegen versuchten Totschlags verurteilt und nach Verbüßung eines Teils der Haft in die Türkei abgeschoben.