Hamburg. “Cap San Lorenzo“ hat das Doppelte der erlaubten Menge Ammoniumnitrat geladen – der Stoff, der zur Explosion in Beirut führte.
Es ist der Stoff, der vor knapp einem Jahr zur verheerenden Explosion in der libanesischen Hauptstadt Beirut geführt hatte, bei der mindestens 190 Menschen starben und weite Teile des Hafens und der angrenzenden Viertel zerstört worden waren: Ammoniumnitrat.
Wegen der Gefährlichkeit des Grundstoffes der Düngemittel- und Sprengstoffproduktion gilt im Hamburger Hafen eine strikte Begrenzung der Ladungsmenge. Kein Schiff darf mehr als 500 Tonnen Ammoniumnitrat geladen haben.
Frachter im Hamburger Hafen überschreitet Ammoniumnitrat-Grenze
Deswegen musste die "Cap San Lorenzo" der Reederei Hamburg Süd noch am Mittwoch den Hafen wieder verlassen: Informationen des Abendblatts, wonach das mehr als 330 Meter lange Containerschiff 1000 Tonnen – also das Doppelte der erlaubten Menge – des gefährlichen Stoffes geladen hat, bestätigte die Polizei. Eine Ausnahmegenehmigung, die die Umweltbehörde hätte erteilen können, wurde nach Abendblatt-Informationen verweigert. Die Behörde selbst äußerte sich bis zum Abend noch nicht zu dem Zwischenfall.
Gegen die "Cap San Lorenzo", die bis zum Abend am Eurogate lag, wurde eine sogenannte Auslaufverfügung erlassen. Diese besagt, dass der Frachter Hamburg "unverzüglich" wieder verlassen muss. Die Feuerwehr rückte mit Beamten aus dem sogenannten Führungsdienst in Waltershof an. Diese orderten gegenüber der Besatzung der „Cap San Lorenzo“ an, dass Mitglieder der Crew durchgehend eine Brandwache halten müssten. Auch Experten für gefährliche Stoffe des Umweltdienstes der Feuerwehr waren vor Ort. Zudem war vorsorglich ein Löschfahrzeug in den Hamburger Hafen beordert worden.
Gegen 20.45 Uhr legte der Containerfrachter ab – dass zwischen dem Aussprechen der Verfügung und dem tatsächlichen Auslaufen mehrere Stunden lag, ist aller Wahrscheinlichkeit nach nautischen Gründen geschuldet: Mit 333 Metern Länge und 48 Metern Breite gehört die "Cap San Lorenzo" zu den sehr großen Schiffen, deren Fahrten über die Elbe genau koordiniert werden müssen. Nur in den sogenannten "Begegnungsboxen" ist genügend Platz, damit zwei der Containerriesen aneinander vorbei fahren können.
1000 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen – Hintergründe noch unbekannt
Ein Hamburg-Süd-Sprecher erklärte auf Abendblatt-Anfrage, die "Cap San Lorenzo" werde nun nach Bremerhaven fahren, um dort das Ammoniumnitrat abzuladen – dort gilt kein so strenger Grenzwert wie in Hamburg. Unmittelbar im Anschluss werde sie wieder zurück nach Hamburg kommen.
Die drastische Überschreitung der Grenzmenge für die gefährliche Chemikalie sei passiert, weil eine andere Reederei im Rahmen einer normalen Frachtkooperation das Ammoniumnitrat auf der "Cap San Lorenzo" transportieren ließ: "Das hätte uns trotzdem auffallen müssen", so der Sprecher weiter.
Linke warnt vor Risiko durch Schiffsladungen mit Ammoniumnitrat
Die verheerende Explosion von rund 2750 Tonnen Ammoniumnitrat in Beirut am 4. August 2020 hatte in Hamburg für Entsetzen, aber auch politische Diskussionen gesorgt. Die Linke hatte dabei auch vor dem Risiko im Hamburger Hafen gewarnt. „Die Explosion im Hafen Beiruts war ein schreckliches Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Ammoniumnitrat unsachgemäß gelagert wird“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stephan Jersch, nun am Mittwochabend zu dem Vorfall um die „Cap San Lorenzo“. Ein mit Ammoniumnitrat völlig überladenes Schiff im Hamburger Hafen mache „überdeutlich,dass für die Sicherheit der Menschen in Hamburg mehr getan werden muss“, so Stephan Jersch.
Der Umweltpolitiker forderte eine genaue Aufarbeitung, sobald das Schiff Hamburg verlassen habe. „Die Frage muss geklärt werden, wie eine solche Überladung überhaupt zustande kommen konnte“, sagte Jersch. Die Auslaufverfügung sei aber die „richtige Antwort der Behörde, um Gefahren für die Menschen zu minimieren“.