Hamburg. Seit 60 Jahren wechseln in Hammerbrook frisches Obst, Gemüse und Blumen den Besitzer. Auch Mälzer weiß den Markt zu schätzen.
Nachts, wenn Hamburg schläft, herrscht auf dem Großmarkt im Herzen der Hansestadt reger Betrieb. Es ist 4.00 Uhr morgens in Hammerbrook. Möwen kreischen, der Himmel färbt sich langsam blau. Vor der Verkaufshalle warten einige Lkw darauf, dass die Staplerfahrer kistenweise frisches Obst, Gemüse und Blumen in Empfang nehmen. Vollgepackte Rollwagen poltern vorbei. Sechs Tage die Woche wird am Oberhafen von den Abendstunden bis zum Morgengrauen geschnackt und geschuftet – und das schon seit 1962.
Großmarkt-Urgestein Joachim Köhler kennt das wuselige Treiben wie kaum ein anderer. Vor seinem Ruhestand war er 47 Jahre im Ein- und Verkauf auf dem Markt beschäftigt. „Einmal Großmarkt, immer Großmarkt“, sagt der Rentner. Heute führt er Besuchergruppen durch die Verkaufshalle, in der rund 3200 Mitarbeiter auf 40.000 Quadratmetern Handelsfläche die Nacht zum Tag machen.
Jubiläum: Was Tim Mälzer am Hamburger Großmarkt liebt
In den bunten Kisten der rund 350 Marktfirmen stapeln sich sowohl regionale als auch exotische Lebensmittel – von Äpfeln, Erdbeeren und Rhabarber bis hin zu Bananen, Kiwis und Melonen.
Im Stadtteil Hammerbrook werden seit 60 Jahren Supermärkte, Wochenmärkte, Restaurants, Hotels, Kantinen, Schulen und sogar Schiffe mit frischen Lebensmitteln versorgt. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit werden hier jährlich 1,5 Millionen Tonnen Waren umgeschlagen. Rund zwei Milliarden Euro Umsatz, allein an Obst und Gemüse, macht der Großmarkt nach eigenen Angaben pro Jahr.
Wie wichtig der Markt für die Stadt ist, weiß Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann: „Der Ernährungsstandort Hamburg braucht den Großmarkt, der Trends mitgestaltet, Produkte aus der Region voranbringt und als Handelsplatz den Akteuren der Branche eine Plattform bietet.“ Der Großmarkt gehöre zur Hansestadt, und man sei stolz auf ihn, so Westhagemann.
Einer der elf Gänge, in denen sich Stände dicht an dicht drängen, ist für Händler aus dem Hamburger Umland vorgesehen. Im Gang A türmen sich gelbe Pfandkisten der Erzeugergemeinschaft, einem Zusammenschluss von 110 Erzeugern aus der Metropolregion Hamburg. Angeboten werden hier unter anderem Kartoffeln, Salate, Kräuter und saisonale Produkte wie Mairüben. „Wir machen das fast 40 Jahre“, sagt Heiner Wischendorff aus Stelle (Landkreis Harburg). Er verkauft bis zu 800.000 Töpfe Kräuter jährlich, so Wischendorff.
Die Vielfalt des Großmarkts weiß auch ein bekannter Gastronom zu schätzen. „Was würden wir in Hamburg bloß ohne den pulsierenden Großmarkt machen? In der Bullerei gäbe es ohne ihn zumindest keinen Kartoffelstampf und auch keine Beeren auf dem Eis“, sagte der Hamburger Fernsehkoch Tim Mälzer.
Gleich nebenan wird es magisch mit Harry Potter
Neben der denkmalgeschützten Großmarkthalle mit ihrem charakteristischen Wellendach steht eine etwas kleinere Halle, in der farbenfrohe Verkaufsstände mit teils seltenen Pflanzen locken. Seit 1984 werden hier auch Blumen vertrieben. „Handel ist Wandel“, sagt Geschäftsführerin Eliane Steinmeyer. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich der Großmarkt immer weiter entwickelt und angepasst. Nur so habe man Herausforderungen wie zuletzt die Corona-Pandemie bewältigen können.
Neben Warenpaletten und Staplern können Besucher seit 2015 auch Theaterstücke sehen. Seit einem halben Jahr ist der Großmarkt im wahrsten Sinne des Wortes ein magischer Ort. Im Mehr!-Theater wird zurzeit das zweiteilige Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ aufgeführt. Mit insgesamt 3500 Plätzen ist es das größte Theater der Stadt.
Die Geschichte des Großmarkts in Hammerbrook könnte einige Bücher füllen. Geschäftsführerin Steinmeyer erzählt unter anderem von Queen Elizabeth II., die bei einem Staatsbesuch 1965 winkend in einem Cabrio durch die Verkaufshalle fuhr, und von ausgebüxten Elefanten aus einem Zirkus, die plötzlich auf dem Gelände standen.
Der Großmarkt ist eben etwas ganz Besonderes, findet Joachim Köhler, der seine Runde beendet, als die Sonne über der dreischiffigen Großmarkthalle aufgeht. „Ich war immer nachts unterwegs, mein Leben lang. Obwohl ich jetzt als Rentner auch gerne mal bis um neun schlafe“, sagt Köhler und lacht. Der „Großmarkt-Familie“ will er noch viele Jahre treu bleiben.