Hamburg. Neue Folge von „Ich frage für einen Freund“. Dieses Mal: Die Magie des Küssens. Wie Paare es wieder lernen und warum es so wichtig ist.

Heute Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sexpodcast für Erwachsene mit Moderator Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs: das Küssen.

Wann er das erste Mal so richtig einen leidenschaftlichen Kuss ausgetauscht habe, möchte Hinrichs von Schumacher wissen. Der zögert: „Öh, so alle Varianten des Küssens, Katrin?“ Nachdem er sich mit der Expertin auf eine Definition von „so richtig“ geeinigt hat (Hinrichs: „Wenn es dir so richtig durch das Gehirn saust ...“), fällt es ihm wieder ein: „Ich glaube tatsächlich, es war Johanna.“

„Ich frage für einen Freund“: Der erste Kuss

Den ersten richtigen Kuss vergisst kaum ein Mensch. Auch wenn spätere Partner oder Partnerinnen das vielleicht nicht gerne hören mögen, aber erste leidenschaftliche Küsse fühlen sich oft fast so intensiv an wie das legendäre erste Mal.

Entsprechend verträumt erinnert sich Schumacher: „Es war in Münster, in einer Grünanlage, etwas abseits. Die Fahrräder lagen im Gebüsch. Und wir daneben. Ich kann mich erinnern, dass die Endorphine wirklich explosionsartig losgejagt sind – bäääm! – , als ob dir jemand in hohen Dosen eine Droge in die Blutbahn gespritzt hätte.“

„Der Körper ist bei so was voll aktiv, da werden Glückshormone ausgeschüttet, also Oxytocin, Dopamin, Serotonin, das Immunsystem ist hochgradig angeregt“, erklärt Hinrichs. „Es heißt, durch richtiges Küssen werden zudem 150 Muskeln angestrengt, nur im Gesicht.“

Schumacher stutzt: „Wie jetzt, Knutschen ist wie Fitnessstudio für den Kopf?“ Auch das kann Hinrichs bestätigen: „Ja, unbedingt. Nicht umsonst gibt es eine richtige Kussforschung.“

Küssen ist wie „Kopf-Koitus“

Was Küssen sexologisch bedeutet? Man könne durchaus von einem „Kopf-Koitus“ sprechen, sagt Schumacher, schließlich dringe man ja auch ein Stück weit in den Körper des anderen ein, wenn es ein richtiger, leidenschaftlicher Kuss sei und nicht nur ein schnöder Schmatzer.

Doch da warnt Hinrichs: „Die Leute sollen das Küssen nicht immer so hollywoodmäßig falsch verstehen, es geht nicht nur um dieses Leidenschaftliche, bei dem gleich die Knöpfe vom Hemd fliegen.“ Küssen sei auch eine Art der Kommunikation – und laut Studien würden schon beim Küssen zwei Drittel der Frauen erkennen, ob es mit dem Partner passt oder nicht. „Alle Sinne sind beim Küssen beansprucht, das kann man gar nicht hoch genug bewerten.“

Zum Küssen gehöre auch das entsprechende Anfassen, sagt Schumacher. „Ich finde es echt ein Signal, wie dich die oder der andere dabei anpackt.“ Wenn einem – oder einer – dann fast die Luft wegbleibe („Sauerstoffmangel soll ja ganz geil sein“), sei es etwas anderes, als wenn man schon beim Küssen spüre, dass das Gegenüber „gar keinen Bock“ hat.

Ein Gradmesser der Beziehung

Ob denn die Kussforschung schon herausgefunden habe, warum manche Menschen ungern küssen, es sogar eklig finden, will Schumacher wissen. „Es gibt Leute, die finden Küssen intimer als Penetrationssex, das kann ich sogar nachvollziehen“, erklärt Hinrichs. „Küssen ist auch ein Gradmesser der Beziehung, der Nähe, der Vertrautheit. Je länger die Beziehung, desto flacher die Küsse. Was tun denn junge Leute oft?“ Schumacher: „Die küssen sich den ganzen Tag.“

Ihm ist dazu noch etwas eingefallen: „Alle fünf Sinne sind komplett auf das Küssen ausgerichtet, die ,technischen‘ Geschlechtsorgane hingegen liegen weiter weg, im Süden statt im Norden sozusagen.“

Hinrichs pflichtet bei und beschreibt nun, wie man sich ans gute Küssen (wieder) herantasten könne: „Ein Kuss kann sich entwickeln, erst ein bisschen vorsichtiger, dann kesser, leidenschaftlicher.“

„Männer sollten mal ohne Ziel küssen“

Ob man Küssen wirklich lernen könne, fragt Schumacher. „Den Mund zu öffnen, der ja auch für Spucke und Speisereste steht, das wird jeder Heranwachsender für sich selbst herausfinden müssen. Oder gibt es auch dafür inzwischen YouTube-Tutorials?“

Das sei ihr nicht bekannt, antwortet Hinrichs, die stattdessen ein Beispiel aus ihrer Praxis bringt: Eine Frau beklagte sich dort, dass ihr Mann „überhaupt nicht“ küssen könne. „Der hat das auch nie schön gefunden.“ Der Ratschlag in diesem Fall: „Nimm den doch mal richtig in den Arm, zwei-, dreimal die Woche vielleicht, und dann küsse richtig – zwei Minuten lang.“

Schumacher hat noch eine Frage zu Kuss-Killern. Zwiebel und Knoblauch kämen nicht so gut, das wisse man. Was störe noch? „Männer sollten mal ohne Ziel küssen, nicht gleich als Aufgalopp für mehr“, sagt Hinrichs. Frauen hingegen würden auch küssen, um einfach nur die Beziehung zu testen.

Wenn Paare sich über die Jahre „entküsst“ haben, wie kommen sie dann wieder zueinander? „Rantasten ist das Gebot der Stunde“, sagt Hinrichs, „und bloß nicht gleich überfallartig die Zunge im Mund des anderen versenken.“