Hamburg. Droht dem Ex-Bezirksamtsleiter eine empfindliche Bewährungsstrafe? Einige Vorwürfe hätten aber nicht nachgewiesen werden können.

Die gravierendsten Vorwürfe im Prozess um die Freikarten für das Rolling-Stones-Konzert vor fast fünf Jahren sind offenbar vom Tisch. Am Freitag hat das Landgericht – und so sehen es alle übrigen Prozessbeteiligten auch – klargestellt, dass eine Verurteilung der vier Angeklagten wegen Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue nicht in Betracht kommt. Für den ehemaligen und langgedienten Bezirksamtsleiter Hamburg-Nord, Harald Rösler (SPD), und seinen früheren Stellvertreter Tom Oelrichs könnte das eine gute Nachricht gewesen sein – bestraft werden sollen beide aber trotzdem. Wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht.

Die Anklage legt Rösler zur Last, bei Verhandlungen über die Genehmigung des Konzerts vom Veranstalter 300 Kauf- und 100 Freikarten verlangt zu haben. Im Gegenzug soll er für die Konzertfläche weniger Miete genommen haben, als geboten und angemessen gewesen wäre. Der Stadt seien dadurch Einnahmen von rund 400.000 Euro entgangen. Sein Stellvertreter Tom Oelrichs ist wegen Beihilfe angeklagt.

Stones-Konzert: Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafe

Im ersten Plädoyer des seit mehr als vier Monaten andauernden Korruptionsprozesses hat die Staatsanwaltschaft für Rösler wegen Vorteilsannahme- und -gewährung sowie wegen der Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe von elf Monaten beantragt. Zwar wäre in Fällen wie diesem auch eine „hohe Geldstrafe“ denkbar gewesen, sagte die Staatsanwältin. Doch schon aus präventiven Gesichtspunkten – das Vertrauen der Bevölkerung in Behörden habe durch das Verhalten des Ex-Bezirksamtsleiters Schaden genommen – müsse die Strafe empfindlicher ausfallen. „Wir wollen, dass man Amtsträgern vertrauen kann.“

Mit elf Monaten liegt die geforderte Strafe knapp unter der bei Beamten magischen Grenze von einem Jahr Haft. Zumindest Röslers Ruhestandsbezüge wären also gesichert, sollte das Gericht dem Antrag folgen. Außerdem soll der 72-Jährige für die 100 durch eine Straftat erlangten Freikarten „Wertersatz“ in Höhe von 15.238,20 Euro leisten. Sein Ex-Vize Tom Oelrichs soll wegen Vorteilsannahme sowie Beihilfe zu derselben und Vorteilsgewährung eine Geldstrafe in Höhe von 13.200 Euro (110 Tagessätze à 120 Euro) zahlen.

Senat wollte Stones-Konzert in Hamburg

Die Beweisaufnahme habe das Geschehen in vielen Punkten bestätigt, in manchen aber auch nicht, sagte die Staatsanwältin. Einer der Hauptpunkte der Anklage stützte sich auf ein angeblich von Rösler zu gering festgelegtes Nutzungsentgelt für die Stadtparkwiese als Konzertfläche im Gegenzug für die Frei- und Kaufkarten durch den Konzertveranstalter FKP Scorpio.

Bei der Abwägung, wie viel der Bezirk Nord an Miete für die Stadtparkwiese habe nehmen dürfen, sei aber nicht nur die Gebührenordnung evident; vielmehr spielten unter anderem auch „gesamtstädtische Interessen“ wie das Image der Stadt oder Vorteile für die Gastronomie eine wichtige Rolle, so die Staatsanwältin. Zudem habe der Senat darauf gedrungen, dass die Stones in Hamburg das Eröffnungskonzert ihrer „No Filter“-Europatournee spielen. Wäre die Miete zu hoch angesetzt worden, hätte die reale Gefahr bestanden, dass die Band dann auf einen anderen Spielort ausgewichen wäre. Deutlich günstiger wäre beispielsweise die Trabrennbahn als Veranstaltungsort zu haben gewesen. „Die 255.000 Euro waren in Ordnung“, sagte die Staatsanwältin.

Röslers Motive von guten Absichten getragen

Es sei zudem nicht nachweisbar, dass die Freikarten einen Einfluss auf die Höhe der Gebühren für die Stadtparkwiese gehabt hätten, betonte die Staatsanwältin. Nicht bestätigt sei auch der Vorwurf, dass der Stadt Einnahmen entgangen seien. Allerdings habe sich Rösler aus Sicht der Staatsanwaltschaft durch die Annahme und Vergabe der Freikarten an 40 Bedienstete des Bezirksamts Nord zum „Dank für geleistete und künftige Dienste“ sowie an mehrere Hamburger Staatsräte strafbar gemacht.

Auch wenn Röslers Motive „honorig“ und von guten Absichten getragen gewesen sein mögen, so handele es sich doch um eine „Unrechtsabrede“ mit dem Konzertveranstalter. Der angenommene Vorteil könne etwa darin bestanden haben, dass Rösler sich durch die Vergabe der Karten an Untergebene eine „Besserstellung“ im Amt versprochen haben könnte. Schon gar nicht sei die Annahme der Tickets, über die er seit Juli 2017 frei verfügen konnte, durch die Statuten für Hamburger Beamte gedeckt gewesen.

Hat Rösler den Anschein der Käuflichkeit erweckt?

Im Buhlen um die Stadtparkwiese als künftige Konzertfläche hätte so für konkurrierende Konzertveranstalter durchaus der Anschein einer „Käuflichkeit“ des Bezirksamtsleiters entstehen können – ein Eindruck, der durch seine Teilnahme an einem „Deluxe“-Empfang kurz vor dem Konzert im Landhaus Walter im Wert von rund 1400 Euro noch verstärkt worden sei. Dieser Empfang habe allerdings keinerlei Bezug zum Bezirk Nord gehabt – ebenso wenig lasse sich der Besuch des Konzerts vor rund 80.000 Besuchern mit „Repräsentationszwecken“ begründen.

Röslers Verteidiger Johann Schwenn hat am Freitag mit seinem Plädoyer begonnen. Fortsetzung am 3. März.