Hamburg. Die Innengastronomie darf wieder öffnen. Die Freude über den Neustart ist trotz der Auflagen groß, doch die Probleme sind es auch.

Während der Monate, in denen nur Eis, Kaffee und Kuchen zum Mitnehmen verkauft wurde, war im Langenhorner Bistro eisundsalzig kaum genug zu tun für die acht Festangestellten. Jetzt, wo sich vor dem Laden Schlangen bilden, die Terrasse stets gut besucht ist und auch innen wieder serviert wird, kommt Inhaberin Sophia Behr in Not. „Während des Lockdowns haben sich sechs unserer acht Mini-Jobber eine andere Arbeit gesucht oder sind fürs Studium weggezogen. Die fehlen jetzt natürlich.“

Drei neue Kräfte hat sie gefunden, die werden derzeit angearbeitet – was bei den vielen Gästen aktuell eine Herausforderung ist. „Eigentlich sind sie noch zu unerfahren. Allerdings lernen sie, was wie zu tun ist, auch nicht in einem leeren Laden“, so die Köchin, die derzeit im Service mit anpackt. Der Entschluss des Senats sei „ziemlich spontan gekommen“. „Aber wir freuen uns, wieder das tun zu können, wofür wir angetreten sind – in drei Wochen wird sich das zurechtgeruckelt haben.“ Dann werden auch wieder warme Speisen serviert.

Viele Gastronomen stecken in peronellen Schwierigkeiten

Mit ihren neuen, wenn auch ungelernten Aushilfen hat die Langenhorner Gastronomin Glück. Viele ihrer Kollegen stecken angesichts der ab heute wieder erlaubten Öffnung der Innengastronomie vor großen personellen Schwierigkeiten. „Von meinen sechs Angestellten, die in Kurzarbeit waren, sind fünf wieder zurück – eine ist im Mutterschutz.

Die sechs Aushilfen dagegen sind nicht mehr verfügbar“, sagt Elisa Jessen von der Cucina d’Elisa an der Rothenbaumchaussee. Sie benötige dringend neues und gutes Personal, um alle Schichten abzudecken und weiterhin sieben Tage die Woche öffnen und Qualität und Stimmung halten zu können. „Wir freuen uns alle sehr auf den Neustart“, sagt sie, „blicken aber mit großem Respekt in die Zukunft.“

Marco Lupo hofft auf das Verständnis seiner Gäste

Auch Marco Lupo vom Ristorante Lupo Vino & Cucina in Winterhude ist besorgt. „Einige unserer früheren Mitarbeiter machen jetzt etwas anderes, andere sind nach Italien zurück“, sagt er. „Ersatz zu finden ist schwierig. Ich habe schon mehrere Anzeigen geschaltet.“ Mit seiner Frau Vanessa Greco arbeitet er daher voll mit in Küche und Service – und dennoch sind sie dort nur jeweils zu zweit.

Früher waren es jeweils drei Mitarbeiter plus Aushilfen. „Wir werden erst ab Montag öffnen und mit weniger Tischen als üblich“, sagt Lupo. „Sonst schaffen wir das nicht.“ Wie seine Kollegen hofft auch er auf das Verständnis der Gäste.

Sehr angespannte Lage in Gastronomie und Hotellerie

Dehoga-Geschäftsführer Niklaus Kaiser von Rosenburg bestätigt die „sehr angespannte“ Personalsituation in Gas­tronomie und Hotellerie. Und er schätzt, dass sich die langfristigen Probleme erst innerhalb der nächsten Wochen zeigen, weil viele Unternehmen noch nicht mit der vollen Kapazität öffnen. Langfristig könne problematisch werden, dass in Kurzarbeit befindliche Mitarbeiter Zusatzjobs angenommen hätten, die sie nicht von heute auf morgen verlassen könnten, oder in Regionen mit einer verlässlicheren Öffnungsperspektive abgewandert wären.

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Laut Arbeitsagentur gebe es derzeit kaum Arbeitsuchende im Gastronomiebereich, die Betriebe hätten aber bis zu 30 Prozent der Mitarbeiter verloren. „Für einige wird sich eine Öffnung aufgrund der Auflagen und des erhöhten Personalaufwands nicht lohnen“, so der Dehoga-Geschäftsführer. Betroffen seien insbesondere kleine Gastronomien.

Einige Gastronome mussten Aushilfen entlassen

Doch auch viele Betreiber größerer Betriebe stecken in der Bredouille. Peer Petersen, der in den Restaurants The Locks, Wellingten und Balducci, den Wein-Bars Neumanns und Mellinghus sowie einem Weinhandel mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt, fehlen insbesondere die studentischen Hilfskräfte und Aushilfen. „Die mussten wir leider entlassen, aber diese Personalgruppe entspricht etwa 30 Prozent unserer Belegschaft, damit wir wirtschaftlich flexibel sind.“

Dabei sehnen sich die Gäste sehr danach, wieder im Inneren speisen zu können. „Das Telefon steht nicht still, hier geht eine Tischreservierung nach der anderen ein“, sagt Dennis Kwong, der das Dim Sum Haus an der Kirchenallee in dritter Generation führt. „Ich habe sofort das ganze Team zusammengetrommelt, als die Öffnung in Aussicht gestellt wurde.“ In der Küche habe er zum Glück keine Abgänge verzeichnet, im Service schon. Da einige während des Lockdowns den Job gewechselt hätten, gelte es, diese Lücken zu füllen. „Das wird nicht leicht, aber ich denke, wir bekommen es schon irgendwie hin.“

Corona-Pandemie führte zu Beschäftigungsverlust

Im Fischereihafen Restaurant werden dagegen mit rund 50 Angestellten genauso viele wie vor dem Lockdown arbeiten. „Die Gäste werden bekannte Gesichter wiedersehen“, sagt Geschäftsführer Dirk Kowalke.

Corona Krise in Hamburg am 16.03.2020 , Gastronom Dirk Kowalke vom Fischereihafen Restaurant misst den Abstand zwischen den Tischen Foto: Michael Rauhe / FUNKE Foto Services
Corona Krise in Hamburg am 16.03.2020 , Gastronom Dirk Kowalke vom Fischereihafen Restaurant misst den Abstand zwischen den Tischen Foto: Michael Rauhe / FUNKE Foto Services © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Auch dem Kinfelts Kitchen & Wine in der HafenCity ist das Personal über den Lockdown erhalten geblieben. „Zum Glück“, sagen die Betreiber Jana und Kirill Kinfelt, die derzeit im Lokal nahe der Elbphilharmonie neun festangestellte Kräfte beschäftigen. Für Küche und Service werden dennoch je zwei Mitstreiter gesucht – ebenso für den zweiten Kinfelt-Betrieb Trüffelschwein in Winterhude.

Einige Gastronomen können noch nicht sofort öffnen

Auch im Petit Bonheur in der Neustadt arbeiten weiterhin elf Kräfte in Küche und Service. „Wir haben drei neue Mitglieder im Team“, sagt Patron Ergün M. Uysal. Die zu finden war nicht schwer. „Es gab einige Initiativ-Bewerbungen. Deshalb haben wir jetzt einen neuen Auszubildenden in der Küche, einen Praktikanten im Service und einen neuen Chef de Rang.“

Laut Arbeitsagentur-Sprecher Knut Böhrnsen hat die Corona-Pandemie im Gastgewerbe, trotz des beschäftigungssichernden Kurzarbeitergeldes, zu einem Beschäftigungsverlust von rund 5200 Arbeitskräften (13,2 Prozent) geführt – der stärkste Jobabbau im Vergleich zu anderen Hamburger Wirtschaftsbereichen. Dass gleichzeitig im Jahresvergleich weniger Arbeitslose aus dem Gastgewerbe gezählt würden, deute darauf hin, dass betroffene Arbeitnehmer in andere Branchen abgewandert seien.

Corona-Krise hat Fachkräftemangel verschärft

Einige Gastronomen können noch nicht sofort öffnen: Kevin Fehling etwa geht mit seinem Drei-Sterne-Restaurant The Table in der HafenCity erst am 10. Juni wieder an den Start. „Wir möchten perfekt vorbereitet sein“, sagt er. Bis kommende Woche sei dann auch die Luca-App zur Kontakt-Nachverfolgung installiert und das Hygiene-Konzept, das unter anderem eine tägliche Testung der Angestellten vorsieht, laufe rund. Mit Personalnot muss Fehling, der während des Lockdowns die Zahlungen an die Festangestellten in Kurzarbeit auf 100 Prozent aufstockte, jedoch nicht kämpfen. Er konnte sein Table-Team sogar um zwei Mitarbeiterinnen erweitern: Es gab die schon länger vorliegende Bewerbung einer Küchenkraft, eine Servicekraft holte er von seinem Restaurant The Globe auf der MS „Europa“.

Im Restaurant 100/200, das Küchenchef Thomas Imbusch und Sommeliere Sophie Lehmann am 15. Juli wieder öffnen, fehlt dagegen Personal. „Vier Angestellte haben sich während des Lockdowns aus finanziellen Gründen umorientiert“, sagt Lehmann. Die Corona-Krise habe den grundsätzlichen Mangel an Fachkräften in der Gastronomie noch verschärft. Dem wolle man im 100/200 jetzt gegensteuern: Ab August wird in dem Restaurant am Brandshofer Deich mit gleich sieben Auszubildenden der Nachwuchs selber angelernt.

Diese Regeln gelten derzeit für den Innenbereich der Gastronomie

Wer innen sitzen möchte, muss einen negativen Schnelltest oder einen vollständigen Impfnachweis vorweisen und sich (digital) registrieren. Außer am Tisch gilt Maskenpflicht. Die Gastwirte müssen diese Vorgaben kontrollieren, die Tische mit 1,50 Meter Abstand zueinander aufstellen und darauf achten, dass jeweils maximal fünf Personen aus fünf Haushalten Platz nehmen (Kinder unter 14 Jahren zählen nicht). Zudem müssen sie die Sperrstunde (23 Uhr) einhalten und ihre Mitarbeiter mindestens zweimal pro Woche testen lassen.