Hamburg (dpa/lno). Das Grundgesetz feiert Jubiläum und am 9. Juni stehen auch in Hamburg Wahlen an. Grund genug für die Parteien der Bürgerschaft, die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat anzumahnen.
Anderthalb Wochen vor den Europa- und Bezirksversammlungswahlen haben SPD, Grüne, CDU, Linke und FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft zur Verteidigung der Demokratie gegen Rechtspopulisten und -extremisten aufgerufen. Das Grundgesetz garantiere die freiheitlich demokratische Ordnung, sei aber zunehmend von Parteien wie der AfD bedroht, die zentrale Grundsätze wie die Unantastbarkeit der Würde des Menschen nicht für alle Menschen gelten lassen wollten. „Außerhalb und innerhalb unserer Parlamente versucht der Rechtsextremismus durch Hass, Hetze, Intoleranz und Gewalt das gesellschaftliche Gefüge zu destabilisieren und Minderheiten zu diskriminieren“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf am Mittwoch in der Aktuellen Stunde.
Die AfD bezeichnete sich hingegen als wahre Verteidigerin des Grundgesetzes. Die Demokratie sei gefährdet, weil versucht werde, Deutschland umzuwandeln „in einen linksgrünen Gesinnungsstaat“, in dem aller Andersdenkenden ausgegrenzt würden, sagte Fraktionsvize Alexander Wolf.
„Unsere Demokratie und unser Grundgesetz brauchen loyale Demokraten“, die Wahlniederlagen akzeptierten, Gewalt ablehnten und mit Antidemokraten brechen würden, sagte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). „Extremisten gelingt es in der Regel nicht, allein ein System umzustoßen.“ Ein Blick in die Geschichte zeige, dass sie dazu der Hilfe von nur „halb-loyalen Demokraten“ bedürfen. Dies müssten alle demokratischen Parteien bedenken.
Zur Sicherung der Demokratie gehöre auch, dafür zu sorgen, „dass das demokratische Engagement nicht zum persönlichen Risiko wird“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) mit Blick auf Angriffe auf Wahlkämpfende und ihre Helfer. „Dazu gehört auch, dass wir die Parlamente gegen die Korrumpierung durch Abgeordnete schützen“. Bestechlichkeit von Abgeordneten sei „nichts anderes als Verrat an der Demokratie“, sagte er.
Hintergrund sind die beiden AfD-Europakandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron, die wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken seit Wochen in den Schlagzeilen sind. Gegen Bystron wird inzwischen wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit von Mandatsträgern sowie wegen Verdachts der Geldwäsche ermittelt. Bei Krah wird die Aufnahme von Ermittlungen noch geprüft - genauso wie die Frage, ob es Ermittlungen wegen möglicher chinesischer Zahlungen geben soll.
Russlands Präsident Wladimir Putin stelle die europäische Ordnung infrage und versuche wie China Einfluss zu nehmen, „auch hier bei uns in Deutschland“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Wir müssen wachsam und vor allem auch wehrhaft sein“, forderte er. Der Rechtsaat müsse mit allen Mitteln ausgestattet werden, „die es braucht, um sich diesen Bedrohungen von Innen wie außen entgegenzustellen.“
Die im Grundgesetz garantierte Würde und Gleichheit aller Menschen sei auch nach 75 Jahren noch keine Realität, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sabine Boeddinghaus und fragte: Wie viel Würde haben Kinder, Geflüchtete, Obdachlose, Arbeitssuchende, Rentnerinnen und Rentner, Aufstocker und Alleinerziehenden? „Solange es Arm und Reich gibt, gibt es keine Gleichheit.“ Es brauche eine Umverteilung des Reichtums. Nur gelinge die Stärkung der Demokratie und das Zurückdrängen rechtsextremer Kräfte.
Die Freiheiten des Grundgesetzes „gehören gegen wachsende autokratische Tendenzen verteidigt - im Zweifelsfall auch ohne Zaudern und Zögern militärisch, wie in der Ukraine“, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Ebenso müsse man sich den Feinden der Freiheit im Inneren entgegenstellen, „insbesondere den Extremisten von Links und Rechts oder den Islamisten“.
Das Grundgesetz, sei „mit das Wertvollste, was wir überhaupt zu verteidigen haben“, sagte auch AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. Es verliere aber an „Wirkmacht“ und das Bundesverfassungsgericht an Reputation, wenn keine ausgewiesenen Verfassungsexperten als Richter nach Karlsruhe berufen würden, die den Willen hätten, die Freiheitsrechte und Abwehrrechte der Bürger gegenüber dem Staat zu verteidigen. „Die Verfassung darf niemals das Werkzeug von Parteien und einzelnen Politikern sein, und das gilt für alle Parteien - und insbesondere für Grüne und Linkspartei“, sagte er.