Berlin. Die Heimatschützer der Bundeswehr üben, wie militärisch wichtige Infrastruktur verteidigt wird. Im Seehafen Rostock wird demonstriert, wie Soldaten die Verladung von Waffen und Material sichern.
Die Bundeswehr erwartet von einer Militärübung im Seehafen Rostock Erkenntnisse für den neuen Verteidigungsplan. Solche Übungen müsse es in Zukunft immer wieder und auch in größerem Umfang geben, „um festzustellen, was noch verändert werden muss, wo die Truppe etwas anders tun muss, wo wir vielleicht den Plan verändern müssen“, sagte der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos (TFK), André Bodemann, der Deutschen Presse-Agentur Stunden vor einer öffentlichen Demonstration der Fähigkeiten an diesem Freitag. Bei der Übung „National Guardian“ trainiert die Truppe einen Ausschnitt aus dem Operationsplan Deutschland, insbesondere Verladung und Verlegung der aktiven Truppe. Dabei werden Teile der 10. Panzerdivision auf ein Roll-on-Roll-off-Schiff geladen und damit nach Klaipeda in Litauen eingeschifft.
„Das konkrete Szenario sieht so aus, dass es eine große Truppenzusammenziehung an der Nato-Ostflanke gegeben hat. Russland hat zu Manövern aufgerufen, die ein Potenzial haben, tatsächlich das Nato-Territorium zu bedrohen“, sagte Bodemann, der damit die Rahmenbedingungen des Manövers benannte. Die Nato habe sich in diesem Übungsszenario entschieden, große Teile ihrer Truppen über die logistische Drehscheibe Deutschland zur Abschreckung an die Ostflanke zu verlegen.
Heimatschutzkräfte der Bundeswehr trainieren dazu im Seehafen Rostock den Schutz verteidigungswichtiger Infrastruktur - dazu gehören See- und Flughäfen, Munitions- und Materiallager, Verladebahnhöfe oder Umschlagpunkte der Truppe - gegen Angriffe oder Sabotage. Deutschland, das im Kalten Krieg Frontstaat war, ist nun für die Bündnisverteidigung eine Rolle als Drehkreuz zugedacht, über das ein Truppenaufmarsch der Verbündeten laufen soll.
Eine Annahme ist, dass größere Teile der Bundeswehr im Verteidigungsfall nicht mehr in Deutschland sein werden, sondern an der Front kämpfen müssen. Reservisten und die neuen Heimatschutzregimenter sollen dann militärische Schutzaufgaben in Deutschland übernehmen - und von den Polizeibehörden und anderen Institutionen unterstützt werden. Auch dazu wurde der Operationsplan Deutschland (OPLAN) ausgearbeitet.
„Wir haben uns sehr viel theoretische Gedanken gemacht und haben das auf dem Papier auch durchgespielt und werden das weiterhin auch mit einem großen Stresstest des Operationsplans Deutschland im Herbst tun. Man muss das auch praktisch üben und genau das tun wir hier in Ausschnitten“, sagte Bodemann. Militärische Verlegungen seien sichtbar. Die Belastung für die Bevölkerung solle so gering wie möglich gehalten werden. Bodemann: „Aber am Ende ist das der Preis, den die Menschen zahlen müssen für Freiheit und Demokratie, dass man sich eben auf einige Dinge einstellen muss und dass es eine Belastung gibt.“
Geplant war am Freitag eine Beteiligung von mehr als 360 Männern und Frauen der Bundeswehr in Rostock, darunter auch Reserve-Einsatzkräfte der Marine sowie mehr als 100 weitere Soldaten wie Feldjäger, die Kampfmittelabwehr, Sanität und Kräfte eines Flugabwehrraketengeschwaders. Die Luftwaffe ist mit dem Flugabwehrraketensystem Patriot beteiligt, die Marine mit dem Überflug eines Rettungshubschraubers und die Bundespolizei See mit einem Schnellboot.
„National Guardian“ gehört zur deutschen Übungsserie „Quadriga“ und ist damit auch Teil des Nato-Großmanövers „Steadfast Defender“ (etwa: „Standhafter Verteidiger“). Dabei trainieren Streitkräfte Alarmierung, Verlegung an die Außengrenzen der Nato im Nordosten und Südosten sowie das Gefecht. Für diese größte Nato-Übung seit dem Kalten Krieg werden im Verteidigungsbündnis insgesamt rund 90 000 Soldaten mobilisiert. Aus der Bundeswehr sind über 12 000 Männer und Frauen sowie 3000 Fahrzeuge daran beteiligt. Quadriga erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Monaten.