Hamburg (dpa/lno). Experten haben Bürgerschaftsabgeordneten ihre Sicht der Dinge auf den umstrittenen Einstieg der Reederei MSC beim Hafenlogistiker HHLA erläutert. Ganz so rosig ist der geplante Deal demnach nicht.
Bei der Anhörung der Hamburgischen Bürgerschaft zum Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim Hafenlogistiker HHLA haben mehrere Experten teils erhebliche Bedenken gegen den geplanten Deal geäußert. In der mehrstündigen gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für öffentliche Unternehmen und des Wirtschaftsausschusses ging es dabei am Mittwoch mehrmals um die Frage, ob statt des geplanten Einstiegs von MSC in die HHLA selbst nicht eine einfache Beteiligung der Reederei an einem Terminal sinnvoller wäre. Auch bei der in der Drucksache des Senats zugesicherten Mitbestimmung und wegen des Fehlens eines Verkehrswertgutachtens zeigten sich Fachleute skeptisch. Es gab aber auch Experten, die an dem geplanten Deal nichts auszusetzen haben und ihn als eine Chance für mehr Ladung und Wachstum im Hafen sehen.
Hamburgs rot-grüner Senat will die Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in Genf bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) mit an Bord holen, um den Containerumschlag zu stabilisieren. Die Stadt und das der italienischen Reederfamilie Aponte gehörende Unternehmen sollen die HHLA künftig als Gemeinschaftsunternehmen führen, bei dem die Stadt eine Mehrheit von 50,1 Prozent hält. Bislang gehören der Stadt rund 70 Prozent der börsennotierten HHLA.
Im Gegenzug will die weltgrößte Reederei MSC ihre Deutschlandzentrale in Hamburg bauen, das Ladungsaufkommen im Hafen von 2025 an erhöhen und laut Drucksache bis 2031 auf eine Million Standardcontainer (TEU) pro Jahr steigern. Zudem wollen MSC und die Stadt das Eigenkapital der HHLA um 450 Millionen Euro erhöhen. Zuletzt musste der Hafen Rückschläge hinnehmen. So sank der Umschlag von Seegütern im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 um 4,7 Prozent auf 114,3 Millionen Tonnen - der niedrigste Wert seit 2009.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens habe in den vergangenen zehn Jahren gelitten, sagte der Geschäftsführer der HSP Hamburg Invest GmbH, Joachim Seeler. Statt diese nun nach den Terminal-Beteiligungen etwa von Cosco und Hapag-Lloyd durch eine weitere Beteiligung an einzelnen HHLA-Terminals zu stärken, wolle die Stadt erstmals mit MSC einen Kunden an der Steuerungsebene für alle Terminals und den Hinterlandverkehr beteiligen. „Das werden Sie sehr gut überlegen müssen“, warnte Seeler. Er merkte auch an, dass eine Mehrheit in der Gesellschaft nicht zwingend etwas über die Kontrolle aussage. Denn die hänge an der Satzung, in der es üblicherweise ganz simpel heiße, es entscheide die einfache Mehrheit. Beim MSC-Deal jedoch hänge ein langer Rattenschwanz mit Ausnahmen dran, für die Einstimmigkeit nötig sei - was Blockademöglichkeiten eröffne.
Ähnlich skeptisch zeigte sich der frühere Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. Ihm fehlt etwa eine Wettbewerbsanalyse, warum der Hamburger Hafen zurückgefallen ist. Andere Häfen wie Barcelona oder Genua hätten dies längst gemacht. Auch steuerlich und wettbewerbsrechtlich stellten sich noch Fragen. Die Rechtsanwältin der Kanzlei Becker Büttner Held, Dörte Fouquet, sagte, sie bewege vor allem das Thema Mitbestimmung, die sicher sein müsse. Dass etwa betriebsbedingte Kündigungen für fünf Jahre ausgeschlossen sein sollen, „scheint mir (...) sportlich kurz zu sein“.
Die Vorsitzende des DGB Nord, Laura Pooth, nannte MSC ein wenig transparentes Familienunternehmen, das seine Zahlen nicht offenlege und auch keinerlei Mitbestimmungskultur habe. Gleichzeitig verwies sie auf die Gewerkschaft Verdi und die HHLA-Betriebsräte, die einen Einstieg von MSC rigoros ablehnen. Bereits zwei Mal sind Beschäftigte deshalb auf die Straße gegangen, einmal vor zwei Wochen mit rund 500 Teilnehmern und einmal im September 2023 mit rund 2500 Teilnehmern. Außerdem hatten im November HHLA-Beschäftigte aus Protest in einem wilden Streik einen Tag die Arbeit niedergelegt.
Keine Probleme mit dem Deal hat der extra aus London eingeflogene Geschäftsführer des maritimen Forschungsberatungsunternehmens Drewry, Tim Power. In jedem großen nordeuropäischen Hafen seien Reedereien an Terminals beteiligt und lenkten ihre Fracht gezielt dorthin, sagte er. Aus seiner Sicht ist es strategisch egal, ob es sich um eine Beteiligung an Terminals oder an einer Holding handele. MSC wachse und werde Volumen nach Hamburg bringen. Power verwies etwa auf Antwerpen, wo MSC einen Aufschwung im Hafen gebracht habe. Insgesamt halte er das Risiko für Hamburg gering, schließlich habe MSC ein ureigenes Interesse an modernen Terminals und dem Gelingen des Geschäfts. Der Professor für Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht an der Bucerius Law School, Christoph Kumpan, sieht die Mitbestimmung und die Unabhängigkeit der HHLA zumindest rechtlich wohl sichergestellt.