Hamburg (dpa/lno). Abermals sind Zehntausende Menschen einem Aufruf zur Demonstration gegen rechts in Hamburg gefolgt. Diesmal waren es nicht zu viele, und anders als vor weniger als zwei Wochen war keine Notbremse nötig.
Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen sind am Sonntag in Hamburg Zehntausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Nach Angaben der Polizei kamen rund 60.000 Menschen bei strahlendem Sonnenschein auf einer Hauptverkehrsstraße in der Innenstadt zusammen. Die Bewegung Fridays for Future sprach sogar von rund 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Angemeldet war die Demonstration mit 30.000 Teilnehmenden. Sie stand unter dem Motto „Für Vielfalt und unsere Demokratie - Hamburg steht zusammen gegen die AfD“. Mehr als 40 Organisationen hatten dazu aufgerufen. Der Verlauf war friedlich, wie die Polizei am Abend mitteilte.
„Wir demonstrieren, weil wir nicht einverstanden sind mit dem Rechtsruck, mit der AfD und dem Faschismus. Wir demonstrieren, weil wir nicht einverstanden damit sind, einen Rechtsruck der AfD mit einem Rechtsruck von allen anderen zu bekämpfen“, sagte die Klimaaktivistin Luisa Neubauer als Hauptrednerin der Kundgebung. „Wir demonstrieren, weil wir sehen, dass man Faschismus mit Haltung und nicht mit Anbiederung bekämpft.“ Die Menschenmenge auf der Ludwig-Ehrhard-Straße reichte vom Rödingsmarkt bis hinter die Michaeliskirche. Nach der Startkundgebung zogen die Menschen in einem Demozug durch die Innenstadt. Immer wieder skandierten sie „Hamburg hasst die AfD“ oder „Wir sind mehr“.
Viele Teilnehmende hielten Transparente und Schilder mit Texten wie „Faschismus ist keine „Meinung, sondern ein Verbrechen“, „Mut zur wehrhaften Demokratie“ oder „Demokratie schützen“ - aber auch „Selbst die Kartoffel hat Migrationshintergrund“. Vereinzelte Demonstranten hielten neben Palästina-Fahnen oder Israel-Flaggen aber auch Plakate wie „Zionismus ist rechts“ - obwohl die Sprecherin von Fridays for Futures, Annika Rittmann, zu Beginn der Demonstration darum gebeten hatte, keine Nationalflaggen zu zeigen, „damit sich alle wohl fühlen“.
Die Demonstration war, wie zuvor viele andere in ganz Deutschland, eine Reaktion auf einen Bericht des Medienhauses Correctiv. Damit wurde ein Treffen radikaler Rechter am 25. November in Potsdam öffentlich gemacht, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.
„Genau jetzt hinzuhören, die Augen aufzumachen und festzustellen, dass die Correctiv-Recherchen der Gipfel vom Eisberg waren, der so viel größer war“ sei jetzt „unser Job“, rief Neubauer zu den Teilnehmenden. „Wir haben ein Problem in diesem Land und irgendwer muss anfangen. Irgendwer muss auf die Straße gehen. Irgendwer muss den ersten Schritt machen“, sagte sie. „Und wir wissen genau, irgendwer irgendwann, das ist Wir, das ist Jetzt. Und genau deshalb sind wir im ganzen Land überall.“
Zuletzt war am Freitag der vorigen Woche eine Demonstration gegen Rechtsextremismus in der Hansestadt abgebrochen worden, weil viel mehr Teilnehmende gekommen waren als erwartet. Statt 10.000 waren es nach Veranstalterangaben 80.000 Menschen, die Polizei nannte die Zahl von 50.000 Demonstranten. Nach diesem Andrang haben die Organisatoren der Demo am Sonntag reagiert und den ursprünglich geplanten Versammlungsort am Jungfernstieg zur Ludwig-Erhard-Straße verlegt.