Hamburg. Elbtower, Super League, Elon Musk – der Irrsinn geht weiter. Wir verraten, was 2024 Hamburg und die Welt bewegen wird. Eine Satire.

Januar: Nach „intensiven Gesprächen zum Jahreswechsel“ erklärt A22, die Agentur zur Gründung der Fußball Super League, dass sich genügend Clubs zur Teilnahme bereiterklärt hätten. Der neue Wettbewerb mit 64 Teams in drei Ligen könne im Herbst starten. Aus Deutschland hat sich neben RB Leipzig bisher nur Teutonia Ottensen zur Teilnahme bekannt.

Die von der Stadt gegründete Expertenkommission zur Untersuchung der Firmenstruktur aller am Elbtower-Bau beteiligten Unternehmen löst sich auf. Das aus Wirtschaftsprüfern, -professoren, Anwälten und Privatdetektiven bestehende Gremium sah sich außerstande, die von Bürgermeister Peter Tschentscher formulierte Aufgabe zu bewältigen: „Erklären Sie es mir.“

Nach der bundesweiten Aufregung um den nicht aufgestellten Weihnachtsbaum in einer Hamburger Kita ruft AfD-Führer Bernd Höcke 2024 zum „Jahr der kulturellen Rückeroberung“ aus. Beim traditionellen Zigeunerschnitzelessen seiner Ortsgruppe am 30. Januar fordert er alle AfD-Wähler auf, ihre Kinder als Indianer oder Eskimos verkleidet zum Fasching in die Kitas und Schulen zu schicken.

Oha! Elbtower-Oper und Super League

Februar: RB Leipzig zieht sich aus der Super League zurück, nachdem bekannt geworden war, dass der saudische Staatsfonds die Gründung der Hyper League beschlossen hat. 24 Teams (20 europäische, vier saudische) sollen in zwei Staffeln spielen, als Garantiesumme erhalten alle Vereine 200 Millionen Euro pro Jahr.

In der Landespressekonferenz wird die Rettung des Elbtowers verkündet. Klaus-Michael Kühne habe sich in einem Telefonat mit dem Bürgermeister bereiterklärt, den Elbtower auf eigene Kosten fertigzustellen, sofern er dort eine Oper integrieren dürfe – er wolle lediglich, dass sie nach Uwe Seeler benannt wird.

Dem Höcke-Aufruf zum Kinderfasching wird kaum Folge geleistet, größtenteils, weil die Kinder sich weigern – sie bestehen auf Superheldenkostümen. Aufregung gibt es in einer Kita in Eimsbüttel, die im Vorwege erklärt hatte, „Vorwürfe kultureller Aneignung“ verhindern zu wollen und „keine Verkleidungen mit ethnischen Stereotypen“ zu dulden -- und zunächst dem vermeintlich als amerikanischen Ureinwohner verkleideten, fünfjährigen Kim-Malte den Zutritt verwehrte. Als der jedoch erklärte, er habe sich nicht als Indianer, sondern „als Kind von AfD-Wählern“ verkleidet, herrscht eine gewisse Ratlosigkeit.

März: RB Leipzig will nun doch in der Super League antreten, da die Hyper League eine Teilnahme an anderen internationalen Wettbewerben nicht ausschließt. Zu Gerüchten über die bevorstehende Gründung der Mega League (finanziert von Katar) wollte sich die Clubführung nicht äußern.

Das Verhältnis der Stadt zu Kühne hat sich stark abgekühlt, nachdem dieser den vom Senat verkündeten Weiterbau des Elbtowers heftig dementiert hatte. Wie sich herausstellte, ging der vermeintliche Kühne-Anruf auf das Satire-Magazin „Titanic“ zurück, das eine KI-generierte Kühne-Stimme verwendet hatte.

Auch das noch: Der „Höckische Beobachter“ marschiert

April: Uefa-Boss Aleksander Ceferin erklärt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Bossen der nationalen Ligen, dass alle Teams ausgeschlossen werden, die an der Super-, Hyper-, Mega- oder sonstigen nicht von der Uefa genehmigten Ligen teilnehmen. Davon wären sieben Bundesligisten betroffen (Stand: 1. April) – der Aufstieg des HSV und des FC St. Pauli scheint trotz der jüngsten Niederlagenserien beider Clubs somit gesichert. Fabian Hürzeler erklärt sich nunmehr bereit, seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag bis zur Winterpause zu verlängern.

Nachdem sich ein neues Angebot der Turmbau Babel Real Estate zur Übernahme des Elbtowers als nicht nur sprachlich wirr herausgestellt hatte, will der Senat im Sommer auf einer dreitägigen Klausurtagung im alten Fernsehturm-Café über Lösungen nachdenken.

Der neugegründete und in München erscheinende „Höckische Beobachter“ bittet seine Leser um Mithilfe. Wie der Schriftleiter in der ersten Ausgabe der Zeitung vom 20. April ankündigt, solle in einer großen Serie über alle Kitas berichtet werden, in denen die „abendländisch-deutsche Leitkultur mit Füßen getreten“ werde. Man plane bundesweit „einen Feldzug gegen den links-grün-versifften Meinungsterror“.

Mai: Bayern München – soeben dank des überraschenden 0:7 von Bayer Leverkusen im letzten Spiel gegen Augsburg mit der um einen Treffer besseren Tordifferenz deutscher Meister geworden – bleibt bei seinem Nein zu den privat organisierten neuen Wettbewerben. Das gelte aber selbstverständlich nicht für die World League mit 128 Mannschaften aus allen Kontinenten, die Fifa-Boss Gianni Infantino mit Finanziers aus Indien, Usbekistan, Panama. Kasachstan und Brunei zu gründen angekündigt hat.

Die FDP schlägt vor, die Stadt solle den Elbtower fertigbauen und dann die Universität komplett dorthin verlegen, die somit das höchste und berühmteste Uni-Gebäude der Welt erhalte. Das alte Uni-Gelände solle an private Immobilienunternehmen verkauft werden, wobei österreichische Firmen vorsichtshalber ausgeschlossen werden sollten.

Elon Musk gründet das weltweite, individualisierte Nachrichtenportal „Your World“, das ausschließlich KI-basierte Texte und Bilder verbreitet. Die Abonnenten müssen lediglich ein paar einfache Fragen beantworten (Wen mögen Sie lieber? Israel oder Hamas, Biden oder Trump, Ukraine oder Russland, Elon oder Musk, etc), schon werden ausschließlich entsprechende Nachrichten, Bilder und Meinungen präsentiert. Garantiert recherchefrei und ohne nachdenkliche Nebenwirkungen.

Oje! Trotz Klose und Schweinsteiger: EM-Aus in der Vorrunde

Juni: Nachdem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trotz der Rückkehrer Toni Kroos, Miroslav Klose, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger äußerst unglücklich in der Vorrunde der Heim-Europameisterschaft ausgeschieden ist, erklärt DFB-Boss Bernd Neuendorf, die World League zu unterstützen, da 0,2 Prozent der Erlöse zur Nachwuchsförderung an die Verbände ausgeschüttet werden sollen. Die auf den DFB entfallenden 4,6 Millionen Euro jährlich brauche man dringend.

In der Kita-Serie des „Höckischen Beobachters“ gibt es erste „schlimme Enthüllungen“. In einer Kita in Oberhausen sei eine „Osterhäsin“ gemalt worden, heißt es. In Brandenburg habe eine Erzieherin „die Kinder sexualisiert“, indem sie das Wort „Penis“ benutzt habe (statt Zipfel). Und in Hamburg würden sogar in katholischen Kitas „migrationsverherrlichende Lieder“ gesungen („Alle Vöglein sind schon da“).

Juli: Der gemeinsamen Klage von Super-, Hyper- und Mega League gegen die Uefa vor dem Europäischen Gerichtshof wird stattgegeben, die teilnehmenden Clubs dürfen nicht aus den nationalen Wettbewerben ausgeschlossen werden. RB Leipzig als Teilnehmer aller drei Ligen rechnet mit zusätzlichen Erlösen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro pro Jahr – alle anderen Clubs geben daraufhin ihre Widerstände auf und wollen nun ebenfalls teilnehmen. Die tagelangen Aufstiegsfeiern des HSV und des FC St. Pauli erwiesen sich als verfrüht. Beide Clubs fordern die bereits gezahlten Aufstiegsprämien zurück.

Die Saga erklärt, auf Bitte des Senats die Schaffung von Wohnraum im Elbtower geprüft zu haben. Man könne den Bau in Eigenregie vollenden, hege aber eine gewisse Skepsis, ob die errechnete Nettokaltmiete von 43,50 Euro pro Quadratmeter marktkonform sei. Möglicherweise ergebe sich ein Subventionierungsbedarf.

Als Antwort auf Elon Musks „Your World“ haben sich Microsoft, Apple und Google in einem Joint Venture zusammengetan und die „True App“ entwickelt, die kostenlos angeboten wird. Sie untersucht jeden im Internet abrufbaren Text in durchschnittlich 0,013 Sekunden auf dessen Wahrheitsgehalt.

August: Nach dem desaströsen Abschneiden der deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen (1 x Gold, 4 x Silber, 6x Bronze – Platz 52 im Medaillenspiegel) verkündet Bundeskanzler Olaf Scholz das größte Sportförderprogramm aller Zeiten (Scholz wörtlich: „ Das wird ein richtiges Bahmms! Bazooka und Wumms in einem!“).

Die beiden Fußball-Zweitligisten HSV und FC St. Pauli sagen ihre Teilnahme an der Traditional League für „zweitklassige europäische Clubs mit großer Vergangenheit“ zu. Warum St. Pauli trotzdem mitmachen darf, wird von Mit-Initiator Oke Göttlich nicht näher erläutert.

Die Kulturbehörde schlägt in einem Geheimpapier vor, die Elbtower-Baustelle auf Dauer unverändert als „bewusste Wunde“ im Stadtbild zu belassen – alljährlich könnten dann im Rahmen der internationalen „Elb-Babyloniade“ Künstler die Bauruine gestalten. Der Finanzierungsvorschlag der Behörde für das Festival lautet: Kühne.

September: RB Leipzig ist sicher, sich „hervorragend auf die neue Fußballwelt eingestellt“ zu haben. Zwar bringe der Spielplan (Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League, Super League, Mega League, Hyper League und Club-WM) große Herausforderungen mit sich. Doch man habe zum einen „mit Rücksicht auf die Belastung der Spieler“ auf die World League verzichtet, zum anderen sich personell entsprechend aufgestellt. Mit drei Chef-, neun Co- und 21 Assistenztrainern sowie einer Kadergröße von 136 Spielern könnten die Herausforderungen gut bewältigt werden. Auch die Doppelspieltage (mit zwei Leipziger Spielen am selben Tag) seien somit kein Problem.

Marvin Willoughby, Geschäftsführer des Basketballteams Veolia Towers Hamburg, sagt am Rande einer Pressekonferenz, dass er zwar keinen Investor habe, es aber denn doch nicht unerwähnt lassen wolle, dass es doch irgendwie ein ganz reizvoller Gedanke sei, wenn die lang ersehnte neue Halle für sein Team in den Elbtower integriert werden könne, denn so ein Towers-Tower sei nun wirklich schon mal rein phonetisch doch supercool, oder?

Laut „True App“ liegt der Wahrheitsgehalt der bei „Your World“ verbreiteten Texte bei durchschnittlich 3,4 Prozent und damit gleichauf mit dem „Höckischen Beobachter“. Laut Elon Musk liegt der Arschlochgehalt bei Microsoft, Apple und Google bei 100 Prozent.

Na endlich! Hamburger Fußballverband gründet die „Ober League“

Oktober: Der Hamburger Fußballverband sieht sich angesichts der „revolutionären Veränderungen des Weltfußballs“ gezwungen zu reagieren: Die höchste Hamburger Spielklasse heißt nunmehr „Ober League“.

Die Handelskammer fordert den Senat auf, den Elbtower „zum Wohle der Stadt“ in Eigenregie fertigzustellen. Man habe bereits ein zukunftsweisendes Nutzungskonzept erarbeitet: die Bildungspyramide. In den unteren Geschossen sollen Kitaplätze geschaffen werden, darüber Vor- und Grundschulen, im mittleren Bereich mehrere Stadtteilschulen, gefolgt von Gymnasien und schließlich gekrönt von einer (privaten) Universität an der Spitze. Allein durch die „Stockwerk-Symbolik“ werde der „Aufstiegsgedanke bei den jungen Menschen implementiert“ und zu allgemeiner Leistungssteigerung führen.

Der Schriftleiter des „Höckischen Beobachters“ beklagt in einem Leitartikel, die Deutschen seien ein Opfer „kultureller Aneignung“. Der Weihnachtsbaum sei eine „rein urdeutsche Errungenschaft“, der Autor verweist auf die erste schriftliche Erwähnung anno 1492 „im schönen deutschen Straßburg“. Die Regierung müsse dagegen einschreiten, dass diese Tradition „massenhaft im Ausland kopiert und zum Teil pervertiert wird“.

November: Die Klage von Teutonia Ottensen gegen die Super League ist erfolgreich – der Club war ausgeschlossen worden, nachdem sich „angeblich namhaftere Vereine“ zur Teilnahme bereiterklärt hätten. Mit den vom Gericht zugesprochen 58 Millionen Euro will der Verein nun ein drittligataugliches Stadion finanzieren. Als Standort biete sich möglicherweise ein bald freiwerdendes Areal an der Altonaer Griegstraße an, hieß es.

„Your World“ hat 97,6 Prozent seiner weltweit 348 Millionen Abonnenten verloren. Das habe aber nichts damit zu tun, dass alle Kunden seit Kurzem zwangsweise sämtliche Beiträge von Elon Musk auf X als Pushnachricht bekommen, versichert das Unternehmen.

Die Hamburger AfD scheitert mit ihrem Bürgerschaftsantrag, den Adventskranz, die Currywurst und Scholle mit Speck („alles Hamburger Erfindungen“) zum „Hammaburgischen Kulturerbe“ zu erklären und rechtlich zu schützen.

Der „Höckische Beobachter“ muss eine Gegendarstellung bringen, nachdem er berichtet hatte, in einer Hamburger Grundschule seien Kinder gezwungen worden, Weihnachtsbäume zu verbrennen und dabei „Allah ist groß“ zu brüllen. Wie eine Abendblatt-Recherche ergab, hatte eine Lehrerin dem achtjährigen Ertan dabei geholfen, eine Kerze am 4,30 Meter hohen Schulweihnachtsbaum zu entzünden, wobei der Junge gesagt hatte: „Gott, ist der groß!“

Mega-Idee für Hamburg: Elbtower wird Naturschutzgebiet

Dezember: „Your World“ meldet nach gescheiterten Fusionsverhandlungen mit dem „Höckischen Beobachter“ Konkurs an.

Nach den Insolvenzen der übertragenden Sender Sky, Dazn, Signa TV und Wireless-card kündigen auch Magenta TV, Amazon Prime, Google Sports und RTL Nitro an, sich aus der Fußballberichterstattung zurückzuziehen. Die Saisons der Super-, Mega-, Hyper- und World League werden vorzeitig abgebrochen. Abendblatt TV, das die Traditional League überträgt, zeigt sich hingegen „sehr zufrieden“: Begegnungen wie HSV – Leeds United und Espanyol Barcelona – FC St. Pauli mit jeweils 9,4 Millionen Zuschauern hätten die Erwartungen „übertroffen“. Die Ober League Hamburg verkündet einen neuen Zuschauerrekord.

Der Senat folgt nach schwierigen, zwölftägigen Beratungen dem Vorschlag von Umweltsenator Jens Kerstan, dessen „Passivitätskonzept Elbtower“ vor allem aus finanziellen Gründen angenommen wird. Der Dreistufenplan sieht jetzt Folgendes vor: Phase 1: Einzäunen. Phase 2: Abwarten. Phase 3: Zum Naturschutzgebiet erklären.