Gütersloh/Kiel (dpa/lno). Seit Jahren werden Kitas in Schleswig-Holstein gebaut. Dennoch reicht das Angebot nicht, um den Bedarf zu decken. Laut Bertelsmann Stiftung kann das noch ein paar Jahre dauern.

Der Bedarf an Kitaplätzen in Schleswig-Holstein kann nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung voraussichtlich erst im Jahr 2030 gedeckt werden. Die Quote der unter dreijährigen Kinder in Kindertagesbetreuung liege im nördlichsten Bundesland mit 36 Prozent genau im Bundesdurchschnitt, teilte die Bertelsmann Stiftung mit. Tatsächlich wünschten sich jedoch 49 Prozent der Eltern für ihr Kind in dieser Altersgruppe eine Betreuung. Bei den ab Dreijährigen liege die Betreuungsquote mit 89 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt von 92 Prozent. Hier hätten 97 Prozent der Eltern Bedarf an einer Kindertagesbetreuung.

Im Ergebnis fehlten dem Bundesland 15.600 Kita-Plätze, um die Bedarfe der Eltern zu decken. Das zeigten die Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“. Kritik an der Landesregierung kam von der Bildungsgewerkschaft GEW und der FDP-Landtagsfraktion.

53 Prozent der Kita-Kinder in Schleswig-Holstein werden laut der Studie in Gruppen mit nicht kindgerechten Personalschlüsseln betreut. In den Krippengruppen sei eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft rechnerisch für 3,5 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Das verfehle das von der Bertelsmann Stiftung empfohlene Verhältnis von 1 zu 3. In den Kindergartengruppen sei eine Fachkraft rechnerisch für 7,4 Kinder verantwortlich. Dies ist etwas günstiger als der von der Bertelsmann Stiftung empfohlene, kindgerechte Personalschlüssel von 1 zu 7,5 in dieser Gruppenform.

Um die Situation zu verbessern, benötigen die Kitas in Schleswig-Holstein demnach mehr Personal. Laut dem aktuellen „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule“ der Bertelsmann Stiftung werden in dem Bundesland bis zum Jahr 2025 allerdings 1700 Fachkräfte fehlen, nur um die Betreuungsbedarfe der Eltern zu erfüllen. Bis 2030 wäre zwar rechnerisch ausreichend Personal vorhanden - allerdings nur, wenn die Elternbedarfe auf dem derzeitigen Niveau bleiben.

Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) betonte, es werde weiter daran gearbeitet, die Kita-Situation im Land zu verbessern und den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz zu erfüllen. Mehr Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger könnten in Kitas arbeiten, sozialpädagogische Assistentinnen und Assistenten nun Gruppen leiten. Das schaffe faktisch mehr Personal. „Eltern haben einen Rechtsanspruch auf Betreuung ihres Kindes. Den kann man nicht ohne weiteres auf sechs Stunden begrenzen.“

Die GEW forderte von der schwarz-grünen Landesregierung, mehr für die Qualität in den Kitas zu tun. „Das heißt konkret: Bessere Arbeitsbedingungen, damit Erzieherinnen und Sozialpädagogische Assistentinnen nicht weiter aus dem Beruf flüchten“, so Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. Nur gut ein Drittel der Beschäftigten in der frühen Bildung könne sich vorstellen, bis zur Altersgrenze im Beruf zu arbeiten. „Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist es wichtig Quereinsteigerinnen pädagogisch fundiert zu qualifizieren, aber nicht nach dem Motto: Kita kann jede oder jeder!“

Die SPD-Sozialpolitikerin Sophia Schiebe bezeichnete die Ergebnisse der Studie als erschreckend. „Die Sozialministerin muss die Kitapolitik dringend zur Chefinnensache machen“, sagte sie. Es mangele an allen Ecken und Enden. Schnellstmöglich brauche das System mehr Geld, andernfalls drohe vor dem Hintergrund steigender Kosten die Schließung von Einrichtungen. Kommunen und Kita-Träger brauchten die Landesregierung als verlässlichen Partner. „Mit Schwarz-Grün ist leider das Gegenteil der Fall.“

Der FDP-Landtagabgeordnete Heiner Garg erinnerte an die Bedeutung der Kita-Reform der Jamaika-Koalition aus der vergangenen Legislaturperiode. Aus seiner Sicht wäre es wichtig gewesen, dass Schwarz-Grün bereits in den Koalitionsverhandlungen weiteres Geld für dieses Projekt gesichert hätte. „Zum Leidwesen von Eltern, Trägern und Kommunen verkümmert die Weiterentwicklung der Reform allerdings.“ Das liege vor allem an der Lustlosigkeit der Sozialministerin. „Den Personalmangel in den Kitas bekämpft man nicht mit einer Absenkung der Qualität oder verkürzten Öffnungszeiten, sondern mit der konsequenten Verbesserung der Arbeitsbedingungen“, so Garg. „Ich erwarte von der zuständigen Ministerin, dass sie sich diesen Aufgaben endlich stellt.“