Kiel/Flensburg. Hunderte beschädigte Jachten, Sicherungsarbeiten an Deichen: Die Ostsee-Sturmflut hat teils ein Bild der Zerstörung hinterlassen. Nun geht es um Konsequenzen.

Der Olympiahafen in Kiel-Schilksee liefert drei Tage nach der schweren Ostseesturmflut immer noch ein Bild der Verwüstung. Von einer Segeljacht ragt nur noch der Bug aus dem Wasser, von anderen lediglich der Mast. Vor Ort sind Menschen am Montag mit ersten Bergungsarbeiten beschäftigt. Ab Dienstag soll ein Schwimmkran helfen, gesunkene Jachten wieder aus dem Wasser zu holen.

Allein die Hamburger Pantaenius Yachtversicherung rechnet mit 400 Schadensfällen wegen beschädigter oder gesunkener Jachten. „An den Hotspots sind sicherlich 30 Prozent davon Totalverluste“, sagte Vertriebsleiter Dirk Hilcken der Deutschen Presse-Agentur. Er schätzte, dass an der gesamten deutschen Ostseeküste rund 2000 Jachten Opfer der Sturmflut geworden sind. „Die Lage ist für uns fast apokalyptisch.“

Viele Schäden gebe es nicht nur in Schilksee, sondern auch in Heiligenhafen, in Wendtorf, in Maasholm, in der Flensburger Förde und an kleineren Standorten, sagte Hilcken. Riesige Schäden gebe es in Damp. „Die Schiffe sind auf die Stege geschlagen, sind deswegen leck gegangen.“ Sie seien zudem gegeneinander gerieben. Die Versicherung hat nach Angaben von Hilcken bei Segeljachten im Norden einen Marktanteil von 30 bis 50 Prozent.

Zur Schadenshöhe konnte Hilcken noch keine Angaben machen. Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung hatte noch keine Schätzung über die Höhe der an der Ostseeküste entstandenen Schäden. Der Leiter des Stabes Katastrophenschutz im Innenministerium hatte aber früh von einer dreistelligen Millionenhöhe gesprochen.

Die Stadt Kiel geht von Schäden in zweistelliger Millionenhöhe aus. Von Dienstag an sollen gesunkene Jachten in Schilksee mit Hilfe eines Schwimmkrans geborgen werden, wie eine Stadtsprecherin sagte. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) hatte am Sonntag von einem Desaster und mehr als 35 gesunkenen Booten gesprochen. Am Montagnachmittag wollte sich Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) in Kiel ein Bild von den Schäden machen.

Uferabbrüche auf Fehmarn

In vielen Kommunen im Kreis Ostholstein sei die Schadenshöhe noch gar nicht zu beziffern, sagte der Tourismuschef von Fehmarn, Oliver Behncke. „Wir schätzen die Höhe des Schadens allein an der öffentlichen Infrastruktur auf einen zweistelligen Millionenbetrag.“ Rund um die Insel hatte es am Wochenende massive Uferabbrüche gegeben. Nach Angaben von Behncke wurde durch den Einsatz einer Drohne am Montag das ganze Ausmaß der Schäden deutlich: „Wir haben rund um die Insel massive Uferabbrüche, mindestens drei größere Campingplätze waren massiv überflutet und sind es zum Teil immer noch.“

Auch im Ostseebad Heiligenhafen hat die Sturmflut schwere Schäden angerichtet. Im Jachthafen hätten Steganlagen den Naturgewalten nicht standgehalten und seien auseinandergebrochen, sagte der stellvertretende Bürgermeister Stephan Karschnick. Er sorgte sich um die Standfestigkeit der Deiche. „Sie haben zwar gehalten, aber die Deichfüße liegen jetzt frei. Wenn es in den nächsten Tagen erneut Sturm gibt, könnten die Deiche nachgeben und brechen.“ Auch die Bürgermeisterin von Scharbeutz, Bettina Schäfer, sprach von schweren Schäden durch die Sturmflut: „Die Schäden liegen sicherlich im Millionenbereich.“

Unterdessen ist im Flensburger Hafengebiet die Stromversorgung wiederhergestellt. „Es kann aber sein, dass einzelne Haushalte noch keinen Strom haben“, sagte ein Sprecher der Stadtwerke. Das könne nach Problemen durch Wasser der Fall sein. Die Stadt hatte in der Nacht zum Samstag ein Jahrhundert-Hochwasser erlebt. Nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie erreichte der Pegel einen Höchststand von 2,27 Meter über dem Normalwert. Teile des Hafengebiets waren überflutet. Ein ähnlich hoher Wert war in Flensburg zuletzt 1904 mit 2,23 Meter gemessen worden. Aus Sicherheitsgründen schalteten die Stadtwerke den Strom in Teilen des Hafens ab.

Es habe während der Sturmflut 290 Einsätze gegeben, sagte ein Stadtsprecher. Davon sei es in 70 Fällen um reine Sturmschäden gegangen. 290 Menschen seien vor Ort zum Einsatz gekommen. „Viele Menschen stehen jetzt vor großen Problemen.“ Betroffen war auch ein Hotel direkt am Hafen. Helfen will die Stadt beispielsweise mit dem unkomplizierten Abtransport von Sperrmüll. Zur Schadenshöhe konnte die Stadt noch keine Angaben machen.

Die Schäden

Zahlreiche Menschen in Orten am Wasser hatten wegen Überschwemmungen in der Nacht zum Samstag ihre Häuser verlassen müssen. Die Feuerwehr sprach von rund 2000 Betroffenen in Schleswig-Holstein. Eine Frau auf Fehmarn starb am Freitag im Sturm. Ein Baum hatte ihr Auto getroffen.

Im Kreis Schleswig-Flensburg waren rund 1000 Helfer im Einsatz. Insgesamt wurden etwa 80 000 Sandsäcke gefüllt, um die schweren Überschwemmungen zu bekämpfen. Die Schwerpunkte des Hochwassers lagen insbesondere in den Küstenorten Arnis, Kappeln, Schleswig, Maasholm, Olpenitz, Langballig und Holnis. Seit Montag helfen Bundeswehr und Technisches Hilfswerk (THW), um insbesondere die Deiche in Arnis und Maasholm zu sichern. Die Wasserbehörde setzt Drohnen ein, um die Deiche auf weitere Schäden zu überprüfen.

Die Behörden appellierten, die notwendigen Arbeiten nicht zu stören. Einige Einsatzkräfte seien während der Sturmflut durch Schaulustige und „Flut-Touristen“ behindert und sogar persönlich angegriffen worden, berichtete der Kreis am Montag. Die Polizei sei dabei zur Unterstützung gerufen worden.

Die politische Aufarbeitung

Am Montagnachmittag wollte die Landesregierung über die Folgen der Sturmflut beraten. Nach Ansicht des SSW hat diese Defizite beim Küsten- und Katastrophenschutz sowie in der Krisenkommunikation offengelegt. SSW-Landeschef Christian Dirschauer und der Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler forderten eine ehrliche Bilanz, schnelle Hilfen und strukturelle Reformen. Blaulichtorganisationen und freiwillige Helfer hätten Unglaubliches geleistet, aber auch mehr Kommunikation und Hilfe seitens ihrer Kommunen benötigt.

Auf kommunalen Webseiten hätten oft aktualisierte Lageberichte und Informationen über Straßensperrungen oder zur Beschaffung von Sandsäcken gefehlt, sagte Dirschauer. Die Menschen seien weitgehend auf sich gestellt gewesen, weil es an der Ostsee vielerorts keine präventiven Hochwasserschutzmaßnahmen gebe, sagte Seidler. „Die Leute sind sauer auf die Politik.“ Bund und Land müssten jetzt schnelle Hilfen auf den Weg bringen, forderte Dirschauer. Die immensen Schäden seien für viele Bürger nicht aus eigener Kraft zu bewältigen. Auch viele Gewerbetreibende stünden vor dem Ruin.