Hamburg (dpa/lno). Sie war einst das größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland: Die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel. Jetzt soll das Gebäude wieder aufgebaut werden. Ein erster Schritt dazu ist getan.

Mehr als 80 Jahre nach der Zerstörung durch die Nationalsozialisten erhält die Jüdische Gemeinde Hamburg das Grundstück, auf dem die ehemalige Bornplatzsynagoge stand, zurück. „Mit dem heutigen Tag stellen die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft ein konkretes Stück Gerechtigkeit wieder her“, sagte Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, am Mittwoch in Hamburg. „Die Nazis wollten alles jüdische Leben unsichtbar machen. Der heutige Tag zeigt, dass Unrecht nicht siegt und das jüdische Hamburg eine Zukunft hat.“

In einem symbolischen Akt übergaben die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen, CDU und Linken anschließend das Grundstück an die Jüdische Gemeinde zurück. Dafür wurde die Kopie eines Nazi-Dokuments, das die Zerstörung anweist, von den Politikern zerschnitten.

Die Bürgerschaft stimmte dem interfraktionellen Antrag zur Rückgabe des Grundstücks später einstimmig zu. Vertreter aller Parteien bezeichneten den Schritt, mit dem der Grundstein zum Wiederaufbau gelegt werde, als historisch und längst überfällig. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte an die Vertreter der jüdischen Gemeinde gerichtet: „Wir bitten um Entschuldigung, dass wir so spät zu dem Entschluss kommen, ihnen ihr Grundstück zurückzugeben.“

Vor der Bürgerschaftssitzung hatte Daniel Sheffer, Vorsitzender des Stiftungsrats Bornplatzsynagoge, an seinen Vater erinnert, den er als Kind gefragt habe, warum er als Jude in den 1970er Jahren nach Deutschland zurückgekehrt ist. „Er antwortete einen Satz: „Weil es andere Deutsche sind““, sagte Sheffer. „Dieser Moment heute ist ein Wendepunkt für unsere jüdische Geschichte in Hamburg. Es ist der Sieg der Gerechtigkeit und des jüdischen Lebens in Hamburg über die Barbarei der Nazis.“

Für Kienscherf ist der gemeinsame Beschluss der Bürgerschaft ein bedeutendes Zeichen „für unsere weltoffene Stadt und gegen Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung“.

Auch Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg betonte: „In Zeiten, in denen sich Antisemitismus, Ausgrenzung und totalitäres Denken vielerorts wieder ausbreiten, ist das mehr als ein symbolischer Akt. Heute wird das Fundament dafür gelegt, dass das jüdische Leben inmitten der Stadt seinen rechtmäßigen Platz zurückerhält.“

„Heute ist ein historischer Tag“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge werde ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Hamburg sein. „Wer sich die Ausgrabungen ansieht, der sieht, dass hier unglaublich viel Unrecht passiert ist.“ Auch Linkenfraktionschefin Cansu Özdemir freute sich, dass jüdisches Leben im Grindelviertel bald wieder sichtbarer wird.

Die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel war bei ihrer Einweihung 1906 das größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland. Während der Novemberpogrome 1938 setzten Nationalsozialisten das Gebäude in Brand. Ein Jahr später zwangen sie die Jüdische Gemeinde, die Synagoge auf eigene Kosten abzureißen. Das Grundstück wurde enteignet und teils mit einem Hochbunker überbaut.

Eine vor einem Jahr von Senat und jüdischer Gemeinde vorgestellte Machbarkeitsstudie kam zu dem Schluss, dass ein Wiederaufbau möglich ist und die Bornplatzsynagoge wieder ein Wahrzeichen des jüdischen Lebens im Herzen der Stadt werden kann.

Seit Anfang des Monats forscht das Archäologische Museum auf dem Joseph-Carlebach-Platz nach Überresten der alten Synagoge. Dabei fanden die Archäologen bereits Reste von Keramik, Buntglasfenstern und Marmorplatten. Die Ergebnisse sollen für die Gestaltung eines architektonischen Wettbewerbs bereitgestellt werden, der noch in diesem Jahr beginnen soll.