Hamburg. Vier Tage lang gehören die Bühnen auf dem Kiez in Hamburg wieder vor allem dem Nachwuchs. Das Reeperbahn-Festival geht in seine mittlerweile 18. Runde. Dabei geht es eher selten um Acts mit großem Namen. In manchem Fall kann sich das aber danach schnell ändern.
Ob Punk, Pop, Rock, Indie, Electronic, Jazz oder Hip-Hop - bis Samstagabend steht auf der Hamburger Reeperbahn wieder Musik fast aller Genres im Mittelpunkt. Das 18. Reeperbahn-Festival ist am Mittwochabend offiziell eröffnet worden. Es repräsentiere die Stimmen und den Sound der Gesellschaft und der Demokratie: „jung, divers, queer, Avantgarde und kreativ“, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bei der Eröffnungsshow im Stage-Operettenhaus in Hamburg. Veranstaltungen wie diese seien vor allem in Zeiten wichtig, in denen die Demokratie unter anderem von Rassisten attackiert werde.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher betonte die Bedeutung des Festivals für die Musikbranche und für die Gesellschaft. „Wir leben in herausfordernden Zeiten. Das macht es umso wichtiger, nicht zu vergessen, was uns glücklich und zufrieden macht.“ Hamburg sei stolz darauf, Gastgeber für dieses einzigartige Event zu sein, sagte der SPD-Politiker. Star der Eröffnungsshow war Arlo Parks, die zwei Songs zum Besten gab. Auf der Bühne standen auch die Acts Iniko und Gerd sowie Stand-Up-Künstlerin und Aktivistin Enissa Amani.
Nachdem im vergangenen Jahr unmittelbar nach der Eröffnungsshow Kraftklub und Bill Kaulitz direkt vor dem Operettenhaus ein Überraschungskonzert gegeben hatten, konnten die Showgäste in diesem Jahr direkt in die Clubs abtauchen. Erst am Donnerstagabend soll auf dem Heiligengeistfeld eine namhafte Überraschungsband ihren Auftritt haben und wohl Tausende vor das Stadion des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli locken.
Eigentlich soll bei dem Festival das Rampenlicht aber nicht den großen Namen gehören, sondern Newcomer ins Licht rücken. So betonte Festival-Chef Alexander Schulz, in diesem Jahr sehr auf die Bedürfnisse und Erwartungen der „nächsten Generation“ eingehen und diesen eine Bühne geben zu wollen. „Die nächste Generation weiß genau, was geht. Deshalb sollen wir ihr zuhören“, sagte Schulz.
Und das taten die Besucherinnen und Besucher. Sei es bei der Berliner Sängerin Ilayda und ihrem atmosphärisch-dichten Clubauftritt, sei es beim Open-Air-Konzert der Regensburger Pop-Folk-Band The Komets oder dem Gastspiel des kanadischen Sängers Cam Kahin, der schon am Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein und warmen Temperaturen auf dem Heiligengeistfeld mit seinem harten Indie-Sound überzeugt hatte.
Bis Samstagabend stehen in rund 60 Clubs und Spielstätten im Kult-Stadtteil St. Pauli sowie in der Elbphilharmonie mehr als 300 Konzerte auf dem Plan. Etwa 320 Acts aus circa 40 Ländern wollen dabei nicht nur Musikliebhabern, sondern auch Labels, Bookern und Veranstaltern zeigen, was sie draufhaben.
Sechs Nachwuchs-Bands beziehungsweise Künstlerinnen und Künstler stehen zudem im Wettbewerb um den undotierten Nachwuchspreis des Festivals, den Anchor-Award. Der soll am Samstagabend verliehen werden. Zur Jury gehört in diesem Jahr auch die Sängerin Katie Melua.
Bei der 18. Ausgabe des viertägigen Clubfestivals mit Fachkonferenz werden deutlich mehr Besucher erwartet als in den vergangenen drei Jahren. Die Ausgaben seit 2020 waren auch bestimmt von der Corona-Pandemie, einer anschließenden Kaufzurückhaltung bei Musikfans und den enorm gestiegenen Produktionskosten in der Branche.
Im vergangenen Jahr war zudem der Andrang vor den Clubs eine Herausforderung. Dem treten die Veranstalter in diesem Jahr mit einer übersichtlicheren App mit Ampel-System zur Auslastung der Spielstätten entgegen. Dies funktionierte am Eröffnungstag, wie etwa der Auftritt von Ilayda im Club Häkken zeigte.