Hamburg. Hamburger Handballer bezwingen Leipzig zwei Sekunden vor Schluss 35:34. Lassen wirft zehn Tore. Was dem Geschäftsführer Sorgen bereitet.

Für die Beschreibung der Dramatik eines Handballspiels reicht oft die Schilderung der letzten Sekunden. Das Duell zwischen dem HSV Hamburg (HSVH) und dem Sportclub der Deutschen Hochschule für Körperkultur Leipzig bot dafür erneut Anschauungsunterricht. 36 Sekunden vor Schluss führten die Hamburger 34:33, waren im Ballbesitz, was bei etwas Cleverness zum Sieg reichen sollte.

Spiel Highlights zu HSV Hamburg - SC DHfK Leipzig (1)

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    Kreisläufer Niklas Weller verlor das harzige Spielgerät aber plötzlich in der eigenen Hälfte, Andri Mar Runarsson glich zum 34:34 für Leipzig aus. Doch im Gegenzug hämmerte der Däne Jacob Lassen den Ball nach einem Freiwurf, Weller spielte ihn an, zwei Sekunden vor Schluss aus neun Metern zum 35:34-Siegtreffer des HSVH ins Netz, zum ersten Bundes­liga-Heimsieg gegen die Sachsen.

    Däne Jacob Lassen wirft zehn Tore zum Sieg gegen Leipzig

    Zehn Tore bei 13 Versuchen hatte Lassen zum ersten Saisonerfolg der Hamburger erzielt, die schwierigste Aufgabe sei jedoch gewesen, erzählte er hinterher mit breitem Grinsen, nach der Schlusssirene unversehrt der Spielertraube zu entkommen, die sich am gegnerischen Kreis auf ihn geschmissen hatte.

    Als „Extrakönner“ bezeichnete Torhüter Johannes Bitter später den Linkshänder. Bitter selbst hatte auf der anderen Seite mit elf Paraden, fast ausschließlich in der zweiten Halbzeit, zum ersten Saisonsieg des HSVH nach zuvor drei Auswärtsniederlagen ebenfalls einen entscheidenden Teil beigetragen.

    Auch wenn Mannschaft und Cheftrainer Torsten Jansen die drei Auswärtspleiten vor dem ersten Heimspiel der Saison in der Winterhuder Sporthalle Hamburg beschwichtigend als nicht unerwartet herunterspielten, was sie wohl auch waren, sich Ruhe und Gelassenheit verordneten, Niederlagen hinterlassen jedoch immer Spuren, nagen am Selbstvertrauen, ziehen Selbstzweifel geradezu an.

    Cheftrainer Jansen erleichtert über Leistungssteigerung

    Jansen, der sich und seinen Assistenten Blazenko Lackovic in der vergangenen Woche als Psychologen gefordert sah, freute sich deshalb neben dem „befreienden Sieg“ besonders darüber, „dass wir endlich gezeigt haben, was wir können“. Das sei das alles Entscheidende, wichtiger jetzt noch als die beiden Punkte. „Dass wir nicht die ganze Saison lang die Leistungen der vergangenen Spiele gegen Melsungen (26:33) und Magdeburg (24:35) abliefern würden, war mir klar. Die Frage blieb nur, wann der Turnaround passiert.“

    Vor dem Auswärtsspiel am Donnerstag (19 Uhr) bei Frisch Auf Göppingen und dem Heimspiel am kommenden Sonntag (15 Uhr/beide Dyn) gegen den Tabellenvorletzten HSG Wetzlar sei dieser „Sieg für die Köpfe“ ungemein wichtig gewesen. Seine Botschaft: Der HSV Hamburg ist in der Saison angekommen.

    Kreisläufer Weller brachte wieder Stabilität in die Abwehr

    Ein Faktor war dafür Wellers Rückkehr. Die Abwehrkante war am vorvergangenen Sonntag in Magdeburg schmerzlich vermisst worden, gegen Leipzig stellte er sich trotz nicht auskurierter Schulterprobleme fast 60 Minuten lang in den Dienst der Mannschaft. Die Entscheidung über seinen Einsatz fiel nach Rücksprache mit Teamarzt Prof. Michael Hoffmann erst kurz vor dem Anwurf.

    Wellers Präsenz sorgte für mehr Stabilität in der Abwehr, auch wenn Torhüter Bitter erst in den zweiten 30 Minuten davon profitierte. Jansen hatte „aus einem Bauchgefühl heraus“ zunächst Jens Vortmann das Vertrauen geschenkt, nach 14 Minuten den Arbeitsplatz zwischen den Pfosten jedoch neu besetzt, weil Vortmann keinen Wurf gehalten hatte. Bitter machte es anfangs nicht besser, Leipzig führte zur Halbzeit mit 18:16, kurz nach dem Seitenwechsel mit 21:18.

    Geschäftsführer Frecke enttäuscht über die Zuschauerzahl

    Dann aber hielt Bitter („Mit einem Punkt wären wir gegen diese starken Leipziger auch zufrieden gewesen“) seine Mannschaft im Spiel, Linksaußen Casper Mortensens 24:23 (42. Minute) leitete schließlich die Wende ein, auch weil Bitters Leipziger Kollegen Kristian Skins Saeveraas und Domenico zusammen nur auf vier Paraden kamen. Allerdings wurden sie nicht nur von der Wurfkraft der Hamburger überrascht, Jacob Lassen (Unterarm), Dani Baijens (Rückhand) und Azat Valullin (Heber) packten auch mal die Trickkiste aus.

    „Wenn ein Spiel hintenraus derart eng und umkämpft ist, der Erfolg am letzten Wurf hängt, ist es solch ein Sieg schon etwas ganz Spezielles, gerade nach unserem schwierigen Saisonauftakt“, meinte Sebastian Frecke, der Geschäftsführer der HSVH-Spielbetriebsgesellschaft. Gern hätte er mehr als die 2847 Zuschauer in der Sporthalle Hamburg gesehen, der Spätsommer ist für die Handballer jedoch eine bekannt problematische Jahreszeit.

    Tore: HSV Hamburg: Lassen 10, Mortensen 8 (2 Siebenmeter), Baijens 6, F. B. Andersen 5, Valullin 3, Weller 2, Tissier 1; SC DHfK Leipzig: Klima 6, V. Kristjansson 6 (2), Strosack 4, Witzke 4, Binder 3, Preuss 3, Semper 3, Matthe­s 2, Runarsson 2, Ernst 1. SR: Loppaschewski/Blümel (Berlin). Strafminuten: 4/8.