Hamburg. Erlaubt ist, was Spaß macht. Humor ist Schwerpunkt bei Himmel & Elbe. Außerdem: Die Highlights bei der Nacht der Kirchen.
Was war das bitte für ein Sommer?! Der Hamburger Regen hat das Sommerloch geflutet und die Themen runtergespült, die sonst für eine Weile darin vor sich hin gebrütet hätten. Zum Beispiel die Kirchenaustrittszahlen, die die beiden großen Kirchen traditionell im Sommer bekannt geben beziehungsweise dem baldigen Vergessen anheimstellen. Mit beherztem Griff ins wassergefüllte Sommerloch sei die Frage an dieser Stelle doch noch einmal herausgefischt: Warum treten denn nun so viele Deutsche aus der Kirche aus? Die Antwort ist ganz einfach: Weil man den Platz im Himmel nun einmal nicht mit dem Handtuch reservieren kann!
Mir macht diese herrlich dämliche Antwort Spaß. Sie schlägt alle hyperkomplexen Theorien in die Flucht, vergrault soziologische Erklärungsversuche und knallt sich genüsslich auf die imaginäre Sonnenliege irgendwo im sonnigen Süden. Als wollte sie sagen: Es ist doch in jedem Jahr das gleiche Trauerspiel. Wir sitzen es einfach aus. Oder besser noch: Wir liegen es aus und gehen fröhlich baden. Zwinkerzwinker. Aber ist das in Ordnung? Darf man sich über den Niedergang der großen Kirchen in Deutschland lustig machen? Sind Witze über Kirche, Glaube, Gott und Bibel in Ordnung?
Überhaupt: Vertragen sich Humor und Glaube? Und wenn ja, wo ist die Grenze erreicht? Oder ist etwa alles von der Kunst- und Glaubensfreiheit gedeckt? Das mag vielleicht für Menschen gelten, die jegliche Religiosität und Spiritualität für sich selbst verneinen und diese auch bei anderen ablehnen. Wer sich selbst aber auch nur im weitesten Sinn als gläubig oder spirituell bezeichnet, spürt irgendwo in sich eine Grenze, an der spöttische Bemerkungen nicht mehr abprallen, sondern schmerzen.
Wo es wehtut, wenn eigene Hoffnungen der Lächerlichkeit preisgegeben werden oder etwas, das man als heilig identifiziert, profaniert und verhohnepipelt wird. Diese Grenze, an der Humor und Glaube auseinandergehen, ist in unserer postvolkskirchlichen Zeit weitestgehend ins Persönliche verlagert. Das heißt auch: Es gibt keinen wirklichen Common Sense mehr darüber, was humortechnisch für religiöse Menschen in Ordnung ist und was nicht. Wo der eine den Untergang des Abendlandes wähnt, kann eine andere sich köstlich amüsieren.
Aber vielleicht ist das auch gar kein Phänomen der Gegenwart, sondern unterschiedlicher Persönlichkeitsmuster und Humorstile. Ein Blick in die Bibel ist in dieser Hinsicht recht aufschlussreich. Während das Neue Testament nur äußerst sparsam auf komische Momente setzt – so lässt Jesus quengelnde Dämonen wenigstens in eine Herde Schweine fahren, als er sie aus ihrem menschlichen Wirt vertreibt –, bedient sich das Alte Testament tatsächlich auf vielfältige Weise humorvoller Erzähltechniken.
Witzige Anekdoten im Alten Testament
Da werden Namenswitze gerissen, Parodien auf berühmte Propheten aufgeführt, es werden Satiren formuliert und makabre Mordszenen brutal niveaulos ausgebreitet – alles im Dienste der religiösen Unterweisung und Unterhaltung. Manche Geschichten sind, wenn man diesen Blick zulässt, sogar als Komödien angelegt, deren Figurenensemble zur Unterhaltung der Leserschaft durch Schicksalsfügungen und -irrungen gepeitscht und getriezt wird. Allein was Isaak – sein Name bedeutet vielsagend „er lacht“ – im Laufe seines Lebens durchmacht, hat hohes Potenzial für eine Komödie.
Als Kind entkommt er knapp der rituellen Opferung durch den eigenen Vater, später wird er von seinem Schwiegervater an der Nase herumgeführt, der ihm die falsche Braut unterjubelt, damit Isaak noch länger für ihn arbeitet. So geht es in einem fort, und Isaak taumelt immer neuen Katastrophen entgegen, wird übers Ohr gehauen und bleibt am Ende aber gerade dadurch zutiefst menschlich und liebenswert.
So wie ihm ergeht es mehreren Gestalten, die auf dem schmalen Grat zwischen Stärke und Schwäche, zwischen Erfolg und Blamage tänzeln und sich ihrem Gott gegenüber nicht zwischen Gehorsam und Verweigerung entscheiden können.
Jona sucht lieber das Weite, als dem Auftrag Gottes zu folgen
Der Bekannteste unter ihnen ist mit Sicherheit Jona, der Prophet, der lieber auf einem Schiff das Weite sucht, als dem Auftrag seines Gottes zu folgen und den Menschen in der Stadt Ninive das drohende Strafgericht anzukündigen. Er muss erst bei Unwetter über Bord geworfen werden und im stinkenden Magen eines riesigen Fisches ausharren, bevor er sich bereit erklärt, seine Botschaft leise auf den Straßen von Ninive zu nuscheln.
Ausgerechnet der widerspenstige Jona wird zum erfolgreichsten Propheten der Bibel, denn er wird überraschenderweise vollkommen erhört. Die Bevölkerung Ninives schmeißt sich samt König in Sack und Asche und nimmt den lebensrettenden Hinweis dankbar an. Klar, dass das Jona auch wieder total gegen den Strich geht. Er regt sich furchtbar auf über seinen Gott, dem das Happy End die liebste Wahl ist. Jona kommt charakterlich nicht gut weg. Ähnlich wird auch der Wahrsager Bileam gezeichnet, über den sich der Text immerzu lustig macht und der am Ende von seiner sehr viel klügeren Eselin übertrumpft wird.
Doch was soll das? Warum setzen die Autoren der Bibel auf derartige literarische Kniffe? Die Antwort ist vermutlich relativ simpel: Weil es gefällt. Weil wir Menschen das mögen. Wir lachen gern, wir lassen uns gern unterhalten und sind so nebenbei offen für Erkenntnisse. Humor ist eben auch eine didaktische Methode, ein gutes Mittelchen für das berühmte Körnchen Wahrheit. Oder Weisheit.
Denn es ist doch wohl so, dass die meisten Menschen wie das biblische Personal schwanken und wanken, sowohl durch die großen Entscheidungen im Leben hindurch als auch im Gegenüber zu ihrem Gott. Stichwort Ambivalenz. Und da sind Geschichten, die ironische Brechungen und mehrere, durchaus liebevolle Perspektiven zulassen, einfach anschlussfähig.
Humor trainiert die Lebendigkeit des Glaubens
Sie sind menschlich. Und sie nähren die Hoffnung auf einen Gott, der wesentlich mehr Möglichkeiten kennt als ein Mensch in einer brenzligen Lage.
Humor und Glaube eint das Trotzdem. Beide setzen darauf, dass man sich nicht mit dem abfindet, was man vorfindet. Insofern kann eine humorvolle Haltung den Glauben wunderbar bereichern, sie trainiert seine Lebendigkeit und schult seine Beweglichkeit zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Ein humorvoller Glaube atmet.
Zurück auf die spätsommerliche Sonnenliege: Was sagt uns das für die Lage der Kirchen, wenn die Handtuchmethode einfach nicht mehr zieht? Anders als an irdischen Oasen soll der Platz im Himmel nicht limitiert sein, munkelt man. Aber Probe liegen und sitzen lässt es sich ganz wunderbar in einer Kirche der Wahl.
Die Autorin Anne Arnholz ist Pastorin in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Harburg-Mitte.