Hamburg. Eine Klimaschutzbewegung, die den Neubau einer Bahnstrecke fordert? Nur so ließen sich Mobilitätswende und die Einhaltung der Klimaziele schaffen, meint Fridays for Future und fordert eine neue, schnellere Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover.
Gut 100 Anhänger der Klimabewegung Fridays for Future aus Niedersachsen und Hamburg haben am Freitag in der Hansestadt für einen Neubau der Bahnstrecke Hamburg-Hannover demonstriert. Ein Ausbau der Bestandsstrecke sei ungeeignet, um die Mobilitätswende zu schaffen und die Klimaziele zu erreichen, sagten Redner bei einer Kundgebung auf dem Gänsemarkt. Sie appellierten an den SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil, seinen Widerstand gegen einen Streckenneubau aufzugeben und „endlich 1,5-Grad konforme Politik zu machen“. Die Polizei sprach von bis zu 120 Demonstranten, die nach der Auftaktkundgebung Richtung Rathausmarkt zogen.
Klingbeils Wahlkreis ist der Heidekreis, durch den die Neubaustrecke führen würde. Der Neu- beziehungsweise Ausbau der Bahntrasse beschäftigt Anwohner und Politik seit Jahrzehnten.
Mit dem Neubau der Strecke würde die Fahrzeit zwischen Hamburg und Hannover um etwa eine Viertelstunde auf 59 Minuten sinken, teilte ein Sprecher der Deutschen Bahn mit. Würde die bestehende Strecke ausgebaut oder modernisiert, ließe sich die Fahrzeit hingegen nicht verringern. Zudem stehe der Neubau für die Bahn in einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Die rot-grüne niedersächsische Landesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag auf den Ausbau der bestehenden sogenannten Alpha-E-Lösung verständigt. Auch Klingbeil macht sich dafür stark, ebenso der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen.
Die Bedingungen hätten sich inzwischen geändert, sagte Kay Rabe von Kühlewein von Fridays for Future Niedersachsen. „Wir haben das Pariser Klima-Abkommen, wir haben unsere Klimaziele, die wir erreichen müssen.“ Das bedeute: mehr Verkehr auf die Schiene. „Und das kann ein Ausbau der Bestandsstrecke nachweislich nicht schaffen. Dazu liegen Daten von der Deutschen Bahn vor, auch von unabhängigen Gutachtern.“
Anders als beim Ausbau von Autobahnen weiche Fridays for Future in der Frage der Bahnstrecke Hamburg-Hannover von der Haltung der Naturschutzorganisationen ab. „Da sagen wir, anders als Nabu und BUND, dass wir nicht nur die baubedingten Emissionen betrachten, sondern die Lebenszyklusemissionen“, sagte Rabe von Kühlewein. Zudem zeigten Daten der Bahn, „dass bei einem Ausbau der Bestandsstrecke deutlich mehr Naturschutzgebiete zerschnitten werden als bei einem Neubau“.
Im Dezember ungefähr stehe die Entscheidung im Bundestag zur Trassenführung an. „Wenn sich die SPD klar dagegen positioniert, wird es keinen Neubau der Strecke geben“, so Rabe von Kühlewein. Deshalb wende man sich mit dem Protest direkt an Klingbeil.
Der SPD-Chef äußerte sich am Freitag nicht zu der Demonstration. Er habe angesichts der Forderung von Fridays for Future aber bereits mehrfach auf seine umfangreich begründete und bekannte Positionierung zu Alpha E verwiesen, sagte eine Sprecherin. An der habe sich nichts geändert.
Bei einem Treffen mit Kommunalpolitikern in seinem Wahlkreis hatte Klingbeil im Mai versichert, sich in den politischen Gesprächen in Berlin weiter für den Bestandsausbau einsetzen zu wollen. „Eine Neubautrasse mitten durch die Lüneburger Heide, mitten durch Gewerbegebiete und Naturschutzgebiete hingegen gefährdet hier nicht nur Jobs, sondern zerstört unsere Natur und Lebensräume“, wird der SPD-Chef auf seiner eigenen Homepage zitiert.