Hamburg. Rund 5000 Menschen müssen für die Entschärfung einer Weltkriegsbombe im Hamburger Schanzenviertel ihre Wohnungen verlassen. Doch die Entschärfung verzögert sich - erst am frühen Morgen gibt die Polizei Entwarnung. Der Zünder erwies sich als sehr gefährlich.
Für Tausende Menschen in Hamburg war die Nacht auf Dienstag besonders lang, aufregend und schlaflos: Nach langer Verzögerung ist am frühen Dienstagmorgen eine Weltkriegsbombe im Hamburger Schanzenviertel entschärft worden. Im Sperrradius von 300 Metern hatten nach Angaben der Feuerwehr etwa 5000 Menschen ihre Wohnungen verlassen müssen. Auch das Restaurant „Bullerei“ von Tim Mälzer wurde evakuiert, wie der Koch und Gastronom auf Instagram mitteilte. Der Luftraum über dem Fundort wurde gesperrt, der Betrieb mehrerer S-Bahnen eingestellt. Eine Notunterkunft wurde in einer Berufsschule hergerichtet.
Etwa 25 mobilitätseingeschränkte Menschen konnten ihre Wohnungen nicht aus eigener Kraft verlassen, sie bekamen Hilfe von Hilfsorganisationen, die mit Notfall-Krankentransportwagen und Mehrzweckfahrzeugen am Einsatzort waren. In der Notunterkunft wurden den Angaben der Feuerwehr zufolge fast 500 Personen durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) betreut. Viele Anwohnerinnen und Anwohner waren indes bei Freunden und Bekannten untergekommen. Es habe bei der Evakuierung keine größeren Schwierigkeiten gegeben, sagte ein Feuerwehrsprecher dazu.
Auch die Polizei erklärte am Dienstagvormittag, dass die Evakuierungsmaßnahmen „nahezu ohne nennenswerte Störungen“ verliefen. Im Rahmen ihres Einsatzes wurden Polizeikräfte von Passanten gegen 20 Uhr allerdings auf einen leblosen Mann auf einem Spielplatz der Amandastraße aufmerksam gemacht. Sofort eingeleitete Reanimationsmaßnahmen bei dem 49-Jährigen blieben den Angaben zufolge erfolglos. Es werde jetzt insbesondere geprüft, „ob der Tod in Verbindung mit dem Konsum von Betäubungsmitteln steht“, hieß es.
Von einem Zusammenhang mit der Evakuierung ging die Polizei zunächst nicht aus. Gegen 22 Uhr war die Evakuierung in dem betroffenen Gebiet demnach abgeschlossen. Zwischenzeitlich hieß es, dass sich die Entschärfung aufgrund der speziellen Lage der Bombe verzögere. Die Entschärfung hatte sich auch deshalb als schwierig erwiesen, weil die Bombe nach Angaben des Kampfmittelräumdienstes verkehrt herum im Boden gesteckt hatte. In der Nacht teilte die Polizei mit, es würden bestimmte Arbeitsmittel benötigt, die aktuell beschafft würden. „Erster Versuch der geplanten Entschärfung konnte nicht weiter fortgeführt werden“, twitterte die Feuerwehr.
Zu dem Zeitpunkt hatten die Experten des Kampfmittelräumdienstes erfolglos versucht, den chemischen Langzeitzünder mit einer eigens in Hamburg entwickelten Hochdruckwasserschneidanlage aus der Bombe zu fräsen, wie Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger am Dienstagvormittag sagte. Der Sprengmeister, seine drei Entschärfer und das Team hätten sich deshalb für ein „sprengtechnisches Öffnungsverfahren“ entschieden. „Dabei kommt Sprengstoff auf die Bombe, wird gezündet und so wird der Zünder aus der Bombe rausgerissen. Und das hat geklappt. Das war der erste Knall.“
Doch erst nach einer zweiten Teilsprengung - es wurden noch der Zünder und der Detonator der Bombe kontrolliert gesprengt - gab die Polizei bekannt, dass die 500-Pfund-Bombe entschärft worden sei: „Die Bombe ist entschärft. Die Maßnahmen werden nun sukzessive zurückgefahren. Wir wünschen eine gute Nacht!“, twitterte sie. Etwa 150 Männer und Frauen der Feuerwehren und Hilfsorganisationen waren zu dem Zeitpunkt bereits etwa 13 Stunden im Einsatz.
Die britische Fliegerbombe war am Nachmittag, kurz nach 15.00 Uhr, bei Bauarbeiten in etwa 2,50 Meter Tiefe gefunden worden. Die Stelle ist nicht weit entfernt vom S-Bahnhof Sternschanze nahe einer Unterführung gefunden worden, über die die Gleise der S-Bahn und des Fernverkehrs laufen. Der sogenannte Warnradius betrug 500 Meter. In diesem Bereich sollen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Zum Beispiel sollen die Anwohner Fenster meiden und dem Fundort abgewandte Zimmer aufsuchen.
Es ist bereits der zweite Blindgänger binnen nicht einmal zweier Wochen, der in Hamburg gefunden wurde. Anfang des Monats war in Wilhelmsburg ebenfalls eine britische Fliegerbombe bei Sondierungsarbeiten entdeckt worden.
Bomben mit chemischen Langzeitzündern bestehen Feuerwehrsprecher Unger zufolge aus Zelluloidscheiben und Aceton. Je nach Dicke der Scheiben dauere es zwei bis 48 Stunden, bis das Aceton die Scheiben zersetzt hat und die Bombe damit zeitverzögert explodiert. Für die Entschärfer ist das enorm gefährlich. „Diese Acetondämpfe knabbern seit 80 Jahren an diesen Scheiben herum“, sagte Unger dazu. „Wenn sie die bewegen, wird es ganz gefährlich.“ Die Bombe in der Schanze war deshalb auch stabilisiert und nicht umgelagert worden.