Kiel (dpa/lno). Schneller und entschlossener - so soll Schleswig-Holstein aus Sicht der Wirtschaft die Energiewende vorantreiben. Andernfalls werde die Regierung ihre Ziele verfehlen. Eine Zahl zeigt besonders, wie weit der Weg noch ist.
Auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität hat Schleswig-Holstein aus Sicht der Unternehmen die größte Wegstrecke noch vor sich. Das machte die Industrie- und Handelskammer (IHK) gemeinsam mit dem Branchenverband LEE am Dienstag deutlich. IHK-Hauptgeschäftsführer Björn Ipsen verdeutlichte die Dimension: Einem Gutachten für die Regierung zufolge werde bis 2030 zur Erzeugung von Wasserstoff im Land eine Elektrolyseurleistung von 1000 Megawatt benötigt - derzeit seien es unter 10 Megawatt. Bis 2025 müssten es der Studie zufolge 200 Megawatt sein.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien müsse die schwarz-grüne Landesregierung dringend das Tempo erhöhen, sagte Ipsen. Mit einem Weiter so werde sie nicht ihr Ziel erreichen, bis 2040 erstes klimaneutrales Industrieland zu werden. „Beim Ausbau hapert es noch gewaltig.“
Dass im ersten Quartal dieses Jahres neue Windanlagen an Land mit 400 Megawatt Leistung genehmigt wurden, sei super, sagte LEE-Geschäftsführer Marcus Hrach. Dieses Niveau müsse aber bis 2030 gehalten werden. Es sei zu hoffen, dass das genannte Ergebnis nicht nur ein Strohfeuer gewesen sei. „Den Durchbruch haben wir noch nicht“, sagte Hrach. „Selbst als Vorreiter steht Schleswig-Holstein erst am Anfang der Energiewende.“ Die künftigen Schritte seien größer als die bisher gemachten. Auch habe Schleswig-Holstein bisher nur einen Spitzenplatz in Deutschland, weil die anderen Länder noch weniger auf Kurs seien. Schleswig-Holstein werde nicht mehr lange Spitze sein, wenn das Land weitermache wie bisher.
Die Errichtung neuer Anlagen habe gesetzliche Priorität, sagte Hrach. Dem müssten zum Beispiel die Denkmal- und Naturschutzbehörden Rechnung tragen. „Wir brauchen einen neuen Umgang mit Genehmigungsprozessen.“ Ein neuer Erlass zum Ausbau der Photovoltaik dürfe nicht das Ziel haben, Flächen auszuschließen.
Die Regionalplanung für den Ausbau der Windenergie muss nach Ansicht von IHK und LEE dringend vorangetrieben werden. Ein Abschluss der Planung bis Ende der Legislatur 2027, wie von der Regierung vorgesehen, sei zu spät.
Beide Verbände forderten auch, die Überarbeitung der Wasserstoffstrategie des Landes zügig abzuschließen und Hemmnisse abzubauen. Damit Schleswig-Holstein nicht nur Wasserstoff-Transitland werde, müssten Verbrauch und Erzeugung regional mitgedacht werden. „Wir sehen die Gefahr, die Chance zu verpassen, mit unserem großen Potenzial an erneuerbarem Strom in Schleswig-Holstein Wasserstoff dezentral zu erzeugen“, sagte Ipsen. Dieser Wasserstoff ließe sich vor Ort für Industrie, Schwerlastverkehr oder Wärme nutzen.
Das Land müsse die hohe Verfügbarkeit erneuerbarer Energien als Wettbewerbsvorteil nutzen, um weitere grüne Energien anzusiedeln, forderten Ipsen und Hrach. Dass Schleswig-Holstein 160 Prozent seines Strombedarf erzeuge, reiche nicht aus, meinte Ipsen. Er verwies als Beispiel auf den großen Strombedarf einer Batteriezellenfabrik für Elektroautos, die der schwedische Konzern Northvolt bei Heide bauen will. Ziel müssten günstige Erzeugerpreise für Strom sein. „Das funktioniert nur mit massivem Zubau.“