Greifswald. Auch in diesem Jahr macht die Vogelgrippe keine Sommerpause. Erneut trifft es vor allem Seevogelkolonien - allerdings sind dieses Mal andere Arten besonders betroffen. Das könnte unterschiedliche Gründe haben.
Die Vogelgrippe wütet auch in diesem Sommer wieder in Seevogelkolonien - zuletzt vor allem bei Möwen. Ein derzeit in Europa grassierender Erreger sei besonders an Möwenvögel angepasst, erklärte das für Tiergesundheit zuständige Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald. Dieser Genotyp sei im Mai des vergangenen Jahres an der französischen Atlantikküste entstanden und habe sich von dort über ganz Europa verbreitet. Besonders Lachmöwen traf es den Angaben zufolge zuletzt.
Bedingt durch den Vogelzug grassierte die Vogelgrippe hierzulande lange Zeit vor allem in der kalten Jahreszeit. 2021 gab es erstmals auch den Sommer über Fälle vor allem im nördlichen Europa. 2022 war es dann zu einer regelrechten Sommerwelle gekommen. Experten gehen davon aus, dass sich der Erreger mittlerweile ganzjährig in europäischen Wildvogelpopulationen hält.
Zudem hat das Virus eine nie dagewesene weltweite Verbreitung erreicht. Im Mai gab es laut FLI beispielsweise erstmals Nachweise bei Wildvögeln in Brasilien - dem größten Hähnchenfleisch-Exporteur weltweit. Bisher gebe es aber keine bekannten Fälle bei Geflügel. Das Land habe einen Notfallplan aktiviert.
Für Deutschland schätzt das FLI das Risiko von Einträgen in Geflügelhaltungen durch Wildvögel weiter als hoch ein. Lachmöwen seien nicht an Küsten gebunden, sondern kämen beispielsweise auch in Baden-Württemberg, Bayern und östlichen Bundesländern vor. Dennoch habe es zuletzt weniger Fälle in deutschen Haltungen gegeben. Offenbar wirkten Sicherheitsmaßnahmen, hieß es von den Experten.
In europäischen Seevogelbrutkolonien spiele sich ein ähnlich umfangreiches Massensterben wie im vergangenen Sommer ab, so das FLI. Jedoch seien mit Lachmöwen und Trottellummen dieses Mal andere Arten besonders betroffen. Im vergangenen Jahr traf es vor allem Basstölpel, Kormorane, Seeschwalben und andere Möwen als Lachmöwen. Die Experten vermuten, dass einige Arten inzwischen teilweise Immunität aufgebaut haben. Von den Seeschwalben und Basstölpeln seien allerdings ohnehin durch die Vogelgrippe-Verluste teilweise weniger als die Hälfte der Tiere der letzten Jahre in die Kolonien zurückgekehrt.
Auch Säugetiere haben sich in den zurückliegenden Monaten wiederholt infiziert. Für Mai habe etwa Uruguay 16 tote südamerikanische Nasenbären gemeldet, die positiv getestet wurden. In Chile habe es Nachweise bei Delfinen und einer Schweinswal-Art gegeben. Auch in anderen Regionen der Welt seien Säugetiere betroffen - in Nordamerika etwa Robben, Seehunde, Bären und Pumas und in Deutschland vor allem Füchse. Experten gehen davon aus, dass sich die Tiere durch das Fressen infizierter Vögel anstecken.
Infektionen beim Menschen sind laut FLI im Fall des derzeit dominierenden Erregers sehr selten und verlaufen in der Regel harmlos. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC schätze das Risiko eines Überspringens des Erregers auf den Menschen durch Anpassung - eine sogenannte Zoonose - aktuell als gering ein, heißt es im aktuellen FLI-Bericht.