Hamburg (dpa/lno). Die einen feiern es als Durchbruch, die anderen sehen Grundrechte ausgehöhlt und Menschenrechte gefährdet. Der Kompromiss des EU-Ministerrats zur Reform des Asylrechts spaltet die Geister - auch in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Der Streit um den EU-Asylkompromiss hat auch in der Hamburgischen Bürgerschaft die Lager geteilt. Während Vertreter der regierenden SPD die von den EU-Innenministern erzielte Einigung am Mittwoch in der Aktuellen Stunde gemeinsam mit Abgeordneten von CDU und FDP als Durchbruch begrüßten, lehnte ihn der grüne Koalitionspartner ebenso wie die Linke als falsch ab. Vertreter der AfD bezeichneten den Kompromiss zwar als Schritt in die richtige Richtung, bemängelten zugleich aber vor allem den darin vorgesehenen Verteilmechanismus für Flüchtlinge innerhalb Europas.
Vor Beginn der Debatte hatte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit an das jüngste Schiffsunglück mit vielen Hundert Toten Migranten vor der griechischen Mittelmeerküste erinnert.
Die EU-Innenminister hatten am 8. Juni mit deutscher Zustimmung Pläne für eine weitreichende Asylreform beschlossen. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen. So sollen Asylanträge von Migranten, die aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent stammen, bereits an den EU-Außengrenzen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. In dieser Zeit will man die Schutzsuchenden verpflichten, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben.
Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Carola Ensslen, sprach von einem „Frontalangriff auf das Asylrecht“ und einem „Ausverkauf der Menschenrechte“. Ihre Fraktion hatte das Thema unter dem Titel „Kein Mensch ist illegal - Menschenrechte statt Grenzverfahren unter Haft, faire Asylverfahren statt Abschreckung“ angemeldet. Ziel des Kompromisses sei es, Schutzsuchende fern zu halten. „Ihnen soll ein kurzer Asylprozess, der kein wirklicher mehr ist, gemacht werden“, sagte sie.
Klar sei, „dass es eine gesamteuropäische Lösung braucht“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ksenija Bekeris. „Dass hier ein Kompromiss gelungen ist bei diesen weit auseinanderstehenden Positionen der Länder, das ist ein großer Durchbruch“. Wichtig sei, dass Deutschland sich einbringe und sicherstelle, „dass menschenwürdige Zustände immer und überall garantiert werden“. Die in dem Kompromiss vorgesehenen Asylverfahren seien „rechtlich einwandfrei“.
Ihr Parteikollege Danial Ilkhanipour warf den Linken „moralische Überheblichkeit“ auch auf Kosten der Migranten vor. Völlig außer Acht gelassen würde beispielsweise die Frage, wie man in Europa Flüchtlingen helfen kann, „ohne dass es einen Rollback gibt und überall Faschisten gewählt werden, die alles dicht machen“, sagte er.
Michael Gwosdz, parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Flucht in der Grünen-Fraktion, nannte den EU-Kompromiss den kleinsten gemeinsamen Nenner. „Das zeigt, wie weit der Rechtsruck in Europa bereits gegangen ist.“ Dass Schutzsuchende den Plänen zufolge zunächst „inhaftiert werden - auch wenn es sich rechtlich gesehen nicht um Haft handelt -, das ist für mich und meine Fraktion inakzeptabel“. Durch eine solche Regelung würden die Risiken höher, „die Flucht wird riskanter“, warnte er. Auch sei mit mehr unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu rechnen.
CDU-Innenexperte Dennis Gladiator warf der Linken „pure Stimmungsmache“ vor, „die am Ende dazu führt, dass die Akzeptanz für unser Asylrecht und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gefährdet wird“. Klar sei: Die irreguläre Migration müsse beendet und die Beschlüsse des Ministerrats auch umgesetzt werden. „Personen, die offensichtlich nicht schutzberechtigt sind, müssen dann auch direkt von der Außengrenze in ihre Länder zurückgeführt werden.“
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann warf der SPD Scheinheiligkeit in der Asylpolitik vor. „Wir fordern das bereits seit 2013, seitdem es uns gibt“. Seine Partei sei deshalb als „ausländerfeindlich“ beschimpft worden. „Und sie feiern sich gerade dafür, dass sie das machen“. Die Hälfte des Kompromisses sei aber „ein fauler Kompromiss“, weil die EU den Mitgliedsstaaten vorschreiben könne, wer sich in ihren Ländern aufhalte, sagte sein Fraktionskollege Krzysztof Walczak.
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein nannte den Asylkompromiss vernünftig, aber nur einen Anfang. „Dass Länder, die überhaupt keine Menschen aufnehmen wollen, nun zahlen müssen, ist doch ein guter Einstieg“, sagte sie. „Wir müssen dafür sorgen, dass illegale Migration abnimmt.“ Nur so könne man der Überlastung der Kommunen begegnen.
Der Hamburger Senat habe in der Asyl-Frage eine „ganz klare Haltung“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD), der während der Debatte nicht ans Rednerpult getreten war, am Rande der Sitzung: „Wir unterstützen den Beschluss des EU-Ministerrats. Niemand hat ein größeres Interesse daran als Deutschland, dass das vereinte Europa hier handlungsfähig ist und eine gemeinsame Position findet.“