Hamburg. Die Lieferketten sollen reibungslos funktionieren, aber nicht alle Waren dürfen nach Deutschland kommen. Der Zoll hat im vergangenen Jahr 8,6 Millionen gefälschte Produkte aus dem Verkehr gezogen. Zudem stoppten die Beamten 29 Tonnen Drogen und 142 Millionen Zigaretten.
Im Zollamt im Hamburger Hafen schnappt sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aus einem Lastwagen ein Paket, das einen indischen Holzkohleofen enthalten soll, und lässt es in einer mobilen Röntgenanlage durchleuchten. Tatsächlich enthält der Karton einen sogenannten Tandoor und keinen Mikrowellenofen, wie der Beamte am Bildschirm im Zollfahrzeug bestätigt. 391 Millionen Warensendungen im Wert von 1,4 Billionen Euro hat der deutsche Zoll im vergangenen Jahr abgefertigt. Dabei entdeckten die Beamten 8,6 Millionen Warenfälschungen, wie die Präsidentin der Generalzolldirektion, Colette Hercher, am Dienstag bei der Vorstellung der Jahresbilanz ihrer Behörde erklärt. Allein in Hamburg seien 6,8 Millionen gefälschte Artikel aufgehalten worden.
Die Fälschungen hatten einen Wert von mehr als 434 Millionen Euro, knapp 78 Prozent der illegalen Lieferungen kamen nach Angaben des Zolls aus Asien. Darunter waren hochpreisige Luxusartikel wie gefälschte Armbanduhren, Designermode und Schmuck. Der Zoll zählte im vergangenen Jahr 346.000 gefälschte Kleidungsstücke. Im Jahr der Fußball-WM zogen die Beamten allein 65.000 nachgemachte Trikots aus dem Verkehr.
Die meisten Im- und Exporte fertigen die Zöllner digital ab. Doch ab und zu schauen sie genauer hin. „Bestimmte Firmen sind schon bekannt, auch bestimmte Gebiete im Hafen“, sagte der Leiter des Hamburger Hauptzollamts, Michael Schrader. Bei einem Verdacht inspiziert ein Beamter die Ware genauer. Ein junger Inspektor begutachtete zusammen mit Lindner eine Sportjacke zum angeblichen Preis von 8,50 Dollar. „Die ganze Jacke an sich wirkt äußerst ordentlich verarbeitet“, erklärt der Zöllner. „Und ist der Preis okay?“, will der Minister wissen. Nein, er sei viel zu niedrig. Es besteht der Verdacht, dass Abgaben hinterzogen werden sollen. Bis zum endgültigen Untersuchungsergebnis muss die Importfirma eine Sicherheitsleistung von 21.000 Euro zahlen.
Im vergangenen Jahr hat der Zoll 163 Milliarden Euro an Steuern kassiert. Einer der größten Posten waren die Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von knapp 87 Milliarden Euro. Daneben erhob die Behörde Verbrauchssteuern, etwa auf Tabak, Alkohol, Kaffee und Bier sowie Energie-, Strom- und Kraftfahrzeugsteuern.
Lindner (FDP) lobte die ihm unterstellten Beamten: „48.000 Zöllnerinnen und Zöllner sind täglich für unsere Gesellschaft im Einsatz und leisten hervorragende Arbeit.“ Der Zoll sei ein Partner der Wirtschaft und sorge dafür, dass die Lieferketten funktionierten. Verbotene Waren würden gezielt herausgefiltert.
Im Kampf gegen den Drogenschmuggel beschlagnahmten die Zöllner im vergangenen Jahr in Deutschland knapp 14,5 Tonnen Kokain. Das waren zwar gut 7 Tonnen weniger als im Jahr 2021, aber 5 Tonnen mehr als 2020. Außerdem stellten die Beamten fast 8400 Kilo Marihuana sicher, rund 1000 Kilo mehr als im Vorjahr und rund 5000 Kilo mehr als im Jahr 2020. Zusammen mit anderen Rauschgiften betrug die beschlagnahmte Menge insgesamt rund 29 Tonnen.
Der Zoll entdeckte ferner 142 Millionen geschmuggelte Zigaretten. Im Vorjahr waren es 117 Millionen Stück gewesen, im Jahr 2021 hatten die Zöllner 105 Millionen Schmuggelzigaretten beschlagnahmt. Die Beamten stellten ferner 52 Kriegswaffen sicher, ebenfalls mehr als in den Vorjahren. Auffällig groß war auch der Umfang der illegalen Munition, nämlich fast 579.000 Schuss. Im Vorjahr waren es 137 000 gewesen, 2020 nur 32.000.
Lindner wies auch auf die Bedeutung des Zolls für die Sanktionen gegen Russland hin. „Die Bundesregierung setzt sich europäisch und international dafür ein, dass die vorhandenen und weiterzuentwickelnden Sanktionen wirklich durchgesetzt werden.“ Auch die Umgehungsmöglichkeiten über Drittstaaten müssten in den Blick genommen und unterbunden werden, sagte der Minister.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte, den Zoll mit zusätzlichen Kompetenzen und Strukturen zu stärken. Die Verantwortlichen in Lindners Ministerium müssten endlich begreifen, dass der Zoll mit seinen vielfältigen Aufgaben bei der Bekämpfung der Kriminalität auch Polizei sei. Wie ein starker und effizienter Zoll in Deutschland aussehen könne, zeige das Beispiel der italienischen Guardia di Finanza (Finanzpolizei), meinte der Vorsitzende der GdP-Zoll, Frank Buckenhofer.