Hamburg (dpa/lno). Den größeren Druck vor dem Hamburger Stadtduell hat der HSV. Der FC St. Pauli kann dem Aufstiegsfavoriten wehtun, hat aber auch selbst etwas zu verlieren. HSV-Trainer Tim Walter spürt eher Vorfreude.

Schon lange hatte das Hamburger Stadtderby nicht mehr eine solch sportliche Brisanz wie bei seiner 109. Auflage. Ausgerechnet der ewige Nachbarschafts-Rivale FC St. Pauli kann den Hamburger SV im Aufstiegsrennen der 2. Fußball-Bundesliga ausbremsen und seine eigene Position im Kampf um die ersten drei Plätze verbessern. Allerdings haben auch die Gäste etwas zu verlieren. Bei einer Niederlage würde der gerade erwachte Traum vom Aufstieg schon wieder vorbei sein.

Von Druck will der HSV-Trainer Tim Walter nichts wissen. Er spürt vor allem Vorfreude „Es ist eines der schönsten Spiele„, sagte der 47-Jährige am Mittwoch. Es gebe nicht viele Stadtderbys in Deutschland. „Es ist etwas Besonderes.“

Die Partie am Freitag (18.30 Uhr/Sky) ist ausverkauft. 57.000 Zuschauer werden im Volksparkstadion sein. Erstmals seit der Corona-Pandemie findet das Traditionsduell wieder vor einer solchen Kulisse ab. „Man muss in einer solchen Atmosphäre kühlen Kopf bewahren“, sagte Walter.

Nach Ansicht seines jungen St. Pauli-Kollegen Fabian Hürzeler wird insbesondere die mentale Verfassung über den Spielausgang entscheiden. „Ich glaube, dass der Kopf eine große Rolle spielt“, sagte er. „Der HSV will seit vielen Jahren aufsteigen, deshalb glaube ich definitiv, dass da etwas im Kopf passiert“, meinte Hürzeler und fügte hinzu: „Genauso wie bei unseren Spielern, da wird auch etwas im Kopf passieren. Wichtig ist, dass wir diese mentale Stärke und Klarheit im Kopf haben.“

Beide Teams gehen mit Negativerlebnissen in das von der Polizei als Risikospiel eingestufte Duell. Die eindrucksvolle Serie des FC St. Pauli mit zehn Siegen war am vergangenen Sonntag gegen Eintracht Braunschweig (1:2) zu Ende gegangen. Der HSV hatte am Abend zuvor beim 1. FC Kaiserslautern (0:2) verloren und kam in den vergangenen fünf Spielen nur auf einen Sieg. Der Verein vom Volkspark rutschte auf den Aufstiegsrelegationsplatz ab, der Club vom Millerntor liegt sechs Punkte hinter dem sieben Kilometer entfernten Rivalen auf Rang fünf.

„Das Wichtige ist, dass wir bei uns bleiben und nicht denken, wir müssen etwas Besonderes machen, nur weil alle es erwarten“, sagte Walter. Zuletzt hatte er immer wieder individuelle Fehler seiner Spieler beklagt. „Man muss die Fehler akzeptieren“, meinte er. „In den letzten Wochen hatten wir das Pech, dass diese bestraft wurden.“

Immerhin kann er am Freitag auf seinen kompletten Kader zurückgreifen. Der in Kaiserslautern im defensiven Mittelfeld schmerzlich vermisste Jonas Meffert ist wieder fit. „Ich habe überall die Qual der Wahl, Ich bin froh, dass ich diese Situation habe“, sagte er.

Für ihn ist es nicht die erste Begegnung mit dem erst 30 Jahre alten St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler. Bei einem Spiel 2017 von Hürzelers FC Pipinsried gegen den von Walter trainierten Club Bayern München II in der Regionalliga Bayern waren beide aneinandergeraten. Hürzeler war damals nicht nur Spielertrainer, sondern auch Siegtorschütze. „WIr haben ein gutes Verhältnis“, bekräftigte Walter und meinte zu Hürzelers reiner Trainer-Rolle: „Ich bin gespannt, wie er es dann erlebt.“

Der Pauli-Trainer lobte das „individuell sehr gut besetzte“ Walter-Team, aber er hat einen Plan. „Wir haben auch in den letzten Spielen gesehen: Speziell die Gegner, die sehr mutig waren gegen den HSV, die waren meist erfolgreich“, sagte er. „Wir wollen jetzt nicht nur reagieren auf das, was der HSV macht, sondern wir fahren bewusst dorthin, um das Spiel zu gewinnen“, fügte der jüngste Trainer im deutschen Profifußball hinzu.