Wesselburenerkoog (dpa/lno). Das Eider-Sperrwerk gilt als bedeutendes Küstenschutzbauwerk an der Nordsee. Es dient zum Schutze vor Sturmfluten und zur Entwässerung des Binnenlandes. Gebaut wurde es als Konsequenz aus der großen Sturmflut 1962. Hält es auch künftigen Sturmfluten stand?
Seit 50 Jahren schützt das Eidersperrwerk Menschen und Tiere vor Sturmfluten. Und noch immer ist es ein beeindruckender Bau und eines der größten Küstenschutzbauwerke Europas. Unter anderem 48.000 Kubikmeter Beton, 7000 Kubikmeter Spannbeton, 6000 Tonnen Stahl sowie 95.000 Tonnen Felsbruchsteine wurden darin verarbeitet. Die Kosten summierten sich auf umgerechnet rund 87 Millionen Euro (171,5 Millionen Mark). Anlass für den Bau des Bollwerkes im Mündungstrichter der Eider war die schwere Sturmflut von 1962 in Hamburg und an der Nordseeküste. Allein in der Hansestadt starben mehr als 300 Menschen, auch im Einzugsgebiet der Eider, dem tideabhängigen und längsten Fluss Schleswig-Holsteins waren die Schäden groß.
Der offizielle Spatenstich war am 29. März 1967. Zuvor waren die Vor- und Nachteile von 17 Varianten abgewägt, die Abmessungen des Bauwerks in zwei Modellversuchen erprobt und festgelegt worden. Als es losging, wurde zunächst eine 28 Hektar große Bauinsel mit Hafen und einem Landanschluss gen Süden über eine Behelfsbrücke gebaut. Darauf wurde das eigentliche Sperrwerk errichtet. Es folgten der gut drei Kilometer lange Asphaltdeich nach Norden und ein Leitdamm nach Osten. 1971 wurde die Bauinsel geflutet, und die neue Stromrinne ausgebaggert, im Anschluss der Damm nach Süden gebaut.
Nach fünf Jahren Planung und sechs Jahren Bauzeit wurde das größte deutsche Küstenschutzbauwerk am 20. März 1973 offiziell im Beisein des damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU) in Betrieb genommen. Das knapp fünf Kilometer lange Bollwerk im Mündungstrichter der Eider ersetzte als Teil des „Generalplans Küstenschutz“ auch 60 Kilometer alte und weit ins Binnenland reichende Flussdeiche.
Das Sperrwerk sichert rund 2000 Quadratkilometer Binnenland bis hinauf nach Rendsburg vor Überschwemmungen. Kernstück ist das eigentliche, teils untertunnelte Sperrwerk mit fünf Schleusentoren. Jedes dieser Doppelhubtore ist 400 Quadratmeter groß und 250 Tonnen schwer. Bei normalen Wetter- und Flutverhältnissen sind die Tore geöffnet, bei aufkommender Sturmflut können sie geschlossen werden.
Eine Meisterleistung der damals beteiligten rund 1000 Ingenieure und Techniker, wie Veit-Hinnerk Bayer vom Wasser- und Schifffahrtsamt findet. „Heutzutage wäre das utopisch. Für ein Ersatzbauwerk gehen wir allein von 20 Jahren Planungszeit aus.“ Spätestens 2030 müsste mit einer solchen begonnen werden, denn das Jahrhundertbauwerk Eidersperrwerk ist damals für eine Lebensdauer von etwa 80 Jahren ausgelegt worden, wie Marco Bardenhagen, Fachgebietsleiter Bau beim WSA Elbe-Nordsee sagt.
Doch schon früher müsse saniert werden, weil das Milieu so aggressiv sei. So müssten unter anderem alle zehn Sieltore erneuert werden, im laufenden Betrieb und in den Sommermonaten. In der Sturmflutsaison werden alle Tore benötigt.
Das Sperrwerk ist das ganze Jahr über besetzt - rund um die Uhr. Alle Anlagen werden vom Leitstand aus gesteuert und überwacht: Die Siele, die Klappbrücke, die Schleuse, der Straßentunnel und die Vorhäfen beispielsweise.
Denn das Eidersperrwerk schützt nicht nur rund 2000 Quadratkilometer Binnenland bis hinauf nach Rendsburg vor Überschwemmungen. Die fünf riesigen Doppelhubtore von jeweils 250 Tonnen Gewicht helfen auch bei der Entwässerung des Binnenlandes. Wenn sie bei Flut geschlossen werden, kann die Nordsee nicht die Eider aufstauen.
Schleswig-Holsteins längster Fluss behält so einen niedrigeren Pegel als die Treene, und (Regen-)Fluten aus dem Hinterland können bis zum Sperrwerk abfließen. Werden bei der nächsten Ebbe die Fluttore wieder geöffnet, fließt das Wasser in die Nordsee ab. Zudem sorgt auf der Nordseite des Sperrwerks eine 25 Meter lange Schleuse dafür, dass Schiffe zwischen der Nordsee und der Eider verkehren können. Autos können die Schleuse über eine Klappbrücke queren.
Das Sperrwerk hat in den vergangenen Jahrzehnten seine Qualität in Dutzenden zum Teil sehr schweren Sturmfluten unter Beweis gestellt, mehr als tausendfach die Vorflutregulierung erleichtert und die Schifffahrt auf der Eider in unverändertem Umfang ermöglicht.
Und in Zukunft? „Vor Sturmfluten sind wir sicher“, ist Bayer überzeugt. „Die Gefahr ist, wir saufen von hinten ab.“ Denn die Gewässersysteme von Eider und Treene unterliegen starken Veränderungen. Starke Sedimentation und Entwässerungsschwierigkeiten, verstärkt durch die gleichzeitige Landsenkung sind in der Fachwelt als „Eiderproblem“ bekannt, heißt es bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zum 2019 ins Leben gerufenen Projekt „Zukunft Eider“.
„Hinzu kommen langfristig erschwerend Auswirkungen des Klimawandels, wie veränderte Niederschläge und ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg“, heißt es weiter. „Dadurch ergeben sich gesteigerte Herausforderungen vor allem an die Entwässerung des Binnenlandes.“ Das Eider-Sperrwerk sowie die Anlagen Nordfeld und Friedrichstadt erzielten als Unterstützung zur Entwässerung einen immer geringer werdenden Erfolg.
Und auch wenn das Eidersperrwerk nicht im Fokus des Projektes steht, können die im Projekt gesammelten Daten und Modellberechnungen bei den Planungen für einen Ersatzneubau helfen, sagte Bayer. „2030 müsste mit den Planungen für einen Neubau begonnen werden“, ergänzte Bardenhagen. Wie dieser aussehen könnte, ob es vor oder hinter dem jetzigen Sperrwerk entstehen sollte, das alles muss untersucht werden.