Hamburg. Der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister spricht über seine Vorbilder, seine Kindheit und Daniel Günthers besonderen Humor.

Er ist derzeit einer der interessantesten Politiker, die es in Deutschland gibt. Das liegt zum einen daran, dass Claus Ruhe Madsen lange gar keine Politik gemacht, sondern Möbel und Softeis verkauft hat, und zum anderen daran, dass er nach wie vor in keiner Partei ist, obwohl er den CDU-Größen Angela Merkel und Daniel Günther einiges zu verdanken hat.

Und dann war Madsen auch noch der erste ausländische Minister in einer deutschen Landesregierung... In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der ehemalige Oberbürgermeister Rostocks und jetzige Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins über die deutsche Staatsangehörigkeit, die er vor Kurzem angenommen hat, über den besonderen Humor von Ministerpräsident Daniel Günther und über die Frage, warum er bisher nicht in die CDU eingetreten ist. Zu hören ist das komplette Gespräch unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Claus Ruhe Madsen über …

… seinen Mittelnamen:

„Madsen ist in Dänemark eine Massenbezeichnung wie in Deutschland Schmidt und Müller. Wenn in einem dänischen Supermarkt Claus Madsen zur Kasse gebeten wird, stehen dort allerhand Leute. Wenn man den Mittelnamen Ruhe mit einbindet, stehe ich da allein. Der Name hat im Dänischen keine Bedeutung, ganz anders als im Deutschen.“

… seinen Wechsel vom Möbelhändler und Softeis-Unternehmer in die Politik:

„Angela Merkel hat mich, als ich noch Möbelhändler und Präsident der Indus­trie- und Handelskammer war, zu einer Weihnachtsfeier in ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern eingeladen. Dort wurde ich angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, Oberbürgermeister von Rostock zu werden.

Ich habe das als indirektes Lob für meine Arbeit als IHK-Präsident empfunden und mir darüber weiter keine Gedanken gemacht. Aber vier Wochen später hat mich der Vorsitzende der Landes-CDU angerufen und wollte wissen, ob ich mich entschieden hätte.

Und dann hat mich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig zum Essen eingeladen und gefragt, ob ich für die SPD Oberbürgermeister werden wolle. Ich habe eine kurze Zeit überlegt und mich dann tatsächlich entschieden, als Oberbürgermeister zu kandidieren, allerdings ohne mich einer Partei anzuschließen.

Ich wollte auch nicht den klassischen Wahlkampf machen, bei dem man Feuerzeuge oder Kugelschreiber verteilt. Bei mir gab es Socken, die den Vorteil hatten, dass ich jeden Menschen ansprechen konnte mit Sätzen wie „Ich glaube, Sie haben Größe 42.“ So bin ich mit den Leuten ins Gespräch gekommen.

… die Corona-Pandemie, die kurz nach seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister in Rostock begann:

„Mir ist zugutegekommen, dass ich viele Jahre Unternehmer war. Und so bin ich das Ganze unternehmerisch angegangen. Die entscheidende Frage war immer: Was glauben wir, was wir nächste Woche er­ledigt haben müssen, und was tun wir heute, damit es auch so kommt? Es waren zum Teil furchtbare Themen, mit denen ich auf einmal zu tun hatte.

Etwa, als der Krisenstab darüber gesprochen hat, dass man im schlimmsten Fall die Rostocker Eishalle nutzen müsse, wenn das Krematorium überlastet sei. Damals hatten wir alle die furchtbaren Bilder aus Bergamo im Kopf, und wenn ich daran denke, läuft es mir heute noch kalt den Rücken herunter.

Ich habe am Anfang der Pandemie immer nur zehn Minuten am Stück geschlafen, weil es so viele Entscheidungen zu treffen gab. Ich hatte zum Glück in meinem Leben noch nie Angst vor Entscheidungen.“

… seinen Wechsel nach Schleswig-Holstein und einen kurzen Schreckmoment vor der Vereidigung als Minister:

„Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und ich haben uns intensiver vor gut einem Jahr kennengelernt. Ich war mit ihm einen ganzen Tag in Dänemark unterwegs, und wir haben über die Gesellschaft von morgen gesprochen und was für Bürgerinnen und Bürger eigentlich wichtig ist. Das war richtig gut. Seitdem haben wir uns immer mal wieder geschrieben, bis er eines Tages anrief und sagte: Claus, ich muss mit dir reden.

Ich bin nach Kiel gefahren, wo er mir von den großen wirtschaftlichen Herausforderungen erzählt hat, vor denen Schleswig-Holstein steht, und dass er dafür einen krisenerprobten Mann an seiner Seite braucht. Das fand ich gut, genauso, wie Wirtschafts-, Verkehrs- und Tourismusminister in einem Land sein zu können, das an Dänemark grenzt und das aus meiner Sicht von dem besten Ministerpräsidenten Deutschlands geführt wird.

Daniel Günther hat sich sehr um mich bemüht, und er hat von mir weder verlangt, dass ich Deutscher werde, noch dass ich in die CDU eintrete oder nach Schleswig-Holstein ziehe.“

… Daniel Günther, Deutschlands beliebtesten Ministerpräsidenten:

„Daniel ist vor der Kamera so wie hinter der Kamera, und er ist keiner dieser Politiker, die bei einer Veranstaltung nur mal kurz vorbeischauen. Wenn der an einem Paddelwettbewerb teilnimmt, dann ist er morgens einer der Ersten und geht erst nach der Siegerehrung.

Das lieben die Leute und dass er zu einhundert Prozent Schleswig-Holsteiner ist. Außerdem ist er mit viel Humor unterwegs. Kurz bevor ich vereidigt werden sollte, sagte er mir: ‚Du, Claus, da ist was schiefgelaufen, du bist jetzt zuständig für Bildung ...‘“

… die deutsche Staatsangehörigkeit, die er vor Kurzem neben der dänischen angenommen hat:

„Ich war wenige Tage, nachdem ich die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen habe, in Berlin, das war sehr speziell. Als wir am Brandenburger Tor vorbeigefahren sind, habe ich gedacht: Das ist jetzt auch mein Brandenburger Tor. Als ich im Hotel eingecheckt bin, habe ich zum ersten Mal bei Nationalität nur ein D geschrieben statt DK. Das war schon ein irres Gefühl. Ich bin sehr froh darüber, jetzt jeweils ein Bein in beiden Ländern zu haben.“

… die CDU, in die er bisher nicht eingetreten ist:

Ich bin der schleswig-holsteinischen CDU vor allem sehr dankbar, dass sie mir eine große Chance geboten hat. Und man muss wissen: Als ich 1992 von Dänemark nach Deutschland gekommen bin, war einer meiner großen Wünsche, Helmut Kohl zu treffen. Leider hat das nicht geklappt.

Klar ist, dass man sich irgendwann bekennen muss. Aber das gilt für beide Seiten. Auch Partner im richtigen Leben lernen sich ja erst mal näher kennen, bevor sie sich binden. Und genau das findet gerade statt.

... und ein Fragebogen über Claus Ruhe Madsen...

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Feuerwehrmann. Ich wollte Menschen helfen und eine Uniform tragen.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Mut haben, neugierig sein, auf mein Herz hören und das Abitur machen.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Menschen, die sich für andere einsetzen. Insbesondere im Ehrenamt.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Dass ich eines Tages Staatsminister (Kanzler) werde.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Nachdem mich zunächst Angela Merkel 2018 fragte, ob ich mir vorstellen könnte, Oberbürgermeister zu werden, und dann Daniel Günther vor gut einem halben Jahr fragte, ob ich Minister in seinem Kabinett werden möchte. Wer Unternehmer ist, gestaltet gerne. Und als diese Anfragen kamen, wurde mein Gestaltungswille für diese spannenden Aufgaben geweckt.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Meine Neugier und mein Wille.

Auf wen hören Sie?

Auf mein Herz und gesunden Menschenverstand.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Aus meiner Sicht ist Geld wichtig als Sicherheit und als Basis für das Leben. Ich habe aber nie großen Reichtum angestrebt, da gibt es deutlich Wichtigeres. Gesundheit und Zufriedenheit kann man nicht kaufen.

Duzen oder siezen Sie?

Ich bevorzuge das Du – so wie es in Dänemark üblich ist.

Was sind Ihre größten Stärken?

Verlässlich zu sein, verbindlich und motivierend.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ich kann nie Nein sagen. Das sorgt an der einen oder anderen Stelle für Probleme.

Welchen Schriftsteller/Künstler hätten Sie gern näher kennengelernt?

George Orwell.

Was würden Sie ihn/sie fragen?

Was für ein Buch würde ChatGPT über das Jahr 2084 schreiben.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Täglich. Mal ganz kleine, aber auch manchmal mehr. Wer neugierig und pragmatisch ist, der macht auch Fehler. Wichtig ist, daraus zu lernen, damit sich Fehler nicht wiederholen.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Immer wieder mit Ja zu entscheiden. Wer in Lösungen denkt, bekommt Lösungen. Wer in Problemen denkt, bekommt Pro­bleme.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

60 bis 80.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

6 bis 7.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Rennrad fahren. Positive Aufgaben und konstruktives Arbeiten bringen kaum Stress für mich.

Wie kommunizieren Sie?

Am liebsten direkt, ansonsten SMS/WhatsApp oder anrufen.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Zwei Stunden pro Woche.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Folge deinem Herzen. Denn wer seinem Herzen folgt, hat Spaß und Ehrgeiz und wird früher oder später Erfolg haben.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Danke. Danke an all die Menschen, die mich auf meinem Weg unterstützt haben.