Hamburg. Die ersten Kraniche, Störche und Singdrosseln sind wieder da. Bald kommt auch der Kuckuck. Über das Spektakel des Vogelzugs.

Die stimmgewaltige Singdrossel und der olivbraune Zilpzalp lassen sich von ihrem Kurs nicht abbringen: Da mögen in Norddeutschland noch so kräftige Windböen wehen und Schneeflocken durch die Lüfte wirbeln – die Zugvögel kehren aus ihren Überwinterungsgebieten zurück. Die beiden Arten sind mit Kranichen und Störchen die ersten Frühlingsboten, oder um es in der Sprache einer ziehenden Singdrossel zu sagen: „ziit!“.

Jährlich pendeln auf der ganzen Welt etwa 50 Milliarden Vögel zwischen Brutgebieten und Winterquartieren, manche legen dabei Tausende Kilometer zurück. Sie finden ihren Weg bei Tag und Nacht, Sonnenschein und bedecktem Himmel. Und kommen immer pünktlich, oft auf den Tag genau, in ihren Brutgebieten an, heißt es beim Naturschutzbund Nabu.

Einige Vogelarten sind noch unterwegs und fressen sich satt

„Allgemein kann man sagen, dass unter den Singvögeln jene Arten zuerst wieder bei uns eintreffen, die im Mittelmeerraum überwintern“, sagte Anne Ostwald, Referentin beim Naturschutzbund (Nabu) in Hamburg. Das sind beispielsweise Bachstelze, Singdrossel, Misteldrossel, Mönchsgrasmücke und Zilpzalp. „Bachstelzen, Singdrosseln und Misteldrosseln sind meist schon im Februar zurück oder sollten jetzt Anfang März wieder zu beobachten sein.“

Ein Peilsender ermöglicht es den Ornithologen, den Storch zu beobachten.
Ein Peilsender ermöglicht es den Ornithologen, den Storch zu beobachten. © Kai-Michael Thomsen

Andere Vogelarten sind derweil noch unterwegs oder fressen sich vor dem Marathonflug noch einmal richtig satt. Die Langstreckenzieher, die über die Sahara hinweg nach Afrika ziehen, kommen erst Ende April und Anfang Mai in unsere Breiten zurück. Dazu gehören Nachtigall, Rauch- und Mehlschwalbe und der Kuckuck, den man ab Ende April wieder hören kann. Die Verbreitung des Kuckucks in Hamburg konzentriert sich nach Angaben des Arbeitskreises Vogelschutzwarte in Hamburg auf das Elbtal und den nordöstlichen Stadtrandbereich. Ein Schwerpunkt befindet sich in den Vier- und Marschlanden.

Grasmücken, Rohrsänger, Gartenrotschwanz und die Nachtigall

Weitere Rückkehrer Ende April/Anfang Mai sind Grasmücken, Rohrsänger und der Gartenrotschwanz. Und die Nachtigall. „Sie kann man in Hamburg entlang der Gewässer in Gebüschbereichen Anfang Mai fast überall hören“, sagt Anne Ostwald. Nicht nur nachts, sondern sehr laut und deutlich tagsüber. „Anfang Mai kommen dann auch die Mauersegler wieder sowie der Neuntöter und der Pirol.“ Dann sind auch die meisten Vogelarten wieder da.

Eine große Nachtigall-Population lebt bei den Boberger Dünen.
Eine große Nachtigall-Population lebt bei den Boberger Dünen. © dpa

Auf dem Höltigbaum, dem Naturschutzgebiet im Nordosten Hamburgs, gibt es jetzt einen fliegenden Wechsel. Auf der offenen Weidelandschaft mit zahllosen Weißdornsträuchern folgt auf den Raubwürger der Neuntöter. Diese spießen ihre Beute bevorzugt auf Stacheln, Dornen und Astgabeln auf.

Als Michael Rademann von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald kürzlich eine Besuchergruppe zu einer ornithologischen Wanderung über den Höltigbaum begleitete, zeigte sich ein Exemplar des Raubwürgers aus nächster Nähe. Auch sie spießen ihre Beute in Dornenbüschen auf. Während der Neuntöter demnächst aus Afrika zurückkehrt, macht sich der Raubwürger allerdings aus dem Staub. „Diese Art sowie Erlenzeisig, Birkenzeisig, Rotdrossel, Wacholderdrossel und Bergfink ziehen in ihre Brutgebiete in den Norden und Nordosten. Die Rotdrossel zum Beispiel brütet in der Tundra“, sagt Michael Rademann.

Bereits zurück in Hamburg ist Storch „Alexander“

Bereits zurück in Hamburg ist Storch „Alexander“. Der mit einem Peilsender ausgestattete Vogel verbrachte den Winter im Norden Spaniens nahe der Stadt Saragossa und legte damit einen vergleichsweise kurzen Weg zurück: Die rund 1800 Kilometer zwischen Saragossa und den Vier- und Marschlanden absolvierte er in 21 Tagen. Die restlichen sechs Sender-Störche befänden sich noch in ihren weit entfernten Winterquartieren in Afrika, heißt es bei Hamburger Ornithologen.

Neuntöter: Er löst auf dem Höltigbaum den Raubwürger ab.
Neuntöter: Er löst auf dem Höltigbaum den Raubwürger ab. © Michael Rademann

Zielsicher haben die ersten Störche ihren Rückweg ins „Storchendorf“ Bergenhusen (Kreis Schleswig-Flensburg) gefunden: „Im Moment sind fünf Nester von je einem Paar besetzt“, sagt Kai-Michael Thomsen vom Storchenzentrum am Michael-Otto-Institut im Nabu. „Hinzu kommen sechs Einzelvögel, die noch auf ihren Partner warten.“ Die ersten Störche seien Mitte Februar in das Dorf zurückgekehrt.

Doch längst nicht mehr alle Störche fliegen zum Überwintern in südliche Gefilde. „Etwa 20 bis 30 Störche dürften in Schleswig-Holstein überwintern“, so Thomsen. „Die Zahl hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert. Es ist schon in der Vergangenheit zur Überwinterung von Störchen gekommen.“

Ursache für die Überwinterung sind wärmere Herbste und Winter

Auch Kraniche überwintern mittlerweile in Norddeutschland. „Ursache für die Überwinterung sind die wärmeren Herbste und Winter. Die Vögel finden noch lange Nahrung“, sagt Anne Ostwald. In milden Wintern gebe es keine geschlossene Schneedecke mehr, und die Anzahl der Frosttage werde immer weniger. „Es ist also möglich, dass die Arten überleben können.“ Dazu komme, dass Hamburg eine städtische Wärmeinsel sei. Das bedeutet: In der Stadt ist es um einige Grad wärmer als im Umland. Der Hafen und die versiegelte Innenstadt können deshalb optimale Wintertemperaturen bieten. Wichtig bleibt nur noch, dass die Vögel genug Nahrung finden. Nutznießer dieser Entwicklung ist der Hausrotschwanz. Und der ist regelmäßig auch im Winter in der Stadt, besonders im Hafen, zu beobachten.