Hamburg (dpa/lno). Ein renommierter Strafrechtler in Hamburg glaubt Olaf Scholz nicht, wenn dieser sich in Sachen „Cum-Ex“ auf Erinnerungslücken beruft, und erstattet Anzeige gegen den Kanzler. Bei der Generalstaatsanwaltschaft sieht man keinen Grund für Ermittlungen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg sieht im Zusammenhang mit „Cum-Ex“-Geschäften der Hamburger Warburg Bank keinen Anfangsverdacht gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wegen uneidlicher Falschaussage. Mit der am Montag bekanntgemachten Entscheidung aus dem Februar bestätigte sie einen gleichlautenden Bescheid der Staatsanwaltschaft vom Dezember vergangenen Jahres, in dem diese von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Scholz abgesehen hatte.
Hintergrund ist eine Anzeige des renommierten Strafrechtlers Gerhard Strate, der Scholz vorwirft, im Finanzausschuss des Bundestages und im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft unterschiedliche Angaben hinsichtlich seines Erinnerungsvermögens gemacht zu haben.
Dabei geht es um Treffen von Scholz mit den Gesellschaftern der in den „Cum-Ex“-Skandal verwickelten Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg, in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister 2016 und 2017. Laut Strate geht aus inzwischen öffentlich gemachten Protokollen des Bundestags hervor, dass sich Scholz bei Befragungen im März und Juli 2020 im Finanzausschuss noch an Inhalte eines Treffens erinnern konnte. Im April 2021 hatte Scholz dann bei seiner ersten Vernehmung vor dem Hamburger PUA aber ausgesagt, sich überhaupt nicht mehr an das Treffen erinnern zu können.
Man sei zu dem Ergebnis gelangt, „dass sich auch aus den betreffenden Protokollen kein konkretes Erinnerungsvermögen des Betroffenen Scholz herleiten lasse“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Dessen in indirekter Rede wiedergegebene Äußerungen seien „objektiv mehrdeutig“ und bezögen sich größtenteils auf Erkenntnisse aus Medienberichten und veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen von Olearius. Außerdem sei nicht auszuschließen, dass sich die Erinnerungslücken, auf die sich Scholz im PUA berufen hat, erst nach seinen Aussagen im Finanzausschuss verfestigt hätten.
Im Dezember war die Staatsanwaltschaft Hamburg bereits zu diesem Ergebnis gelangt. Strate hatte gegen die Entscheidung, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten, Beschwerde eingelegt.
Der PUA wird sich im April mit Scholz' Aussagen vor dem Finanzausschuss des Bundestags befassen. 38 damals anwesende Teilnehmer sind dann in zwei Sitzungen als Zeugen geladen.
Der Ausschuss soll eine mögliche Einflussnahme führender SPD-Politiker zugunsten der Warburg Bank aufklären. Nach den ersten Treffen von Scholz mit den Bankern im Rathaus hatte die Hamburger Finanzverwaltung im Dezember 2016 eine ursprünglich geplante Rückforderung von 47 Millionen Euro wegen zu Unrecht erstatteter Kapitalertragssteuern an die Bank doch nicht erhoben und zunächst in die Verjährung laufen lassen. Eine zweite Forderung über weitere 43 Millionen Euro war Ende 2017 erst kurz vor der Verjährung auf Weisung des Bundesfinanzministeriums erhoben worden.
Scholz und andere Zeugen im Ausschuss, darunter sein damaliger Finanzsenator und heutiger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), haben den Verdacht einer politischen Einflussnahme stets zurückgewiesen.
Nach einem Gerichtsurteil hatte die Bank 2020 eigenen Angaben zufolge schließlich alle ausstehenden Steuerrückforderungen beglichen, versucht aber auf juristischem Weg weiter, das Geld zurückzubekommen.
Bei „Cum-Ex“-Geschäften wurden Aktienpakete von mehreren Beteiligten rund um den Dividendenstichtag mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch hin und her verschoben. In der Folge erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand so ein Milliardenschaden.