Hamburg. Allein 2022 lagen der Polizei über 17.000 Anzeigen vor. Warum es oft schwierig ist, die Täter zu ermitteln – und welche Strafen drohen.
Der Schaden, der in der Nacht zum Sonnabend bei einem Unfall auf der Wandsbeker Chaussee entstand, war eigentlich leicht. Im Vorbeifahren hatte der Fahrer eines Seat Leon mit seinem Wagen eine A-Klasse touchiert und den Spiegel dabei demoliert. Doch statt zu halten, gab der Fahrer Gas. Polizisten keilten mit ihren Peterwagen das Fahrzeug ein. Dann mussten sie den widerspenstigen Fahrer aus dem Fahrzeug holen. Der, so stellte sich heraus, war volltrunken. Der Atemalkoholtest des 39-Jährigen ergab einen Wert von über zwei Promille. Dem Mann droht neben der Strafe wegen der Trunkenheitsfahrt auch ein Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht.
So eine Tat ist eine Straftat. Trotzdem gibt es in Hamburg jedes Jahr massenhaft Unfallfluchten. Allein 2022 waren es knapp 47 jeden Tag – 17.006 im ganzen Jahr. Meist sind es Fluchten nach Blechschäden. Fast jeder dritte Unfallversucher versucht, sich in so einem Fall unerkannt aus dem Staub zu machen. Ist bei einem Unfall jemand verletzt worden, begehen knapp zwölf Prozent der Verursacher Unfallflucht. Besonders rücksichtslos sind offenbar Fahrradfahrer, wenn jemand körperlich bei einen Unfall mit ihnen zu Schaden kam. Fast bei jedem zweiten Verkehrsunfall, bei denen ein Radfahrer einfach weiterfährt, bleibt ein Verletzter zurück.
Fahrerflucht Hamburg: Oft werden die Verantwortlichen nicht erfasst
Bei 27,9 Prozent aller Verkehrsunfälle, die in Hamburg im vergangenen Jahr aufgenommen wurden, wird wegen Unfallflucht ermittelt. Das ist prozentual etwas höher als im Vor-Corona-Jahr 2019. Allerdings gab es damals deutlich mehr Verkehrsunfälle. So lag die absolute Zahl der Unfallfluchten damals bei 19.178. Höher bei den absoluten Zahlen liegen die Unfallfluchten, bei denen jemand verletzt wurde. Sie stieg von 902 in 2019 auf 922 im vergangenen Jahr.
In den meisten Fällen kann nicht festgestellt werden oder wurde nicht erfasst, mit was für einem Fahrzeug eine Unfallflucht verursacht wurde. 8794-mal war das so im vergangenen Jahr. In 6063 Fällen waren Autofahrer die Unfallflüchtigen, in 1361 Fällen saß ein Brummi-Fahrer am Steuer eines flüchtenden Fahrzeugs. Und auch Fußgänger können Unfallflucht begehen. In 138 Fällen war das so in 2022.
Auch gegen einige Radfahrer wird wegen Unfallflucht ermittelt
Gegen Fahrradfahrer ermittelte die Polizei im vergangenen Jahr in 259 Fällen wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Das ist ein Anteil von 1,5 Prozent aller Unfallfluchten. Geht es um Verkehrsunfälle mit Verletzten, schnellt ihr Anteil auf 13,5 Prozent hoch. Dass nahezu jeder zweite Radfahrer, der einen anderen Menschen bei einem Unfall verletzt, flüchtet, findet Christian Hieff, Sprecher beim ADAC Hansa, „erschreckend“. „Dass es ein so hoher Anteil ist, war mir nicht bewusst“, so der Verkehrsexperte.
Aber Fahrradfahrer sind schwerer zu ermitteln, weil die Fahrräder kein Nummernschild haben. Die Chance sie zu ermitteln, ist sehr gering, da ein Betroffener in so einer Situation meistens, wenn überhaupt, nur eine schlechte Beschreibung liefern kann. Das sieht auch ein Polizist so. „Selbst bei Verkehrsunfallfluchten durch Autofahrer können sich viele Beteiligte in so einer Situation nicht einmal das Nummernschild merken.“
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E-Scooter sind immer häufiger in Unfälle verwickelt
Deutlich erhöht haben sich Verkehrsunfälle mit Flucht mit „Elektrokleinfahrzeugen“ wie im Polizeijargon E-Scooter genannt werden. 146 Fälle gab es letztes Jahr. 2021 waren es noch 101. 2019 gab es diese Fahrzeuge noch nicht auf Hamburgs Straßen. Auch bei den Fahrern der Elektroroller ist – kommt es zu einem Unfall, bei dem jemand verletzt wurde – die Bereitschaft zur Flucht hoch. In rund 46 Prozent der Fälle entfernten sie sich einfach von der Unfallstelle.
Die Motive für eine Unfallflucht sind vielfältig. „Ein Kratzer an einem anderen Auto bedeutet oft einen Schaden, der mit mehreren Tausend Euro abgerechnet wird. Da hoffen wohl einige, dass sie nicht gesehen wurden und so auch eine Hochstufung ihrer Versicherung vermeiden“, sagt Hieff. Manchmal sind auch Alkohol oder Drogen im Spiel, und durch die Flucht soll eine Fahrt unter berauschenden Mitteln verschleiert werden. Hieff: „Es gibt natürlich Fälle, bei denen ein Fahrzeugführer, beispielsweise ein Lastwagenfahrer oder der Fahrer eines großen Autos, eine kleinere Berührung eines anderen Fahrzeugs nicht bemerkt.“ Das dürfte aber nur einen Bruchteil der Fälle ausmachen.
Fast jeder zweite Unfallflüchtige wird von der Polizei ermittelt
Tatsächlich wird nicht einmal bei der Hälfte der Unfallfluchten der Verantwortliche ermittelt. Lediglich 43,1 Prozent konnte die Polizei aufklären. Das sind 3,6 Prozentpunkte weniger als 2019. Ist jemand verletzt worden, werden fast die Hälfte der Unfallflüchtigen ermittelt. Bei Blechschäden sind es dagegen nur etwa ein Drittel.
Wird man ermittelt, drohen bei einem Sachschaden eine Geldstrafe oder sogar bis zu drei Jahre Haft. Sind Menschen körperlich zu Schaden gekommen, sind bis zu fünf Jahre Haft drin. Auch mit einem mehrmonatigen Fahrverbot oder dem Entzug der Fahrerlaubnis von mindestens einem Jahr in Fällen mit Personenschäden muss man rechnen. Das gilt auch für Radfahrer. Wird nach einer Unfallflucht der Verursacher nicht ermittelt, ist es für den Geschädigten ärgerlich. Er bleibt auf den Kosten, beispielsweise für einen Blechschaden, sitzen. Nur eine Vollkasko-Versicherung hilft.