Hamburg (dpa/lno). Hamburg will sich „der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus“ entgegenstellen. Das Ziel wird in der Präambel der Landesverfassung festgeschrieben - 90 Jahre, nachdem die Nazis auch in der Hansestadt die Macht übernahmen.
90 Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Hamburg haben Abgeordnete der Bürgerschaft vor einem Wiedererstarken von Rassismus gewarnt. Der 8. März sei eine Mahnung, „wie schnell eine Demokratie zerstört werden kann“, sagte Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg, deren Fraktion das Thema zur Aktuellen Stunde am Mittwoch angemeldet hatte. „Es ist ein Anlass, die Erinnerung wach zu halten, damit sich unsere Geschichte nicht wiederholt.“ Denn auch heute dürfe man auf dem rechten Auge nicht blind sein. „Machen wir uns klar: rechtsextreme Ideologie hat auch nach Ende der NS-Diktatur getötet.“
Mit der freiheitlich demokratischen Gesellschaft hätten die Deutschen nach dem Krieg das Wertvollste in ihrer Geschichte geschaffen, sagte Innensenator Andy Grote (SPD). Doch deren Bindungskraft lasse nach, während der Staat und seine Institutionen zunehmend delegitimiert würden. Die Politik sei gefordert: „Wir sind in der Verantwortung, eine Politik zu machen, die das Vertrauen der Menschen in unsere demokratische Gesellschaft stärkt“, sagte er.
Für eine Unterbrechung der Sitzung und einen Ordnungsruf sorgte eine Äußerung von CDU-Fraktionschef Dennis Thering, der die AfD als „eine offen rassistische“ und zum Teil antisemitische Partei bezeichnete. Auch vor der Machtergreifung der Nazis habe es „in weiten Teilen der Gesellschaft die Sehnsucht“ nach einfachen Antworten auf Fragen gegeben, nicht einfach zu beantworten gewesen seien, sagte er. Heutzutage sei es ähnlich. „Populisten von links und rechts außen machen sich das zunutze ... Spaltung, Hass und gesellschaftliche Ausgrenzung sind die Folgen.“ Deshalb gebe es bei der CDU eine klare „Brandmauer“ zur AfD.
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann warf Thering vor, eine anspruchsvolle Debatte für „dreisten Klamauk“ zu missbrauchen und „mit Links und Grün ins Bett“ zu gehen, die in dieser Frage völlig überzögen. „Die notorische Suche nach Rechtsextremismus geht bei ihnen so weit, dass sie hinter jeden Baum einen Nationalsozialisten vermuten“, sagte er.
Zur Erinnerung an die Machtergreifung in Hamburg gehöre es, festzustellen, „dass die menschenverachtende Ideologie der Nazis auf fruchtbaren Boden fiel“, sagte der Innenexperte der Linken, Deniz Celik. „Rechter Terror und Menschenfeindlichkeit haben bis heute Kontinuität.“ Deshalb müsse „der Kampf gegen Antisemitismus, Antiziganismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit fortgeführt werden“.
Bürgerrechte, Freiheit und Selbstbestimmung müssten jeden Tag aufs Neue verteidigt werden, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Die Stärke der Demokratie sei es, andere Meinungen zuzulassen. „Wir dürfen aber nicht zulassen, dass Feinde der Demokratie genau diese Stärke für ihre Zwecke instrumentalisieren. Desinformation ist das Mittel der Wahl für diejenigen, die die Säulen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens erschüttern wollen.“
Der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit soll auch als Staatsziel in der Hamburgischen Verfassung festgeschrieben werden. In zweiter Lesung wollte die Bürgerschaft am Mittwoch über eine entsprechende Änderung abstimmen.
Neben einem Bekenntnis zu Europa und Kinderrechten soll in der Präambel auch festgehalten werden, dass die Stadt „sich der Erneuerung und Verbreitung totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus“ entgegenstellt. Die Annahme des gemeinsam von SPD und Grünen mit der CDU eingebrachten Antrags mit der nötigen Zweidrittelmehrheit galt als sicher.