Kiel (dpa/lno). Der Pessimismus bleibt, nimmt aber ab: Das Konjunkturbarometer der Kammern im Norden klettert mühsam aufwärts. Doch der Blick in die Zukunft bleibt sorgenvoll. Lage und Erwartungen liegen weit auseinander.
Die hohen Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs, der zunehmende Fachkräftemangel und Lieferprobleme drücken weiter auf die Stimmung der Wirtschaft in Schleswig-Holstein. Sie hat sich im letzten Quartal 2022 zwar etwas aufgehellt, aber die Zukunftssorgen bleiben groß. Es gebe eine breite Spreizung zwischen Lage und Erwartungen, sagte IHK-Präsident Hagen Goldbeck am Montag in Kiel.
Der Konjunkturklimaindex stieg im vierten Quartal von 67,1 auf 86,6 Punkte, blieb aber noch deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 109,3 Punkten. Maximal möglich sind 200 Punkte. „Wahrscheinlich wird der wirtschaftliche Einbruch nicht so stark ausfallen wie noch Mitte 2022 erwartet“, sagte Goldbeck. Das Umfeld bleibe aber risikobehaftet und die Stimmung sei von großer Unsicherheit geprägt. 44 Prozent der Betriebe erwarten eine Verschlechterung der Lage, 10 Prozent eine Verbesserung. Im dritten Quartal hatten noch 61 Prozent zu den Skeptikern gehört. Hoffnung verheißt ein starker Anstieg der Exporte in den letzten drei Monaten des Jahres.
70 Prozent der Betriebe bezeichneten ihre Finanzlage zuletzt als unproblematisch, 16 Prozent berichteten von Liquiditätsengpässen. 29 Prozent nannten ihre aktuelle Geschäftslage gut. Von einer schlechten Lage berichteten 17 Prozent, nach 26 Prozent im Vorquartal. 16 Prozent erwarten steigende Beschäftigungszahlen, 18 Prozent gehen von sinkenden Zahlen aus. Der Anteil der Unternehmen, die wieder mehr investieren wollen, stieg auf 30 Prozent, aber Goldbeck zufolge können aktuell nur die wenigsten Betriebe in ihre Zukunft investieren. Vielmehr sei Ersatzbedarf das vorrangige Bestreben. Nur knapp 30 Prozent wollten in Produktinnovationen investieren, in Kapazitätserweiterungen knapp 24 Prozent und in Umweltschutzmaßnahmen knapp 20 Prozent.
IHK-Präsident Goldbeck und der Hauptgeschäftsführer der IHK Kiel, Jörg Orlemann, machten deutlich, dass sie von Bund und Land mehr Anstrengungen zum Bürokratieabbau und zur Beschleunigung von Verfahren erwarten. „Die Regulatorik nimmt zu statt ab“, kritisierte Goldbeck. „Wir müssen schneller und flexibler agieren können.“ Als Hauptprobleme hoben Goldbeck und Orlemann die hohen Energiepreise und den Fachkräftemangel hervor. Diesen betrachteten 60 Prozent der Betriebe mit großer Sorge. Das Problem werde sich sehr wahrscheinlich noch verschärfen, sagte Goldbeck. „Wir befinden uns erst am Anfang dieser Krise, die auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, für die Wirtschaft zugleich das größte Hemmnis und Produktivitätsrisiko darstellen wird.“
Die aktuelle Geschäftslage hat sich zuletzt den Angaben zufolge branchenübergreifend verbessert. Nur im Verkehrsgewerbe und im Einzelhandel überwiegen negative Bewertungen. „Die Einzelhändler stehen unter Druck, denn sie haben es mit hohen Preisen und einer schwachen Konsumneigung zu tun“, sagte Goldbeck. Sinkende Realeinkommen hielten die Kauflaune auf niedrigem Niveau. An der Umfrage der IHK haben sich von rund 2600 angeschriebenen Unternehmen 879 beteiligt.