Hamburg. Veröffentlichung von Phantombildern dauert in der Regel lange – aber jetzt ging alles überraschend schnell.
Nicht mal eine Woche hat es gedauert, bis die Hamburger Polizei nach dem Auftauchen eines vermutlich mit einer Pistole bewaffneten Mannes im Rathaus, der zu Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher wollte, öffentlich nach dem Unbekannten fahndete. Das ist ein seit Jahren nicht erreichter Rekord.
Sonst dauert es deutlich länger, bis mithilfe von Bildern oder Phantomskizzen nach Tätern im Zusammenhang mit Straftaten öffentlich gesucht wird. Selbst nach den tödlichen Schüssen in einer Shishabar in Hohenfelde im Juli vergangenen Jahres, bei der ein 27-Jähriger getötet wurde und die Täter mit einer Maschinenpistole ausgerüstet waren, wurden erst nach über einer Woche Fotos der Gesuchten öffentlich gemacht.
Polizei Hamburg: Öffentlichkeitsfahndungen das letzte Mittel
Öffentlichkeitsfahndungen mit Fotos oder selbst nach der Beschreibung von Opfern oder Zeugen erstellten Phantomskizzen gelten mittlerweile als das allerletzte Mittel, wenn es darum geht, nach Straftätern zu fahnden. Zuvor müssten, so die Hamburger Auslegung, alle anderen möglichen Maßnahmen „ausgeschöpft“ sein. Genehmigt werden solche öffentlichen Fahndungen, die von der Staatsanwaltschaft, oft auch auf Wunsch der Polizei beantragt werden, von einem Richter.
„Im Fall des Ersten Bürgermeisters scheint das ja besonders schnell gegangen zu sein“, sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Thomas Jungfer. „Oder es wird einfach ein anderer Maßstab angelegt.“
Bis zur Öffentlichkeitsfahndung dauert es oft Monate
Tatsächlich sind es meist Wochen, oft Monate, bevor eine Öffentlichkeitsfahndung trotz sofort vorhandener Bilder eingeleitet wird. Nachdem im Juni eine Gruppe von Schlägern auf St. Pauli zwei Touristen zusammenprügelte, verging fast ein Monat bis zu einer öffentlichen Fahndung. Das Bild eines Schockanrufers, der in Lokstedt eine 87 Jahre alte Frau Anfang Februar 2022 um 20.000 Euro brachte, wurde erst Anfang Dezember veröffentlicht. Der Täter wurde zwar identifiziert, hatte sich aber zwischenzeitlich ins Ausland abgesetzt. Nach einem Raub am Millerntorplatz Juli vergangenen Jahres wurde erst Mitte November mit Fotos nach dem Täter gefahndet.
„Wir sind hier auf einem falschen Weg“, sagt Jungfer. „In anderen Bundesländern wird eine Öffentlichkeitsfahndung, die ja in sehr vielen Fällen erfolgreich ist, deutlich schneller angewandt. Die Handhabung beruht in der Praxis einfach auf die Auslegung der Gesetze.“
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Polizei Hamburg: Abwägung der Rechte von Tätern und Interessen der Opfer
Und auch das sagt Jungfer: „Es ist eine Abwägung der Interessen eines Gesuchten in Hinblick auf seine Persönlichkeitsrechte und den Interessen eines Opfers. Leider wird hier in Hamburg viel zu oft das Interesse eines offensichtlichen Täters höher bewertet.“
Selbst die Vergewaltigung eines 20 Jahre alten Au-pair-Mädchens aus den USA Anfang des Jahres in Neuland zog keine öffentliche Fahndung nach dem Täter nach sich. In dem Fall wurde nicht einmal vor dem besonders brutal vorgehenden Täter gewarnt. Wochen später zertrümmerte er einer 74 Jahre alten Frau das Gesicht, bevor er sich an ihr verging.