Hamburg/Kiel. Die Debatten um den Elbschlick reißen nicht ab. Schleswig-Holstein bekräftigt seine Position, eine Verklappung bei der Vogelschutzinsel Scharhörn sei vom Tisch. Minister Goldschmidt positioniert sich klar gegen Hamburgs Bürgermeister. Aus der Hansestadt kommt Widerspruch.
Der Umgang mit dem Elbschlick birgt weiter Konfliktstoff in Norddeutschland. Am Donnerstag prallten erneut Positionen aus Schleswig-Holstein und Hamburg gegeneinander - offenkundig auch, weil eine vorweihnachtliche Vereinbarung unterschiedlich interpretiert wird.
An diesem Freitag befasst sich der gemeinsame Parlamentsausschuss für die Zusammenarbeit von Schleswig-Holstein und Hamburg in der Hansestadt mit dem „Aktuellen Sachstand beim Sedimentmanagement der Elbe“. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt verwies auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur auf die Vereinbarung, die beide Länder sowie Niedersachsen und der Bund geschlossen hatten. Diese enthalte zwei klare Abmachungen, die einer Schlickdeponie in der Außenelbe bei der Vogelschutzinsel Scharhörn entgegenstünden, sagte der Grünen-Politiker.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte nach der Vereinbarung einen neuen Vorstoß zur Schlick-Verklappung nahe Scharhörn gemacht und damit klaren Widerspruch aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen geerntet. Die Vereinbarung sieht vor, den Schlick zum Seezeichen Tonne E3 bei Helgoland zu bringen. Trotzdem brachte Tschentscher Scharhörn wieder ins Spiel. Dies wies Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ebenso zurück wie Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer und auch Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (beide Grüne). Scharhörn sei vom Tisch, sagte Günther.
„Zum einen schließt der Text eine kurzfristige Verklappung bei Scharhörn aus“, erläuterte Goldschmidt. Zum anderen enthalte er das klare Bekenntnis, auch über den Sommer 2023 hinaus eine Lösung für die Tonne E3 zu erarbeiten. „Es braucht schon viel Fantasie, daraus Perspektiven für weiteren Schlick in der Außenelbe abzuleiten“, sagte Goldschmidt. „Ich bin froh, dass die Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen sowie der Hamburger Umweltsenator das auch so sehen - das ist eine belastbare Grundlage für die anstehenden Gespräche.“
Dazu kam Gegenwind aus Hamburg. „Scharhörn kann erst dann endgültig vom Tisch sein, wenn wir in den nächsten Wochen und Monaten endlich zu langfristigen Vereinbarungen kommen“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Der Standort sei als ökologisch unbedenklich geprüft worden. Mit der Verbringstelle Neuer Lüchtergrund nutze der Bund aktuell sogar einen Oort, der deutlich dichter am Wattenmeer liege.
Hamburg alleine könne die Sedimentverbringung nicht bewältigen, sagte Kienscherf. „Die Idee, im Bereich der Hamburger Außenelbe Sediment zu verbringen, ist aus einer Notlage heraus entwickelt worden.“ Die von Bund und Nachbarländern bereitgestellten Kapazitäten seien trotz jahrelanger Hamburger Bitten nicht erhöht worden. Erst jetzt sei es zu einer vorübergehenden Lösung für 2023 gekommen. „Das ist ein wichtiger Schritt, aber noch nicht die erforderliche langfristige Lösung des seit Jahren bekannten Problems.“
Was sagt die vor Weihnachten erzielte Vereinbarung denn genau? Darin heißt es: „Bei Vorliegen einer offiziellen Genehmigung Schleswig-Holsteins im Januar 2023 wird Hamburg den für die Hamburger Außenelbe geplanten Austrag zur Tonne E3 verbringen und damit bis Q3 (gemeint ist das dritte Quartal) 2023 auf eine Verbringung in der Hamburger Außenelbe verzichten“. Dies bezieht sich auf Scharhörn.
Die Vereinbarung liegt der Deutschen Presse-Agentur im Wortlaut vor. Darin heißt es auch: „In Anlehnung an die bisherige Praxis wird eine langfristige Anschlusslösung bei der bewährten Verbringstelle Tonne E3 derzeit für 2023 vorbereitet. Hamburg wird absprachegemäß im Januar 2023 einen Antrag einreichen über eine Jahresmenge von 2 Mio. t Trockensubstanz (TS) “. Das Verfahren solle möglichst bis Sommer 2023 abgeschlossen sein. Für die Landesregierung in Kiel hat sich mit beiden Passagen das Thema Scharhörn erledigt, für die SPD-Seite in Hamburg eher nicht.
Irritiert zeigte sich Goldschmidt auch darüber, dass das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie keine Beschleunigungsmöglichkeit für das Genehmigungsverfahren zur Verklappung von Elbschlick in der ausschließlichen Wirtschaftszone sieht. Wenn dies das Verständnis des von Volker Wissing (FDP) geführten Bundesverkehrsministeriums zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sei, erkläre dies den Zustand vieler Verkehrsinfrastrukturen in Deutschland. Tschentscher hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass der Antrag der Hamburg Port Authority zur Verklappung von Elbschlick weit draußen in der Nordsee bereits seit dem vergangenen Sommer vorliegt.
Der FDP-Umweltpolitiker Oliver Kumbartzky bescheinigte Goldschmidt ein billiges Ablenkungsmanöver. Sein Ministerium habe sieben Jahre lang Zeit gehabt, sich um eine Anschlusslösung für den Elbschlick zu kümmern, aber passiert sei nichts. „Stattdessen werden auf den letzten Drücker halbgare Vereinbarungen getroffen, an die sich zwei Wochen später jeder anders erinnert.“ Goldschmidt habe es weder geschafft, ein langfristiges Sedimentmanagement auf den Weg zu bringen noch die Zahlungen an das Land transparent zu gestalten.