Hamburg (dpa/lno). Die Hamburger Grünen haben sich im Koalitionsvertrag mit der SPD zum Bau der Autobahn A26-Ost bekannt. Nun hoffen sie, dass die Ampel-Koalition in Berlin das Projekt des Bundes stoppt. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion mahnt den Koalitionspartner zur Vertragstreue.
Trotz einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag mit der SPD stellen die Hamburger Grünen den Bau der sogenannten Hafenpassage zwischen der A7 und der A1 wieder in Frage. „Wir stehen zu unserem Hamburger Koalitionsvertrag“, versicherte Fraktionschef Dominik Lorenzen am Freitag, fügte aber hinzu: „Unter den Vorzeichen einer massiven Energie- und Klimakrise und großen Herausforderungen für unseren Hafen müssen wir uns fragen, ob eine früher getroffene Entscheidung überhaupt noch zeitgemäß und richtig ist.“
Über den Bau von Autobahnen entscheide nicht Hamburg, sondern der Bund. „Wenn nun die Ampel damit anfängt, Autobahn-Projekte zu hinterfragen, werden wir sie dabei unterstützen, so wie es im (Berliner) Koalitionsvertrag steht“, erklärte Lorenzen weiter. Der grüne Hamburger Bundestagsabgeordnete Till Steffen sagte dem „Hamburger Abendblatt“: „Als Ampel-Koalition haben wir vereinbart, dass wir den Bundesverkehrswegeplan nach Klima-Kriterien überarbeiten.“ Die A26-Ost sei dabei der Bau, der pro Kilometer am meisten Geld koste und CO2 verursache. „Wir sollten uns deswegen von diesem Vorhaben verabschieden“, meinte der frühere Justizsenator.
Auch die von Senator Anjes Tjarks (Grüne) geführte Behörde für Verkehr und Mobilitätswende versicherte, sie stehe zu den im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekten und begleite diese konstruktiv. Behördensprecher Dennis Heinert verwies aber ebenfalls darauf, dass es sich um ein Projekt des Bundes handele und erklärte: „Daher liegt hier der Ball eindeutig beim Bund.“
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion wies den Vorstoß der Grünen mit deutlichen Worten zurück: „Ich kann verstehen, dass die Genehmigung des Kohleabbaus in Lützerath durch Bundesminister Robert Habeck die Grünen im Bund unter Zugzwang setzt. Es darf aber nicht sein, dass die Bundes-Grünen deswegen eine Anti-Hafenpolitik verfolgen und eine Phantomdebatte über die A26-Ost anstoßen“, erklärte Fraktionschef Dirk Kienscherf. Wer den Wirtschaftsstandort Hamburg beschädige, schade auch dem Klimaschutz. Nur aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus könne das Klima effektiv geschützt werden.
Die möglichen Alternativen zur A26-Ost seien gründlich geprüft worden, betonte Fraktionschef Dirk Kienscherf. „SPD und Grüne haben sich auch vor dem Hintergrund der Mobilitätswende und des Klimaschutzes im Koalitionsvertrag klar zu dem Projekt bekannt. Das gilt“, sagte Kienscherf.
Wirtschaftsverbände forderten den Senat auf, an dem Projekt festzuhalten. „Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist für die Wettbewerbsfähigkeit einer Industrie- und Handelsdrehscheibe von herausragender Bedeutung. Unser Standort kann nur florieren, wenn Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsräume gut miteinander vernetzt sind“, erklärte der Vorsitzende des Industrieverbands Hamburg, Matthias Boxberger. „Hamburgs Wirtschaft benötigt eine neue Köhlbrandquerung und die A26-Ost. Fahrzeuge, die im Stau stehen, statt Waren zu liefern, schaden Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen“, meinte der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Malte Heyne.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dennis Thering, kritisierte die Äußerungen von Lorenzen scharf: „Der Vorstoß der Grünen, den Bau der A26-Ost zu verhindern, ist erneut eine gezielte Provokation auf Kosten der Stadt.“ Er sei zudem scheinheilig, denn im Koalitionsvertrag hätten die Grünen dem Bau zugestimmt.
Die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann warf den Grünen vor, sie wollten ihr Umwelt-Image aufpolieren. „Doch eine echte Ablehnung der A26-Ost sieht anders aus - Lorenzens Bedenken sind nur ein hilfloses Rumeiern“, sagte die Verkehrspolitikerin. Statt die Entscheidung dem Bund zu überlassen, müssten die Grünen im Senat für die Rücknahme des Autobahnprojektes streiten.
Die A26-Ost soll die A7 vom Kreuz Hamburg-Hafen, das bereits für den Anschluss der A26-West im Bau ist, mit der A1 nahe der Raststätte Stillhorn verbinden. Zur 9,7 Kilometer langen Hafenpassage gehört eine neue große Brücke über die Süderelbe und ein 1,5 Kilometer langer Lärmschutztunnel im Stadtteil Wilhelmsburg. Das Projekt wird seit 2008 geplant. Der Planfeststellungsbeschluss für den ersten Abschnitt wird Mitte dieses Jahres erwartet. 2031 soll die Hafenpassage fertig sein. Die Kosten werden von der Bundesprojektgesellschaft Deges mit 1,85 Milliarden Euro veranschlagt.