Hamburg (dpa/lno). Obwohl der Flughafen Hamburg coronabedingt erst wieder zu rund 70 Prozent ausgelastet ist, hat die Zahl der für Anwohner besonders belastenden Nachtflüge den Vor-Pandemie-Wert bereits deutlich überschritten. Entsprechend stiegen auch die Beschwerden.

Mit der steigenden Zahl von Starts und Landungen am Hamburger Flughafen nimmt auch die Belastung durch Fluglärm deutlich zu. So stieg die Zahl der Flugbewegungen im vergangenen Jahr um knapp 40.000 zum Vorjahr auf 109.589, wie die Umweltbehörde am Freitag mitteilte. Einen überproportionalen Anstieg gab es demnach bei den für Anwohner besonders belastenden verspäteten Nachtflügen zwischen 23.00 und 24.00 Uhr. Hier sei mit 873 Verspätungen sogar das letzte Vor-Corona-Jahr 2019 übertroffen worden, in dem 678 verspätete Nachtflüge gezählt worden waren. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 waren es 65 beziehungsweise 116 Flüge.

Während die Fluglinien bis Mitternacht ohne spezielle Ausnahmegenehmigung starten und landen dürfen und die Gründe dafür nachträglich melden können, muss die Fluglärmschutzbeauftragte jeden Flug zwischen 0.00 Uhr und 6.00 Uhr vorab genehmigen. Im vergangenen Jahr waren dies nach Angaben der Umweltorganisation BUND rund 35. Im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 seien es noch 21 gewesen. Die Zahl der verspäteten Nachtflüge sei ab Mai auf ein ähnliches Niveau geklettert wie im Rekordjahr 2018, erklärte die Behörde. Im Juni, September und Dezember seien die Werte sogar noch übertroffen worden.

Entsprechend stieg auch die Zahl jener Bürger, die sich bei der Behörde über Fluglärm beschwerten, von 681 im Jahr 2021 auf 1541 im vergangenen Jahr. Sie gaben insgesamt 32.176 Beschwerden ab - ein Plus von knapp 10.000 zum Vorjahr. Knapp 22.000 Beschwerden wurden namentlich abgegeben.

Diese Entwicklung sei nur zum Teil in den durch den Ukrainekrieg bedingten Engpässen im Luftraum begründet, hieß es. „Neben den sogenannten Flugsicherungsproblemen waren vor allem die Personalengpässe beim Bodenpersonal an den Flughäfen, den Sicherheitskontrollen, den Crews der Fluggesellschaften sowie wetterbedingte Einschränkungen des Flugverkehrs maßgeblich.“ Airlines, Flughäfen und Flugsicherung seien nach zwei Jahren Pandemie nicht ausreichend auf die starke Nachfrage vorbereitet gewesen.

„Trotz einer Verkehrsauslastung von nur 70 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 schlägt der Hamburger Flughafen alle Rekorde beim Nachtflugverkehr“, kritisierte Hamburgs BUND-Vize Martin Mosel. Der Flughafen nehme in seinem Streben nach Wachstum keine Rücksicht auf die gesundheitliche Belastung der rund 250.000 vom Fluglärm betroffenen Menschen. Mosel klagte, dass die Politik trotz anderslautender Versprechen nichts dagegen unternehme. „Der Senat verfolgt zusammen mit dem Flughafen die alten Wachstumsbestrebungen von 2019 und davor, anstatt die Bevölkerung vor den Belastungen des innerstädtischen Flughafens schützen.“

Ähnlich äußerten sich die Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Während Corona wurde auch bei der Stadt Hamburg als Mehrheitseignerin des Flughafens auf Personalabbau gesetzt und wurden zum Teil auch Mindestlöhne unterschritten“, kritisierte der Linken-Umweltexperte Stephan Jersch. Das alles, um die Verluste für Hamburg und den privaten Mitbesitzer des Flughafens zu minimieren. Wenn der Senat den Flugverkehr in Hamburg aber als öffentliche Daseinsvorsorge begreife - was er ja mache - dann dürfe die Gewinnmaximierung auf Kosten der Beschäftigten und der Anwohnerinnen und Anwohner aber kein Unternehmensziel sein.

14.309 der rund 22.000 namentlichen Beschwerden kamen den Angaben zufolge aus Hamburg, der Rest aus dem Umland. Mit allein 6700 Beschwerden kamen den meisten aus dem Hamburger Stadtteil Poppenbüttel. Aus Norderstedt in Schleswig-Holstein hätten 76 Personen insgesamt 409 Beschwerden abgegeben. In jeder dritten Beschwerde sei die Störung der Nachtruhe beklagt worden.