Hamburg. Junge und jung gebliebene Rockröhren, Kinoperlen und literarischer Krach – Hamburgs beste Termine, für die es noch Karten gibt.

Vorfreuen, Vorglühen, Vorfeiern. Vorschauen und Zurückschauen. Das Jahr 2022 neigt sich zwar dem Ende zu, hat sich aber einige der besten Erlebnisse aus Rock, Pop, Kino, Jazz und Literatur für die Zeit vor den Weihnachtstagen aufgespart. Unsere Auswahl für die kommende Zeit.

KONZERT

Vollgas. Den Stiefel hart auf das Pedal geknallt, dass der Rost vom Bodenblech rieselt. Abteilung Attacke. Schon Udo Lindenberg dachte sich „Du knallst in mein Leben“, als er Deine Cousine alias Ina Bredehorn kennenlernte und prompt als feste Backgroundsängerin und Duettpartnerin aufnahm.

Die Hamburger Sängerin und ihre Band sind jedenfalls das Heftigste, was die Stadt unterhalb der Metalgrenze zu bieten hat, so mitreißend wie berührend. Nach dem Debütalbum „Attacke“ (2019) feierte Deine Cousine im September den größten Erfolg mit dem Nachfolger „Ich bleib nicht hier“ – Platz 12 in den Charts. Am 23. Dezember ist Platz für Rabatz in der Markthalle.

Deine Cousine Fr 23.12., 20.00, Markthalle (U Steinstraße), Klosterwall 11, Karten zu 31,20 im Vorverkauf; www.deinecousine.de

KINO

Am Heiligabend ist ja auch nicht mehr sooo viel los in der Kulturszene: Eine Ausnahme macht traditionsgemäß das Abaton. Dort gibt es eine Heiligabend-Preview. Gezeigt wird der von Aro Lehmann geschriebene und inszenierte Film „Was man von hier aus sehen kann“, eine Tra­gikomödie, die in einer Dorfgemeinschaft spielt und eigentlich erst am 29. Dezember in die Kinos kommt. Es spielen Corinna Harfouch, Karl Markovics und Luna Wedler.

 „Was man von hier aus sehen kann“ läuft im Abaton. rank Dicks.
„Was man von hier aus sehen kann“ läuft im Abaton. rank Dicks. © © studiocanal GmbH/ Frank Dicks | © Frank Dicks

Die Romanvorlage von Mariana Leky war ein Bestseller. Lehmann führte vorher schon bei „Das schönste Mädchen der Welt“ Regie. Es geht um Familie, Liebe und Verlust. Hoffentlich bleibt Kinochef Felix Grassmann ein vergleichbares Erlebnis wie seinem Vater und Vorgänger Werner erspart. Der hatte vor einigen Jahren mal an diesem Tag Kinder zu Gast im Kino, die ihre Eltern lange vergessen hatten, wieder abzuholen.

„Was man von hier aus sehen kann“ Sa 24.12., 20.45, Abaton (Bus 4, 5), Allende-Platz 3, Karten 9,50; www.abaton.de

KONZERT

Noch mal kurz zurück zu Ina Bredehorn alias Deine Cousine: Wenn man so willl, trägt sie die Fackel weiter, die in den 60er- und 70er-Jahren von Inga Rumpf entzündet wurde. Rumpf war – und – ist eine der wichtigsten und prägnantesten Stimmen in Deutschland, die dem jeweiligen musikalischen Zeitgeist von Folk über Blues, Soul und Hardrock mit den City Preachers, Atlantis, Frumpy und als Solistin einen gewaltigen Stempel aufgedrückt hat.

Sängerin Inga Rumpf schrieb mit den City Preachers, Atlantis, Frumpy und als Solistin  seit den 60er-Jahren Musikgeschichte.
Sängerin Inga Rumpf schrieb mit den City Preachers, Atlantis, Frumpy und als Solistin seit den 60er-Jahren Musikgeschichte. © Jim Rakete

Und das wohlgemerkt in einer Zeit, als Frauen am Mikro leider noch eine Ausnahme waren. Power, Ausdruck, Ausstrahlung vermittelt sie im Übermaß in Songs wie „How The Gipsy Was Born“. Mit dem neuen Album „Universe Of
Dream“­ lädt sie am 17. Dezember zu „Inga Rumpf & Friends“ in die Fabrik, und zu diesen Freundinnen und Freunden gehört an diesem Abend auch Deine Cousine. Passt perfekt.

Inga Rumpf & Friends Sa 17.12., 20.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Karten zu 33,- im Vorverkauf; www.fabrik.de

KONZERT

Was düsteren, harten Rock betrifft, ist in Hamburg nicht allzu viel Nennenswertes entstanden. Eine der großen Ausnahmen ist allerdings seit 2009 Lord Of The Lost. Mastermind Chris Harms, der als Songschreiber und Produzent seine endlose Kreativität zahlreichen weiteren Künstlern wie Joachim Witt, Ferris und sogar Nino de Angelo widmet, hat sich mit seiner Band schnell die schwarzen Herzen vieler Fans erspielt und mit dem aktuellen Album „Judas“ (2021) den zweiten Platz in den Charts erreicht.

Chris Harms, Kopf der Hamburger Band Lord Of The Lost.
Chris Harms, Kopf der Hamburger Band Lord Of The Lost. © IMAGO/Dirk Jacobs | imago stock

Ein guter Grund, ein wahres „Lordfest“ am 17. Dezember in der edel-optics.de Arena in Wilhelmsburg zu feiern. End Of Green, Aesthetic Perfection und Tag My Heart sind an diesem Abend mit von der Party. Wer sich also schon im Dezember auf das nächste M’era Luna Festival im August in Hildesheim einstimmen will, kann beim Lordfest ins Dunkel tauchen.

Lordfest 2022 Sa 17.12., 18.15, edel-optics.de Arena (S Wilhelmsburg), Kurt-Emmerich-Platz 10–12, Karten ab 45,85 im Vorverkauf; www.lordofthelost.de

KINO

Er ist unter den Komponisten für Filmmusik einer der ganz Großen: Ennio Morricone („Lolita“, „Zeit des Zorns“, „Das Phantom der Oper“). Höchste Zeit, dass ihm mal jemand einen Dokumentarfilm widmet. Sein Freund und Landsmann Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso“) ist dafür natürlich genau der Richtige, denn beide waren fast 40 Jahre lang befreundet.

Kurz nach der Fertigstellung des Films, der am 22. Dezember regulär in die Kinos kommt, ist Morricone im Alter von 91 Jahren gestorben. Die Ehre erweisen ihm in dieser Doku auch Bruce Spring­steen, Joan Baez und Hans Zimmer. Am Dienstag, 27.12., kommt Morricone-Experte Christoph Dallach um 16.15 Uhr ins Zeise.

„Ennio Morricone - Der Maestro“ So 18.12., 11.00, Zeise (S Altona), Friedensallee 7–9, Karten 9,50; www.zeise.de

WEIHNACHTSKONZERT

Die Jazzrausch Bigband spielt  Weihnachtliches.
Die Jazzrausch Bigband spielt Weihnachtliches. © Georg Stirnweiß

Das war schon spektakulär, als die Jazzrausch Bigband im vergangenen August ihrem Namen alle Ehre machte und den Großen Saal der Elbphilharmonie für anderthalb Stunden in einen rauschenden Techno-Club verwandelte. Klar, dass das begeisterte Publikum in den Gängen tanzte – Partystimmung pur. Ein wenig besinnlicher dürfte es am 19. Dezember zugehen, wenn die Jazzrausch Bigband der Laeisz­halle einen Besuch abstattet.

Dann lautet das Motto „Alle Jahre wieder“ und Weihnachtslieder stehen auf dem Programm. Doch wer die Truppe kennt, weiß: In die Kitschkiste wird da nicht gegriffen, sondern abermals für viel gute Laune gesorgt. Mit Klassikern wie „Tochter Zion“ und „Ihr Kinderlein kommet“ in ganz neuen, so mitreißenden wie melodieverliebten Versionen.

Jazzrausch Bigband: „Alle Jahre wieder“ Mo 19.12., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten ab 20,42 im Vorverkauf; www.elbphilharmonie.de

LESUNG

„Barmbek ist eine passive Aggression“ ist der Chef-Slogan in „Vorglühen“, dem gemeinsam von Rasmus Engler und Jan Müller verfassten Poproman. Ein ganz eigenes Musikbuch des Jahres, in dem es um die Eroberung von St. Pauli und der Subkultur geht, ums Musikerwerden und, natürlich, ums Jungsein.

„Vorglühen“ ist außerdem ein hochtouriger Hamburg-Roman, der mit trockenem Witz (man denkt beim Lesen an Sven Regener) und dennoch ernsthaft eine Entwicklungsgeschichte erzählt, die in Hamburgs Indieszene in den 90er-Jahren spielt: Die des Taugenichts Albert Bremer, der, statt sein Studium zu beginnen, lieber Gitarre spielt. Wird ’ne spaßige Lesung, versprochen, denn in diesem Buch wird hart gesoffen, hart gerockt und sanft geliebt.

Rasmus Engler und Jan Müller: „Vorglühen“ Lesung So 18.12., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Karten 20,- ; www.uebelundgefaehrlich.com

KINO

Der kurdischstämmige Khalil lebt als Grundschullehrer in Berlin. Freundin Leyla zeigt ihm Kriegsvideos aus seiner türkischen Heimat. Sie rauben ihm die Ruhe, denn er meint, seine Schwester darin als Videoaktivistin zu erkennen. Aber sie ist angeblich tot. Er bittet die Kurden in Berlin um Hilfe. Die wollen als Gegenleistung, dass er die Kriegsvideos in deutschen Nachrichtensendungen unterbringt.

Aber die Medien sind nicht interessiert. Also fangen Khalil und Leyla an, die Videos zu manipulieren. Der Konflikt erreicht am Ende auch seine Schulklasse in Berlin. Es dürfte interessant sein, mit Regisseur Florian Hoffmann über seinen ab zwölf Jahren freigegebenen Film „Stille Post“ zu sprechen, denn er beruht auf wahren Begebenheiten. Am Dienstag kommt er ins Zeise.

„Stille Post“ Di 20.12, 19.30, Zeise (S Altona), Friedensallee 7-9, Karten 9,50; www.zeise.de

KLASSIK

„Boulangerie“, also „Bäckerei“, ist der Untertitel des Gesprächs- und Konzertabends am 20. Dezember in der Elbphilharmonie mit Matthias Pintscher und dem Boulanger Trio. Das klingt vielleicht etwas bemüht, aber die Kombination von traditioneller Kammermusik mit modernen Klängen hat schon was. Dirigent Pintscher und das Boulanger Trio präsentieren und besprechen Robert SchumannsKlaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63 sowie Pintschers Kompositionen „la linea evocativa“ und „Profiles of Light“.

Matthias Pintscher & Boulanger Trio Di 20.12., 19.30, Elbphilharmonie, Kleiner Saal (U Baumwall), Platz der Deutschen Einheit, Karten ab 14,- im Vvk.; elbphilharmonie.de