Hamburg (dpa/lno). Udo Lindenberg würde gern als Ballett-Intendant seine Tanzkünste verfeinern, während Ballett-Chef John Neumeier am liebesten John Neumeier ist - diese und weitere Erkenntnisse brachte das erste Ehrenbürger-Treffen im Hamburger Rathaus.
Ob Kunst, Kultur, Bildung oder sozialer Zusammenhalt in Hamburg - kaum ein Thema, dass die Kinderbuchautorin Kirsten Boie, der Unternehmer und Mäzen Michael Otto, Hamburg Ballett-Intendant John Neumeier und Panik-Rocker Udo Lindenberg auslassen. Auf Einladung des Übersee-Clubs diskutierten die Hamburger Ehrenbürger am Dienstagabend im Rathaus über die Zukunft der Stadt. Er sei „als kleiner Trommler nach Hamburg gekommen“, sagte Lindenberg. Nun sei er der erste Rock'n'Roller auf der langen Ehrenbürgerliste - „und der zweite Musiker nach Johannes Brahms“.
Ebenso wie der Übersee-Club in seiner 100-jährigen Geschichte wirkten auch die Ehrenbürger in zwei Richtungen, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der mehrere hundert Club-Gäste und die Teilnehmer der Diskussionsrunde im Großen Festsaal des Rathauses empfing. „Sie haben eine herausragende Bedeutung für Hamburg und eine Strahlkraft weit darüber hinaus.“ Das Ehrenbürger-Treffen fand im Rahmen der 100-Jahr-Feierlichkeiten des Übersee-Clubs statt.
Die vier Ehrenbürger seien unterschiedliche Persönlichkeiten, sagte Club-Präsident Michael Behrendt. Allerdings eine sie, sich Gedanken über die Stadt zu machen, dabei weit über den eigenen Tellerrand zu schauen und Initiativen anzustoßen. „Doch was passiert wenn sie es gemeinsam tun? Das war die Idee, die wir vor über einem Jahr im Club für dieses erste Ehrenbürger-Treffen gehabt haben“, sagte er.
Als Wirtschaftsstandort habe Hamburg eine lange Tradition, sagte der Unternehmer und Ehrenbürger Michael Otto. Dass mit Boie, Lindenberg und Neumeier jetzt gleich drei der fünf noch lebenden Ehrenbürger aus der Kultur kommen, zeige, welche Entwicklung die Stadt genommen habe. „Im Laufe der Jahre ist Hamburg eine Kulturstadt geworden - ist jetzt eine Kulturmetropole.“
Ginge es nach Lindenberg, könnte man „immer mehr Menschen aus der Kultur hinzufügen in den bunten Reigen der Ehrenbürger“. Er erinnerte daran, dass die Stadt schon den Beatles als Sprungbrett für die Weltkarriere gedient habe. „Hier von Hamburg ging immer viel Musik aus.“ Auch mit dem Reeperbahnfestival, „eines der bedeutendsten Rock- und Popfestivals“, werde dies besonders deutlich.
Alle vier Ehrenbürger betonten die Chancen einer von Kultur und Wissenschaft geprägten Hafen- und Handelsstadt wie Hamburg, mahnten aber auch, dass die soziale Schere nicht weiter aufgehen dürfe. Wichtig für Zusammenhalt und Teilhabe sei die Bildung, waren sie sich einig.
Die soziale Herkunft entscheide häufig darüber, ob die Menschen sich die Angebote der Stadt zunutze machen könnten. „Es gibt viele, viele Menschen, die kennen eigentlich nur ihren Stadtteil“, sagte Boie. Die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und Eintrittspreise schreckten sie ab. „Das ist ganz schwierig, das zu verändern und sie da rauszuholen.“
Am Ende des Abends stand die Frage des Moderators, wer von den Vieren gerne mal für einen Tag in die Rolle eines anderen Ehrenbürgers schlüpfen wolle. Boies Wahl fiel auf den Mäzen Michael Otto, denn es gebe da noch einige wichtige Projekte zu finanzieren. Otto hingegen bekundete, gern einmal als Rocker auf der Bühne stehen zu wollen. Wenig Tauschinteresse zeigte John Neumeier: „Wenn ich einer von den anderen wäre, wäre ich nicht so gut“, meinte er.
Udo Lindenberg hatte da weniger Berührungsangst: „Ich tanze ja schon ein bisschen - man nennt mich ja nicht nur die Nachtigall, sondern auch die Gazelle auf der Bühne“. Seine Wahl zum Rollentausch wäre deshalb John Neumeier, um herauszufinden, „wie ich meine Tanzkunst noch ein bisschen attraktiver gestalten könnte“.