Hamburg. Lobbyregister soll Einflussnahme von Wirtschaft und Verbänden transparent machen. Was der Entwurf von „Mehr Demokratie“ vorsieht.

Wenn Regierungen wichtige Entscheidungen fällen oder Parlamente Gesetze beschließen, wollen dabei oft nicht nur Ministerien, Behörden und Abgeordnete mitreden. Auch Vertreter großer Interessengruppen etwa aus der Wirtschaft versuchen regelmäßig Einfluss auf die Politik zu nehmen, um diese in ihrem Sinne zu verändern. Geschieht dies ohne Wissen der Öffentlichkeit, kann schnell der Eindruck undurchsichtiger Absprachen entstehen – oder gar von Korruption.

Um dies zu verhindern, hat der Bund zu Jahresbeginn ein „Lobbyregister“ eingeführt, auch in einigen Bundesländern gibt es bereits solche öffentlichen Verzeichnisse. Ein Lobbyregister ist eine offen einsehbare Datenbank. Dort müssen sich etwa Verbände, Agenturen, Vereine oder Unternehmen eintragen, die versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen, also „Lobbyismus“ betreiben.

„Hamburg wird Vorreiter: Wir wollen das beste Lobbyregistergesetz.“

Bereits im Juni hatte der Verein „Mehr Demokratie“ ein solches Register auch für Hamburg vorgeschlagen – und dafür viel Zuspruch aus der Bürgerschaft bekommen (Abendblatt berichtete). Passiert ist aus Sicht des Vereins aber bisher in der Sache so gut wie nichts.

„Die Fraktionen in der Bürgerschaft lassen keinerlei Aktivitäten erkennen, deswegen wollen wir nun zusammen mit Transparency Deutschland einen Entwurf für ein Hamburger Lobbyregistergesetz erarbeiten“, sagte „Mehr-Demokratie“-Vorstand Bernd Kroll dem Abendblatt. „Unser Ziel ist es nicht, irgendein Lobbyregistergesetz für Hamburg zu haben, sondern das beste Lobbyregistergesetz, sprich: Wir wollen wieder die Vorreiterrolle übernehmen.“ Einen ersten Entwurf haben die Vereine bereits erarbeitet.

Wer als Lobbyist Kontakt zur Politik aufnimmt, muss sich erst ins Register eintragen

Als „Interessenvertretung“ gilt demnach „jede Tätigkeit zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf die legislative oder exekutive Ausarbeitung oder Beratung politischer oder gesetzgeberischer Vorhaben oder auf Willensbildungsprozesse der Legislative oder der Exekutive“ – also von Bürgerschaft oder Senat.

Wer als mit dem Ziel der Inter­essenvertretung Kontakt zu Abgeordneten, Fraktionen oder deren Mitarbeitern aufnehmen will, muss sich vorher in ein öffentlich einsehbares Lobbyregister eintragen – und dabei auch offenlegen, ob er in den vorherigen Jahren politisch tätig war und für welches Unternehmen, welche Organisation oder welchen Staat er Lobbyarbeit betreibt. Auch müssen die finanzielle Aufwendung für diese offengelegt werden. Dasselbe soll für die Aufnahme von Kontakten zu Senatoren, Staatsräten, aber auch etwa zu Amts-, Abteilungs-, Referats- oder Bezirksamtsleitern gelten.

„Affären der letzten Zeit haben gezeigt, wie schädlich Lobbyismus sein kann“

„Es gehört zum Wesen einer funktionierenden Demokratie, dass Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Vereine (wie Mehr Demokratie e. V.) sowie Unternehmen ihre Interessen gegenüber der Politik artikulieren können“, so Kroll. „Findet Interessenvertretung jedoch intransparent oder gar ausschließlich hinter verschlossenen Türen statt, stellt dies eine Gefahr für unsere Demokratie dar.“ Vor allem die „Einflussnahme von finanzstarken Akteuren kann entscheidenden Einfluss auf die Gesetzgebung haben, ohne dass dies für uns als Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar ist“, so der Vereinsvorstand.

Auch Ulrike Fröhling von Transparency International betont: „Die Lobbyaffären der letzten Zeit haben aufgedeckt, welch schädliche Einflüsse Lobbyismus hat – nicht nur finanziell, sondern auch auf unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir fordern deshalb ein umfassendes Lobbygesetz, das neben einem Lobbyregister auch die konkreten Einflüsse der Lobbyisten transparent macht.“

SPD-Justizpolitiker warnt vor „Überbürokratisierung“

Zudem müssten „Verhaltensregeln für Lobbyisten festgelegt werden, deren Einhaltung von einem Lobby-Beauftragen kontrolliert wird“. Zunächst wollen die Initiatoren ihren Entwurf zur Diskussion stellen. Noch hoffe man auf die Zusammenarbeit mit der Bürgerschaft, so Kroll. „Wenn die Fraktionen sich aber nicht bewegen, werden wir, wie beim Transparenzgesetz, eine Volksinitiative starten.“

SPD-Rechtspolitiker Urs Tabbert betont, dass der Arbeitskreis Justiz seiner Bürgerschaftsfraktion bereits prüfe, welche Teile des Bundeslobbyregistergesetzes sich auch für Hamburg eigneten. Es gebe ein „legitimes Informationsinteresse darüber, welche Interessenverbände auf ein Gesetzgebungsvorhaben Einfluss genommen haben“, so Tabbert. „Allerdings darf die Handlungsfähigkeit von Legislative und Senat im Gesetzgebungsverfahren auch nicht überbürokratisiert werden.“

Diese Volksinitiativen sind in Hamburg aktiv

Auf Landesebene sind in Hamburg derzeit sieben Volksinitiativen aktiv. Das teilte das Landeswahlamt auf Abendblatt-Anfrage mit. Offiziell zustande gekommen ist eine Volksinitiative, wenn sie beim Senat angezeigt wurde und innerhalb von sechs Monaten 10.000 Unterstützer-Unterschriften vorgelegt hat. Dann kann sie im nächsten Schritt ein Volksbegehren anmelden, bei dem rund 65.000 Unterschriften binnen drei Wochen gesammelt werden müssen. Gelingt auch das, kann es zum Volksentscheid kommen.

Das sind die sieben Initiativen:

  •  „Hamburg Enteignet“ will nach Berliner Vorbild die Wohnungsbestände großer Immobilienunternehmen „in Gemeineigentum“ überführen. Die Ini wurde am 15. September 2022 bei der Senatskanzlei angezeigt. Laut ihrer Homepage hat sie bislang 8056 Unterschriften gesammelt.
  • „Hamburg Werbefrei“ wendet sich gegen Werbung im öffentlichen Raum. Die Initiative hat Ende Oktober gut 15.000 Unterschriften vorgelegt und ist laut Senat zustande gekommen.
  • „Rettet Hamburgs Grün – Klimaschutz jetzt!“ will Grün- und Landwirtschaftsflächen ab einem Hektar vor Bebauung und Versiegelung schützen. Die nötigen 10.000 Unterschriften liegen seit Januar vor, das Volksbegehren wurde im Mai beantragt. Der Senat lässt derzeit die Verfassungsmäßigkeit der Initiative prüfen.
  • „Volksinitiative gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“ ist seit Januar zustande gekommen, das Volksbegehren wurde im Mai beantragt. Auch hier hat der Senat das Verfassungsgericht angerufen. 
  • „Hamburg soll Grundeinkommen testen!“ fordert einen Modellversuch, in dem Testpersonen für mehrere Jahre von einem bedingungslosen Grundeinkommen leben. Die Initiative ist schon 2020 zustande gekommen und hat ein Volksbegehren beantragt. Auch hier wird zunächst die Verfassungsmäßigkeit geprüft.
  • „Keine Profite mit Boden & Miete!“: Die beiden Volksinitiativen unter diesem gemeinsamen Motto  waren 2020 zustande gekommen. Sie haben sich kürzlich mit SPD und Grünen auf einen Kompromiss geeinigt und sollen eingestellt werden, sobald dieser von der Bürgerschaft beschlossen ist