Hamburg (dpa/lno). Hamburgs scheidender Wirtschaftssenator Michael Westhagemann ist mit sich und der Politik des rot-grünen Senats eigentlich zufrieden. Die Opposition sieht das naturgemäß anders und nutzt sein Ausscheiden zur Generalabrechnung mit der rot-grünen Politik.
Mit Dank, langem Applaus und heftiger Kritik der Opposition an der Hafen- und Wirtschaftspolitik des rot-grünen Senats hat die Hamburgische Bürgerschaft Wirtschaftssenator Michael Westhagemann verabschiedet. Der parteilose Senator scheidet Mitte Dezember auf eigenen Wunsch und nach gesundheitlichen Problemen aus dem Senat aus.
Vertreter von CDU, Linken, AfD und FDP kritisierten am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde, dass Westhagemann der Rückhalt im rot-grünen Senat gefehlt habe. SPD und Grüne warfen der Opposition vor, den aus privaten Gründen erfolgten Rückzug politisch zu instrumentalisieren.
Der Senator selbst zog in einer emotionalen Rede eine positive Bilanz seiner vierjährigen Amtszeit: „Ich glaube, wir haben viel erreicht“. Er verwies unter anderem auf Klimaschutz und Klimaanpassung, erneuerbare Energien inklusive Wasserstofftechnologie sowie die Digitalisierung. „In einem Jahr wird der erste Quantencomputer aus Hamburg an den Start gehen“, sagte Westhagemann. „Das ist Leuchtturm und Benchmark.“ Und auch für den Hafen zeigte er sich sicher: „Wir werden diesen Hafen zu einem Leuchtturm entwickeln.“
CDU-Fraktionschef Dennis Threring dankte Westhagemann für seine Verdienste. „Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Sie sich häufiger gegen die wirtschaftsfeindliche Politik von SPD und Grünen hier im Rathaus durchgesetzt hätten.“ Als Beispiel nannte er die im Senat kontrovers diskutierte Wiederinbetriebnahme des Kohlekraftwerks Moorburg, die Errichtung eines LNG-Terminals im Hafen und die Elbvertiefung. Rot-Grün sei in der Hafenpolitik tief zerstritten und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zeige sich führungsschwach. „Der Hamburger Hafen bedeutet für unsere Stadt Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft“, mahnte Thering. „Dass SPD und Grüne beim Hamburger Hafen weiter nicht zusammenfinden, ist für die Stadt ein großes Problem.“
Der Hafenexperte der Linken, Norbert Hackbusch, kritisierte insbesondere die Schlickprobleme in der Elbe. „Die Elbvertiefung ist nicht nur gescheitert, die gesamte Hafenpolitik ist gescheitert“, konstatierte er. Seit vielen Jahren verspreche der Senat ein vernünftiges Sedimentmanagement. „Nichts ist davon da.“ Auch die prognostizierte Steigerung der Tonnagemenge beim Umschlag im Hafen sei nicht erreicht worden. „Sie haben versagt. (..) Ihre Versprechen sind falsch“, sagte Hackbusch.
Er habe Westhagemann bei dessen Amtsantritt als einzigen Leuchtturm im Senat bezeichnet, erinnerte sich AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. „Und ich habe das bis heute keinen Tag bereut.“ Dass er nun ausscheide, sei ein schwerer Verlust, den Bürgermeister Tschentscher mitzuverantworten habe, weil er seinen Senator nicht in seiner Arbeit gegen konträre Pläne der Grünen unterstützt habe.
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein dankte Westhagemann dafür, dass er die Interessen der Wirtschaft immer klar vertreten habe - „leider mit immer weniger Rückhalt im Senat“.
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf wies die Darstellung einer in der Wirtschaftspolitik zerstrittenen Koalition, die den Hafen vernachlässige, zurück. „Über 740 Millionen Euro werden in den nächsten Jahren investiert, um den Hafen voranzubringen und die Industrie voranzubringen“, sagte er. Und bei der Elbvertiefung sei nicht der Hamburger Senat gescheitert. „Der Bund ist gescheitert, er stellt nicht die personellen Ressourcen zur Verfügung.“
Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen machte frühere Bundesregierungen für das Schlickproblem verantwortlich. „Die Elbvertiefung haben Sie doch versenkt“, sagte er an die Adresse der CDU. „Das ist doch das Erbe unionsgeführter Bundesverkehrs- und Wirtschaftsministerien. (...) Rot-Grün, auch Grün, steht in Hamburg dafür, dass dieser Hafen schiffbar bleibt“, sagte er.
Westhagemann scheidet am 15. Dezember aus dem Amt. Ihm soll nach dem Willen Tschentschers die bisherige Sozialsenatorin und SPD-Landesvorsitzende Melanie Leonhard nachfolgen.