Hamburg. Der Abendblatt-Podcast „Blaulicht“ erinnert an die Entführung des Hamburger Millionenerben. Warum die Medien damals schwiegen.

Es war eine Entführung, die eine Familie und Hamburgs Polizei 33 Tage in Atem hielt. Während Ermittler fieberhaft versuchten, Jan Philipp Reemtsma zu finden und dabei mehrere Geldübernahmen scheiterten, schrieben die Zeitungen keine einzige Zeile über das Verbrechen.

Erst als der Millionenerbe von den Tätern freigelassen wurde, endete die Nachrichtensperre. Sein Sohn Johann Scheerer verarbeitete die Erlebnisse in seinem Buch „Wir sind dann wohl die Angehörigen“, das verfilmt wurde und nun ins Kino kommt. Im Podcast „Blaulicht“ erinnert sich Abendblatt-Polizeireporter André Zand-Vakili an die Tage im Frühjahr 1996.

Reemtsma-Entführung: Täter forderten Lösegeld

Am 25. März gegen 20.20 Uhr war Jan Philipp Reemtsma auf dem Weg von seinem Arbeitshaus zu seinem zwei Gebäude entfernt liegenden Wohnhaus gekidnappt worden. Die Entführer brachen ihm dabei die Nase. Stunden später bemerkte seine Lebensgefährtin die Tat. Die Täter hatten einen Brief mit der Forderung über 20 Millionen Mark zurückgelassen, der mit einer scharfen Handgranate beschwert war. Später erhöhten die Täter ihre Forderung auf über 30 Millionen Mark, die Hälfte davon in Schweizer Franken.

Zwei Tage später der erste Kontakt. Die Entführer schickten einen Brief mit einem Polaroidfoto, das Reemtsma mit einer aktuellen Zeitung in der Hand zeigt, während er mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr bedroht wird. Auch dort wird – wie schon im am Entführungsort zurückgelassenen Schreiben – darauf hingewiesen, dass Reemtsma beim Einschalten der Polizei oder der Presse getötet werde.

Reemtsma-Entführung: Medien früh informiert

Der damalige Pressesprecher der Polizei Werner Jantosch – er wurde später Polizeipräsident – hatte die Redaktionen der wichtigen Medien der Stadt aufgesucht, sie über den Fall informiert und um absolutes Stillschweigen gebeten. Es wurde eingehalten, während im Hintergrund Sonderausgaben vorbereitet wurden.

Dass die Medien frühzeitig informiert wurden, war schon aus einem Grund unumgänglich: Die Entführer ließen die Kommunikation über eine Tageszeitung laufen. In Anzeigen signalisierten die Angehörigen ihre Zahlungsbereitschaft.

Reemtsma-Entführung: Geldübergabe erfolgte am 25. April

Nach zwei gescheiterten Versuchen kam es am 25. April bei Krefeld zur Geldübergabe. Überbringer der 30 Millionen Mark waren der Pastor Christian Arndt und der Professor Lars Clausen, die zum engeren Freundeskreis von Reemtsma gehörten. Reemtsma selbst wurde einen Tag später kurz vor Mitternacht in einem Wald südlich von Harburg ausgesetzt.

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Vier Wochen später konnte die Polizei den ersten Tatbeteiligten identifizieren. Er hatte bei der Familie angerufen, die Tonbandaufnahme mit seiner Stimme war veröffentlicht worden. Er wurde 1996 mit einem zweiten Mittäter in Spanien verhaftet. Auch das Versteck in Garlstedt konnte dank Reemtsmas präziser Beschreibungen gefunden werden. Als Haupttäter wurde Thomas Drach ermittelt. Er wurde 1998 in Argentinien verhaftet und im Jahr 2000 ausgeliefert. 2013 kam er frei. Doch derzeit steht er in Köln wieder vor Gericht – wegen versuchten Mordes und schweren Raubes. Vom Lösegeld bleibt etwa die Hälfte bis heute verschwunden.

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