Eigentlich ist sie Tierärztin, nun kämpft sie gegen das Aussterben bestimmter Arten. Hier erzählt Hannah Emde (30) von ihrer Arbeit.
Sie hat sich in einem Buch einmal so vorgestellt: „Ich heiße Hannah, wohne in Hamburg, wenn ich nicht gerade in den Dschungeln unserer Erde arbeiten darf. Ich esse gern Reis, mag keine Spinnen und freue mich über jede warme Dusche.“
Hannah Emde ist eigentlich Tierärztin, ist aber in den vergangenen Jahren vor allem als Artenschützerin unterwegs gewesen. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht sie über ihre Arbeit, die Gefahren des Artensterbens – und über ihren Hamster ... Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider
Das sagt Hannah Emde (30) über ...
… die Frage, warum sie in Hamburg lebt, obwohl sie am liebsten im Dschungel unterwegs ist:
„Jeder Mensch braucht Wurzeln, dann ist es leichter zu gehen, wenn man weiß, dass man immer wieder zurückkommen kann. Ich spüre einen Auftrag, all das, was ich in der Natur erlebe, in die Städte zurückzubringen. Hier möchte ich mit jungen und erwachsenen Menschen über meine Erlebnisse sprechen und mit ihnen die Schönheit der Natur und der Tiere teilen. Die jungen Menschen haben noch so viel Hoffnung und Engagement , um die Welt ein Stück besser zu machen. Deshalb macht es mir viel Freunde, mit ihnen über den Artenschutz zu sprechen. Die wollen am Ende meiner Vorträge alle selbst Artenschützer/-innen werden, weil sie merken, dass sie ihre Zukunft doch noch selbst in der Hand haben.“
… Artenschutz:
„Die Arten- und Biodiversitätskrise ist genauso gefährlich wie die Klimakrise. Wir müssen verstehen, dass alle Arten auf der Welt voneinander abhängen. Es ist ein großes miteinander verbundenes Netz. Wenn einzelne Arten aussterben, kann das zu großen Problemen im ganzen Ökosystem führen, weil sie etwa eine wichtige Rolle in der Nahrungskette gespielt haben. Plötzlich haben andere Tiere nichts mehr zu fressen. Oder umgekehrt: Eine Art, die am Beginn einer Nahrungskette steht, stirbt aus, was dazu führt, dass all die anderen Arten, die sie bisher gefressen hat, sich ungebremst ausbreiten können. Dadurch entstehen Ungleichgewichte, die auch uns Menschen gefährlich werden können, weil wir in diesem System der Biodiversität am Ende eben auch nur eine Art sind, die andere Arten wie Nahrungspflanzen zum Überleben brauchen. Ohne Insekten keine Früchte. In manchen Ländern wird schon versucht, Kirschblüten per Hand und mit kleinen Pinseln zu bestäuben, weil es dort keine Bienen mehr gibt. Momentan ist eine Million Arten vom Aussterben bedroht.“
… ihren Einsatz gegen das Artensterben und was jeder Einzelne tun kann:
„Meine Hauptaufgabe ist es, die Bedeutung der Biodiversität zu erklären. Ich erzähle, weshalb Arten bedroht sind und was wir dagegen machen können. Das fängt beim Einkaufen im Supermarkt an, geht über die Herkunft meiner Lebensmittel und bis zu der Frage, wie viel Fleisch ich esse. Denn Futtermittel etwa für Schweine werden zum Beispiel vielfach im Regenwald angebaut, in denen nur dafür große Flächen abgeholzt werden. Je mehr Fleisch gegessen wird, desto mehr Teile des Regenwaldes werden gerodet, mit all den Folgen für Arten und das Klima, über die wir seit vielen Jahren sprechen. Ich versuche als Tierärztin zudem, Schutz- und Forschungsprojekte weltweit zu unterstützen, unter anderem mit meinem Hamburger Verein „Nepada Wildlife“. Ich untersuche dann zum Beispiel Tiere oder helfe dabei, sie mit Sendern auszustatten. Dafür müssen wir sie betäuben, und dies geschieht in der Regel mit einem Blasrohr und Betäubungspfeilen. Während der Narkose überwache ich den Gesundheitszustand. Ich helfe dabei, das Leben von bedrohten Arten zu verstehen, um daraus ableiten zu können, wie wir sie nachhaltig schützen können.“
… Frauen im Dschungel:
„Ich habe in den vergangenen zehn Jahren die Erfahrung gemacht, dass ich auf den abgelegenen Forschungsstationen in den Wäldern meist die einzige Frau bin. Ich habe mich dort trotzdem immer sicher gefühlt, sicherer als in einer Großstadt. Und gegenüber den Männern, die im Dschungel mit mir arbeiten, werden ganz klar Grenzen abgesteckt, die wissen, wer ich bin und was ich mache. Außerdem habe ich die Betäubungspfeile ...
… ihren Hamster, den sie
im Wohnzimmer seziert hat:
„Ich habe Tiere schon immer sehr geliebt, das begann bei Schnecken und endete bei unserem Dackel. Aber dabei ist es nicht geblieben, ich wollte sie schon als Kind immer auch verstehen und erforschen. Als mein geliebter Hamster gestorben ist, damals war ich in der 6. Klasse, habe ich ihn mit einem kleinen Skalpell bei uns im Wohnzimmer aufgeschnitten, um herauszufinden, woran er denn gestorben ist, ich wusste damals schon, dass ich Tierärztin werden wollte.“
… tote Tiere im WG-Kühlschrank:
„Ich habe in einer Wohngemeinschaft mit sieben anderen Tierärztinnen gelebt, in der es ganz normal war, dass wir Tiere, die wir sezieren mussten, im Kühlschrank aufbewahrt haben.“
… den Hype um die Nachhaltigkeit:
„Ich finde es ganz schwierig, wenn es dogmatisch wird und man ganz krass gesagt bekommt, wie man zu leben hat. Ich bin eine ganz schlimme Klimasünderin durch die Langstreckenflüge in den Dschungel, das ist furchtbar, und damit habe ich ein Problem. Aber ich kann sonst meine Arbeit nicht machen und versuche, durch Ausgleichszahlungen und meine Aufklärungstätigkeit all das zu kompensieren. Die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit finde ich aber sehr sinnvoll. Nachhaltigkeit verbindet die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen miteinander. Es geht schlicht und einfach darum, diese Welt und das Leben im Gleichgewicht zu halten. Das heißt, wir nutzen die Natur und die Umwelt nur bis zu einem Grad, sodass sie sich immer wieder erholen kann. “
Der Podcast mit Hannah Emde:
Fragebogen: Was Hannah Emde von Barack Obama wissen will
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
„Tiereztin“ steht schon in meinem „Wilde Hühner“-Freundebuch aus der Grundschule. Tierärztin zu werden war also schon immer mein Traum. Die Tierliebe begann bei mir sehr früh mit unserem Familiendackel und den Schnecken im Garten. Aber ich wollte mehr als nur streicheln, sondern alles über Tiere lernen und erforschen.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
„Wenn wir nichts von dir hören, wissen wir, dass es dir gut geht.“ Meine Eltern mussten sehr früh lernen, mich gehen zu lassen – in der 11. Klasse ein Jahr in den USA, nach der Schule ein Jahr Philippinen und anschließend viele wilde Dschungelaufenthalte. Ohne ihr großes Vertrauen in mich und das Gefühl, immer wieder nach Hause kommen zu können, wäre ich wahrscheinlich nie so weit gegangen.
Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?
Forscherinnen wie Jane Goodall oder Dian Fossey haben mich sehr fasziniert, aber so ein richtiges Vorbild hatte ich nie.
Was haben Ihre Lehrer/ Professoren über Sie gesagt?
Wissensdurstig und diskussionsfreudig.
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?
Dass ich mit Natur und Tieren arbeiten würde, war mir schon als Kind beim Züchten von Flusskrebsen oder beim Mikroskopieren von Zwiebelschalen klar. Dass ich im Dschungel arbeiten würde, hätte ich mir damals nicht vorstellen können.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Meine Kindergärtnerin, die mich schon am ersten Tag – bei strömendem Regen – mit in den Wald nahm. Meine Grundschullehrerin, die meinem Forschungsdrang keine Grenzen setzte. Und allen voran meinen Eltern, die mir nie von der Seite wichen und mich mit fachlicher Expertise oder Care-Paketen bei all meinen Vorhaben unterstützt haben.
Auf wen hören Sie?
Schwer zu beantworten ... So richtig wahrscheinlich nur auf mich selbst. Aber ich lasse mich gerne beraten.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefinnen und Chefs bewundert haben?
Nahbarkeit, Effizienz, Begeisterung fürs Thema.
Was sollte man als Chefin oder Chef auf keinen Fall tun?
Bedürfnisse der Mitarbeiter/-innen ignorieren, schlechte Stimmung verbreiten.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Transparenz, Vertrauen in Mitarbeiter/-innen, fachliche Sorgfalt.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Bisher hat das keine große Rolle gespielt – Hauptsache, ich konnte gegen Kost und Logis viel Zeit im Dschungel verbringen.
Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeiter-innen und Mitarbeitern?
Solidarität, qualitativ gute Arbeit und Motivation für das Thema.
Duzen oder siezen Sie?
Das kommt ganz auf den Kontext an. Da ich meist die Jüngste bin, sieze ich eher.
Was sind Ihre größten Stärken?
Empathie, Begeisterungsfähigkeit, Neugier.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Ich arbeite wohl etwas zu viel. Und bekomme schlechte Laune, wenn ich Hunger habe.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?
Barack Obama.
Was würden Sie ihn fragen?
Wie er es geschafft hat, so viele Menschen zu überzeugen, und woher er all diesen Mut und die Kraft genommen hat, gegen Widerstände und Rassismus anzukämpfen.
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Nach dem Tiermedizin-Studium in die Selbstständigkeit zu gehen, um mein Buch „Abenteuer Artenschutz“ zu schreiben. Außerdem: mit Gleichgesinnten vor fünf Jahren den gemeinnützigen Verein „Nepada Wildlife“ zu gründen.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Ich bin angestellt bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), außerdem selbstständig und ehrenamtlicher Vorstand für Nepada Wildlife e.V.
Da kommen also einige Stunden zusammen. Vieles betrachte ich aber nicht als Arbeit, sondern eher als Leidenschaft und Hobby.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
So viel es geht. Beim Schlaf mache ich die wenigsten Abstriche.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Ich arbeite doppelt so schnell, esse seltener und mache mehr Spaziergänge und Sport.
Wie kommunizieren Sie?
Am liebsten persönlich. Seit der Pandemie allerdings vermisse ich oft den direkten Kontakt.
Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
In den letzten beiden Jahren viel zu viele Stunden am Tag.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Arbeite für etwas, das dir Freude bereitet und wohinter du stehst.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Unterhaltet euch mehr miteinander und hört zu! Human- und Tiermediziner, Umwelt- und Sozialwissenschaftlerinnen, Wirtschaftsbosse und Politikerinnen – sprecht miteinander! Denn nur gemeinsam können wir diesen Planeten bewahren – und damit uns selbst.