Hamburg. Im Hamburger Grindelviertel soll die Synagoge am Bornplatz neu aufgebaut werden: Aber die Umsetzung ist nicht ganz einfach.
Jetzt ist sie da, die Machbarkeitsstudie zum Aufbau einer Synagoge auf dem Bornplatz im Grindelviertel, deren Vorgänger 1938 von den Nazis zerstört wurde. Die Mühe hat sich gelohnt: Denkmalschutz, Brandschutz, Vermessungspläne – alles ist vorhanden; jeder einzelne der 64 Bäume wird gewürdigt und benannt, zusammen mit dem Artenschutz, der das Vorkommen der loriotschen Steinlaus bei Synagogen nicht bestätigen konnte.
Hier wurde richtig ernsthaft und gründlich gearbeitet. Wie es sich ja auch gehört. Aber es gibt einige Lücken in der Untersuchung. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Philip Stricharz, jubelt: „Es ist machbar!“ Aber das hatte ohnehin keiner bezweifelt.
Jüdiche Gemeinde Hamburg: Einheitsgemeinde noch bestehend?
Was „machbar“ ist? Da lohnt sich das genaue Hinsehen: Wir haben ja immer gedacht, dass eine Synagoge gebaut werden soll, in welcher Form auch immer. Tatsächlich sollen es aber zwei sein – die „Hauptsynagoge“ und eine „Reformsynagoge“ für die Liberalen innerhalb der Einheitsgemeinde. Vor zwei Jahren hat der Rabbiner Shlomo Bistritzky zwar in der „Hamburger Morgenpost“ gesagt: „Wir brauchen nicht zwei Synagogen. Wir sind eine Einheitsgemeinde.“
Inzwischen ist die „Einheit“ offenbar weniger ausgeprägt: Die Liberale Gemeinde darf nicht in die Hauptsynagoge, sie darf noch nicht einmal dorthin, wo die alte Synagoge stand: „Wunsch und Anforderung der Gemeinde sind getrennte Häuser“. Die Liberalen kommen an den Katzentisch, in die dritte Etage eines neuen Hauses. Im Erdgeschoss soll ein Café eröffnet werden.
1000 Quadratmeter für neue Synagoge
Neu wird auch vieles andere gebaut – das Programm sieht rund 1000 Quadratmeter für die Synagoge vor. Zusätzlich werden noch 2400 Quadratmeter für Veranstaltungen für bis zu 500 Personen gebraucht und 1000 Quadratmeter für „Begegnen und Lernen“; die Synagoge ist also der kleinste Teil. Die Liste der Neubauten fängt mit einer zweizügigen Grundschule an und hört mit Schwimmhalle und Bibliothek nicht auf.
Dagegen ist, wohlgemerkt, nichts einzuwenden. Nur segelt hier jemand doch reichlich hart am Wind, und das unter falscher Flagge. Denn bisher war immer nur vom Wiederaufbau der Synagoge die Rede, und es ging um die Frage: Rekonstruktion oder Neubau? Jetzt heißt es: Wir bauen eine kleine Stadt.
In Hamburg gibt es nicht „die“ Jüdische Gemeinde
Und noch eine „falsche Flagge“: Es ist immer von „der“ jüdischen Gemeinde die Rede (dass es zwei gibt, hatten wir ja schon gelernt). Tatsächlich gibt es in Hamburg nicht „die“ Jüdische Gemeinde; wie im Christentum gibt es verschiedene Glaubensrichtungen. Neben der Einheitsgemeinde mit einer orthodoxen und einer Reformgemeinde gibt es noch die „Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg“. Die sieht sich als Nachfolgerin des Israelitischen Tempelverbandes, und das seit 1817.
Es ist weltweit die einflussreichste jüdische Strömung und wurde in Hamburg gegründet! Ihr „Tempel“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut (Poolstraße) und ist immer noch in Resten erhalten. Einige ihrer Gemeindemitglieder hatten die Hoffnung, die neue Synagoge ebenfalls nutzen zu können; dieser Wunsch dürfte vergeblich sein, wenn schon Teile der Einheitsgemeinde aussortiert werden.
Machbarkeitsstudie schätzt Fertigstellung in 2029
Dass mehr als die Hälfte der in Hamburg lebenden Juden keiner Gemeinde angehören, darf man ohnehin annehmen. Der Anspruch, das jüdische Leben am Bornplatz zu prägen, ist danach ein bisschen optimistisch. Es geht hier nur um das orthodoxe jüdische Leben.
Und noch etwas: Die Machbarkeitsstudie schätzt die Fertigstellung der Bauten für 2029. Der Oberbaudirektor meint, ein Wettbewerbsergebnis bis Ende 2023 zu bekommen – er ist Optimist, das gehört zur Stellenbeschreibung. In jedem Fall aber müssen vorher die Artefakte gesichert werden, die unter dem Boden liegen. 1982 wurden bereits Grabungen durchgeführt, bei denen Teile der Mikwe, des jüdischen Tauchbads, gefunden wurden. Und archäologischer Denkmalschutz kann dauern. Dass ein „international groß aufgestellter Wettbewerb“ (Studie) für die Neubauten folgen muss, ist selbstverständlich.
Bewertungen der fünf untersuchten Varianten sind wenig aussagekräftig
Vor allem aber muss eines geschehen: Die Bewertungen der fünf untersuchten Varianten – von der frei stehenden Synagoge auf dem Grundriss der alten bis zur „neuen Setzung“ – sind wenig aussagekräftig; mal wird das eine, mal das andere gelobt. Warum nur eine der Varianten zum „Masterplan“ erkoren wurde, ist nicht wirklich schlüssig begründet. Darüber muss diskutiert werden, und zwar öffentlich, Material und Bilder sind doch jetzt vorhanden. Wir brauchen die Ausstellung zum Thema!