Hamburg. Zwei Nachwuchs-Autoren haben im Rennen um einen mit 10.000 Euro dotierten Literaturpreis ihre Nominierung nicht angenommen. Die NS-Vergangenheit eines Festival-Sponsors, der Kühne-Stiftung, sei nicht gut aufgearbeitet, führen die beiden an.

Weil das Logistik-Unternehmen Kühne + Nagel als Festivalsponsor seine Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus nicht ausreichend aufgearbeitet haben soll, sind dem Hamburger Literaturfestival Harbour Front bereits zwei nominierte Debütanten abgesprungen. Nach dem Autor Sven Pfizenmaier hat nun auch die Autorin Franziska Gänsler auf ihre Nominierung für den mit 10.000 Euro dotierten Klaus-Michael-Kühne-Preis verzichtet, wie das Literaturfestival auf seiner Internetseite mitteilte.

Pfizenmaier hatte mit Verweis auf die unterlassene Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Unternehmens Kühne + Nagel seine Teilnahme am Debütantensalon zurückgezogen. Er war mit dem Roman «Draußen feiern die Leute» nominiert, auf ihn folgt nun Przemek Zybowski mit «Das pinke Hochzeitsbuch».

Der Rückzug Pfizenmaiers und die Reaktion darauf habe sie sehr beschäftigt, schreibt Gänsler in ihrem ebenfalls auf der Internetseite des Festivals veröffentlichten Statement dazu. «Ich denke, es hätte einen öffentlichen Diskurs gebraucht, der ein Ernstnehmen seiner Kritik erkennbar macht und zeigt, dass es das Anliegen der Stiftung ist, genau das zu fördern - kritische literarische Stimmen.» Das scheine jedoch nicht gegeben zu sein.

Auf den Preis zu hoffen, erscheine ihr deshalb wie ein Wegsehen, das sie nicht gut mit sich und ihrem Schreiben vereinbaren könne. Die in Wien lebende Gänsler war mit ihrem Debütroman «Ewig Sommer» nominiert. Nachnominiert wurde nun Benjamin Heisenberg mit seinem Debütroman «Lukusch».

Das Festival wird von der Stadt, anderen Stiftungen und auch von der Kühne-Stiftung gefördert, die von Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne und seiner Familie gegründet wurde. Im Rahmen des Literaturfestivals wird der Klaus-Michael-Kühne-Preis an Debütautorinnen und -autoren vergeben. 49 Manuskripte wurden eingereicht, acht Titel hat eine Jury aus Kulturjournalisten und -kritikern ausgewählt.

Das Harbour Front Literaturfestival bedauere die Absagen und habe Verständnis für die Beweggründe, schrieb der Veranstalter auf seiner Internetseite. «Auch wir sehen Diskussionsbedarf in dieser Angelegenheit», heißt es weiter. Dennoch solle der Debütantensalon wie geplant stattfinden. «Vor allem aber besteht unsere Aufgabe jetzt darin, das Festival und insbesondere den Debütantensalon durchzuführen, um Autorinnen und Autoren das Forum zu bieten, das ihnen zusteht.» Zuvor hatte die «Hamburger Morgenpost» berichtet.

Die Kühne-Stiftung stellte klar, dass ihre Förderleistungen keinen Bezug zu einer Zeit haben, «die weit zurück liegt und zu der ganz andere Verhältnisse herrschten». Das teilte sie auf Nachfrage am Donnerstag mit. «Hierbei Zusammenhänge zu konstruieren, würden wir als eine bewusste Schädigung unserer rein philanthropischen Unterstützung des Harbour Front Literaturfestivals betrachten.»

Das Unternehmen Kühne + Nagel verwies zudem darauf, dass es sich zu seiner Geschichte bekenne und mehrmals öffentlich sein Bedauern über Vorkommnisse im Dritten Reich zum Ausdruck gebracht habe. «Vieles ist dem Unternehmen nur durch Mitteilungen Dritter bekannt geworden, da die Firmenarchive der Kühne + Nagel-Kontorhäuser in Bremen und Hamburg im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurden», teilte das Unternehmen weiter mit. Firmenintern solle die Zeit jedoch dokumentiert werden.

Das 14. Harbour Front Literaturfestival ist am Donnerstag gestartet und geht bis zum 22. Oktober 2022. Es lädt zu insgesamt 68 Veranstaltungen ein. Stars des internationalen Literaturbetriebs wie die US-Autorinnen und -Autoren Jennifer Egan, Richard Ford und Hernan Diaz reisen an. Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah liest am 17. Oktober aus seinem neuen Roman «Nachleben» im Thalia in der Gaußstraße.