Kiel (dpa/lno). Das wird nicht einfach: Das Windland Schleswig-Holstein muss noch mehr Flächen für neue Windkraft-Anlagen erschließen. Dafür sind einige Hürden zu überwinden. Minister Goldschmidt zeigt sich pragmatisch und will nur an einer Vorgabe nicht rütteln.
Schleswig-Holstein muss beim Ausbau der Windkraft an Land noch kräftig zulegen. Da der Ersatz alter Anlagen durch leistungsstärkere neue (Repowering) nicht ausreichen wird, um eigene Ziele und Vorgaben des Bundes zu erfüllen, müssen weitere Flächen erschlossen werden. «Dies ist eine echte Herausforderung, die wir aber bewältigen können», sagte Energieminister Tobias Goldschmidt (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur.
Zunächst sollen demnach solche Flächen neu bewertet werden, die bisher als nicht geeignet ausgeschlossen wurden. «Wenn das nicht reicht, wird man sich auch noch einmal Schutzkriterien angucken müssen - von Denkmalschutz über Abstände zum Wald und Verkehrsachsen bis hin zu Flugsicherung und Naturschutzflächen», sagte Goldschmidt.
«Da darf es keine Tabus geben», sagte Goldschmidt weiter. Einzig die festgelegten Abstände zur Wohnbebauung sollten beibehalten werden. «Die sind verantwortungsvoll gesetzt und da geben wir der Bevölkerung die Sicherheit, dass es dabei bleibt.»
Der Ausbaubedarf ist beträchtlich, obwohl im Norden schon fast 3000 Anlagen mit gut 7 Gigawatt Leistung Windstrom erzeugen. CDU und Grüne haben im Koalitionsvertrag das Ziel verankert, bis 2030 eine Stromerzeugung durch Windkraft an Land von 30 bis 35 Terawattstunden jährlich zu erreichen. «Dafür bräuchten wir 15 Gigawatt Leistung», sagte Goldschmidt. «Für die bisher ausgewiesenen Flächen gehen wir von 10 Gigawatt Leistung aus.» Folglich werden neue Flächen benötigt. «Der Bund verlangt von uns, dass wir 2,87 Prozent der Landesfläche ausweisen, und diese Größenordnung brauchen wir wohl auch, um die 30 bis 35 Terawattstunden zu installieren.»
Darüber müsse er jetzt mit der für Landesplanung zuständigen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ins Gespräch kommen, sagte Goldschmidt. «Wir werden analysieren, was auf Vorrangflächen schon steht, was durch Repowering erzeugt werden kann - und dann wird ein Delta vorhanden sein, das wir schließen müssen.» Bisher sind etwas über 2 Prozent der Landesfläche für Windkraft ausgewiesen. Der Bundesrat hatte am 8. Juli ein Gesetzespaket für einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne gebilligt. Darin sind auch Flächenvorgaben an die Länder enthalten.
«Wir brauchen bundesweit mehr erneuerbare Energien und eine faire Verteilung, damit alle Länder ihren Beitrag leisten», sagte Goldschmidt. «Das ist wichtig auch für die Akzeptanz bei uns.» Das Land sei bereit, mehr zu machen als andere. «Wir erwarten aber auch, dass der Bund die Rahmenbedingungen so setzt, dass Schleswig-Holstein an der Energiewende noch stärker wirtschaftlich partizipieren kann.»
Goldschmidt verwies auf das Dauerthema Netzentgelte. «Wir zahlen vergleichsweise hohe - da muss es eine Reform geben.» Der Bund sei in der Pflicht, zügig einen Vorschlag vorzulegen. «Wir haben selber ein Gutachten gemacht und vorbereitet, wie eine solche Reform laufen kann.» Es gehe um Entlastungen für die Bürger in Regionen mit hohen Netzentgelten, weil für sie der Strompreis sinken würde, aber vor allem auch für Unternehmen, die dann verstärkt Ansiedlungs- und Innovationsanreize bekämen. Aus Sicht Goldschmidts ist das bisherige System ungerecht, weil es Regionen mit wenig Menschen und viel Erzeugung erneuerbarer Energie - wie Schleswig-Holstein - gegenüber solchen mit vielen Menschen und viel Stromabnahme benachteilige.
«Wir sind im Bundesvergleich einsame Spitze», sagte Goldschmidt. «In bundespolitischen Diskussion finden wir viel Gehör, weil wir viele Genehmigungen für neue Anlagen haben und der Ausbau der erneuerbaren Energien hier hohe Akzeptanz findet.» Ein Land wie Bayern mit viel mehr Industrie müsse da umdenken. «Da wird wenig neu installiert und dann steht man beim Netzausbau auf der Bremse - das ist weder klimapolitisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Bayern ist energiepolitisch auf dem Holzweg.» Das zeige sich gerade jetzt in der Krise besonders deutlich.
Im Norden hat die Windenergie nach mehrjähriger Flaute wieder Rückenwind. Nach drei Jahren mit unter 60 Neugenehmigungen stieg die Zahl 2020 auf 162 und im vorigen Jahr auf 218, bei gut 1 Gigawatt Gesamtleistung. Im ersten Halbjahr 2021 kamen 55 Genehmigungen hinzu. Aktuell gibt es laut Energieministerium noch 360 offene Verfahren für Neugenehmigungen. Zehn Anträge wurden von Januar bis Ende Mai abgelehnt, der Hauptgrund waren unvollständige Unterlagen.
Die regionale Verteilung der Windanlagen ist sehr unterschiedlich. An der Spitze lagen Stand 1. Juli Dithmarschen (817) und Nordfriesland (799), gefolgt von den Kreisen Schleswig-Flensburg (41), Ostholstein (309) und Steinburg (273). In den kreisfreien Städten Kiel, Flensburg und Neumünster stehen gar keine Windräder, in Lübeck immerhin drei.
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