Hamburg. Kapazitäten in der Stadt reichen nur noch für knapp über eine Woche. Selbst das Aufstellen von Zelten ist inzwischen wieder denkbar.
Der Zeitdruck ist enorm: Da noch immer jeden Tag rund 60 Geflüchtete aus der Ukraine die Hansestadt erreichen, will die Stadt möglichst innerhalb weniger Tage mehrere weitere Notunterkünfte in Betrieb nehmen. Die bisherigen Kapazitäten reichen höchstens noch für etwas mehr als eine Woche.
„Wir befinden uns in zahlreichen Gesprächen – einige stehen noch am Anfang, andere kurz vor dem Abschluss“, sagte Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, auf Anfrage. Nach Abendblatt-Informationen sollen kurzfristig mehrere Turnhallen und ehemalige Großmärkte sowie weitere Hotels mit Geflüchteten belegt werden. Für mittel- und langfristige Unterkünfte prüft die Behörde mehrere Dutzend Optionen.
Ukraine-Krieg: Auch Zelte sind in Hamburg wieder eine Option
An rund 15 Orten in der Stadt sind bereits provisorisch Geflüchtete untergebracht, vier weitere solcher Notquartiere werden noch hergerichtet (siehe Karte). Bei Ersteren sind aber so gut wie alle Plätze schon belegt – und die Zweiteren schaffen keine dauerhafte Entspannung. Die Stadt kalkuliert damit, dass weiterhin pro Monat rund 2100 Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern untergebracht werden müssen. Wenn es tatsächlich weniger seien, lindere das die Dramatik etwas – „es könnten aber auch mehr sein, das lässt sich nicht solide abschätzen“, wie es im Senatsumfeld heißt.
Behördensprecher Helfrich antwortete auf die Frage, welche Arten der Unterbringungen jetzt in Betracht kämen: „Alle“. Selbst dass wieder Zelte aufgestellt werden, damit Geflüchtete nicht unter freiem Himmel schlafen müssen, ist denkbar. „Bislang können wir jedem Menschen ein Dach über dem Kopf bieten“, betont Susanne Schwendtke, Sprecherin der städtischen Gesellschaft „fördern & wohnen“. Die Belastung sei aber sehr hoch. Auch die Wohlfahrtsorganisationen helfen bei der Bewältigung der Krise.
DRK rechnet mit weiterem Zustrom
So betreibt das Deutsche Rote Kreuz die Notunterkunft im ehemaligen Fegro-Großmarkt in Harburg. Inzwischen wurden in der großen Halle Trennwände in den Wohnbereichen eingezogen. Am Mittwoch waren in dem Notquartier 500 Geflüchtete registriert – vor allem Frauen und Kinder, aber auch wehrdienstunfähige und ältere Männer aus der Ukraine. Die meisten kamen über Polen nach Hamburg. Das DRK hält die Zahl der untergebrachten Menschen für die absolute Obergrenze, rechnet aber auch für Herbst und Winter mit einem weiteren Zustrom.
In der Verwaltung ist auch von einem „Pull“-Effekt die Rede, den Hamburg gerade spüre. Die Stadt sei nicht nur als Metropole attraktiv, sondern auch für eine gute Unterbringung bekannt – deshalb ziehe es auch mehr Geflüchtete (zunächst) hierher.
Keine Spannungen in Unterkunft an Schnackenburgallee
Die neu errichtete Folgeunterkunft an der Schnackenburgallee nahe der A 7 ist mit mehr als 1000 Menschen ebenfalls bereits voll belegt. Bei einem Besuch des Abendblatts am Mittwochnachmittag geht es dort ruhig zu, ein Wachmann wartet am Eingang.
Mehrere Bewohner und Mitarbeiter sagen, dass es auch im Inneren keine größeren Spannungen gebe und die Geflüchteten dankbar für die Unterbringung seien. Tatiana, eine Bewohnerin aus der Ukraine, sagt aber auch, dass sie bereits seit einer Woche vor Ort sei und noch „im Dunkeln tappe“. Wie lange sollen sie hier bleiben? Wie schafft sie es, dass ihr Sohn zur Schule gehen kann?
Stellenweise Ablehnung und Rassismus
Susanne Schwendtke von „fördern & wohnen“ spricht ebenfalls von größerer Dankbarkeit der Geflüchteten. Händeringend sucht die städtische Gesellschaft weiteres Personal, um den Geflüchteten eine Anleitung geben zu können. Die Helfer aus den bestehenden Flüchtlingsunterkünften melden, dass sich die meisten Geflüchteten willkommen fühlten. Es gebe aber stellenweise auch Ablehnung und Rassismus – etwa gegenüber Menschen mit dunklerer Hautfarbe, die aber ebenfalls aus der Ukraine geflohen seien.
„fördern & wohnen“ ist auch in die Suche nach weiteren Standorten eingebunden. Federführend ist in der Sozialbehörde der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF), der in der Krise 2015/2016 gegründet und nie ganz aufgelöst wurde. Tatsächlich eine geeignete Fläche zu finden, sei aber ein „sehr dynamischer Prozess“, heißt es in der Verwaltung.
Krieg in der Ukraine: Mietwucher in Mundsburg
Oft zerschlügen sich avisierte Standorte noch kurzfristig, so Behördensprecher Helfrich. „Neben räumlichen Bedingungen kann auch eine unzumutbare Belastung für die Nachbarschaft, etwa durch Lärm“, eine Rolle spielen. Auch die Verhandlungen mit den Eigentümern von bezugsfertigen Immobilien sind hart. Noch im günstigsten Fall würden übliche Mietpreise gefordert – etwa in den Mundsburg-Türmen wurden für Zweizimmerwohnungen dagegen bis zu 5400 Euro im Monat für eine Zweizimmerwohnung mit Betreuung aufgerufen (wir berichteten).
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Das liege zwar „im oberen Korridor“, aber seien noch nicht die höchsten Ansprüche von Eigentümern, heißt es in der Verwaltung. Man werde sich nicht über den Tisch ziehen lassen, sagt der Behördensprecher Helfrich. „Wir sind aber in der derzeitigen Lage zunächst offen für alle Angebote.“