Hamburg. Seit 20 Jahren vermittelt die Eppendorfer Modelgentur “Sonntagskinder“ Kinder an große Kunden. Doch wie geht sie dabei vor?

Die Kinderstimmen, die aus dem Mund von Erwachsen kommen und im aktuellen Haribo-Werbespot zu hören sind, kommen von Kindern aus der Kartei von Nadine Oussayfi. Die Kleinen, die auf den Verpackungen von Leggins und Sweat­-Jacken bei Lidl immer wieder zu sehen sind, wurden zum großen Teil vom Sonntagskinder-Team gecastet. Auch Tchibo-Kindermodelle, die Fernsehgesichter bei den „Pfefferkörnern“ oder Otto-Werbekampagnen mit Kids werden oftmals mit kleinen Sonntagskindern besetzt. So heißt die Eppendorfer Agentur von Oussayfi, die hier seit knapp 20 Jahren das Zusammenspiel von großen Kunden und kleinen Menschen regelt.

Doch was passiert eigentlich, bis die Zahnpasta-Werbeanzeige in einer Zeitschrift oder der Spot im Fernsehen landet? Und welche Kinder können als Modelle oder sogar Darsteller im Fernsehen arbeiten? „Ich rate den Eltern zu schauen, was die Kinder brauchen. Hat mein Kind Lust, sich zu präsentieren? Traue ich das meinem Kind zu? Man sollte sehr mutig sein und gern vor der Kamera stehen“, sagt Oussayfi. Ein guter Indikator sei, zu beobachten, wie sich die Kinder verhalten, wenn man sie selbst zu Hause mit dem Handy fotografiere. Offenheit, das sei wohl das Wichtigste, denn am Set, also bei der Produktion des Fotos oder Films im Studio, wirbeln schon einige Leute herum, die beim Anziehen oder Haareflechten helfen.

Eppendorfer Werbeagentur "Sonntagskinder" im Erziehungspodcast

„Deshalb ist es wichtig, dass man offen ist und noch wichtiger, dass die Kinder Spaß haben und das möchten. Und nicht die Eltern“, sagt Oussayfi im Familienpodcast. „Was die Kinder wollen, das ist gesetzt.“ Für die etwas größeren Kids kommen auch Fernsehrollen infrage, dafür werden – dank Corona selbst gedrehte – Vorstellungsvideos erstellt und als Visitenkarte an die Produktionsfirmen geschickt. „Manchmal gibt es auch schon einen kleinen Text, den die Kinder dann vorbereiten und auch schon vorsprechen“, sagt Oussayfi.

Am Set herrsche dann eine sehr intensive Betreuung durch einen Coach, und die Stimmung sei sehr besonders. „Wichtig zu wissen ist auch, dass Kinder nur 30 Tage im Jahr arbeiten dürfen“, sagt sie, „und es ist immer ein Elternteil oder eine sehr vertraute Person wie Oma oder Opa dabei. Das Kind ist nie allein.“

Oftmals auch ganze Familie vor der Kamera

Was auch durch die Corona-Vorgaben zugenommen habe, sei, dass oftmals Geschwister gemeinsam oder gar die ganze Familie vor der Kamera landet, da so die Kontakte beschränkt werden. Heraus kommen da nicht nur einzigartige Erinnerungen und Familienfotos in 1-A-Qualität, auch das Sparbuch der Mäuse wird gefüllt: Aktuelle Tagesgagen betragen nach heutigem Stand zwischen 250 und 350 Euro, mit Kindern „geshootet“ wird laut Oussayfi in Hamburg übrigens jeden Tag.

Doch vor Kurzem, da musste die Agentin eine außergewöhnliche Anfrage bedienen, es wurden etwas ältere Drillinge gesucht: „Und obschon wir eine angeschlossene Agentur für Zwillinge haben, wurde ich da erst über Instagram fündig und habe so Kontakt aufgenommen und die drei dann vermittelt“, erzählt sie.

Auch interessant

Sowieso, das Casten, also das Entdecken neuer Gesichter und Talente, was früher auf der Straße stattfand, habe sich fast komplett verlagert auf Eigeninitiative der Eltern (rund 25 Bewerbungen gibt es wöchentlich), die ihre Kinder vorstellten, persönliche Weiterempfehlung sowie die sozialen Medien.

Eine zusätzliche Veränderung: Synchronsprechen und Vertonung kommen immer mehr, und Kinderstimmen werden stärker nachgefragt. „Gerade weil es heute viele Kinderpodcasts gibt und weil eigentlich mittlerweile jedes Buch vertont wird und als Hörbuch verfügbar ist, glaube ich, dass da ein neuer Markt entsteht“, sagt sie. Und: Diversity ist auch in der Modebranche stark vertreten, „ich bin sehr froh, dass mittlerweile Kinder mit Behinderungen oder auch curvy kids nachgefragt werden“, sagt Oussayfi. „Deshalb kann sich bei uns jeder bewerben, der Lust hat, vor der Kamera zu sein.“

Segelohren und Sommersprossen? Herzlich willkommen.