Ein Vater wollte seiner Frau und seinen Kindern schaden. Also zündete ein 50-Jähriger Mann seine Familie in der Wohnung an.

Diesmal geht es nicht um Menschen, die gestorben sind. Es geht um Menschen, die einen Anschlag gerade so überlebt haben. Doch nichts ist mehr so wie früher. Die Wunden an Körpern werden sie für immer an ihr Leid erinnern. „Und auch ihre Seelen werden vermutlich niemals heilen“, sagt Gerichtsreporterin Bettina Mittel­­­acher im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Rechtsmediziner Klaus Püschel. „Das Schlimme ist, dass sie sich vermutlich nie wieder wirklich sicher fühlen und vielleicht bis ans Ende ihres Lebens traumatisiert sein werden.“

„Das gilt insbesondere, weil diese Opfer von einem ganz nahen Angehörigen so schwer verletzt wurden“, ergänzt Püschel. „Es war der Ehemann eines der Opfer und der Vater der beiden Kinder. Besonders der Sohn des Täters wurde so schwer verletzt, dass der Zehnjährige nur durch hohe ärztliche Kunst gerettet werden konnte. Über die Tat sagte der Junge später erschüttert: ,Was ist das für ein Vater, der seinen Sohn anzündet?’“ Das Verbrechen, über das Püschel und Mittelacher diesmal sprechen, wurde am 1. Mai 2020 verübt. Aus einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus schlagen Flammen. Das Treppenhaus ist voller Rauch. Jemand hat in dem Gebäude ein Feuer entfacht. „Dem Täter ging es darum, seiner eigenen Familie zu schaden“, erzählt Püschel. „Er wollte seine Frau und seine beiden Kinder töten, indem er sie in Brand steckt. Er hat bei seiner Tat gerufen: ,Ihr sollt in der Wohnung verbrennen!‘“ „Wie viel Hass muss im Spiel sein, wenn jemand gegenüber seinen engsten Angehörigen so eine Drohung ausspricht?“, fragt Mittelacher.

„Was für ein Vater zündet sein eigenes Kind an?“

Der Familienvater soll alles unternommen haben, um seinen Fluch in die Tat umzusetzen. Die Folge: Der Sohn und die geschiedene Frau des 50-Jährigen standen in Flammen und sind nur knapp einem Tod durch das Feuer entkommen. Doch sie sind so massiv verletzt, dass sie wohl den Rest ihres Lebens leiden werden. Auch die Tochter erlitt schwere Verletzungen.

Vor dem Schwurgericht muss sich der Familienvater später verantworten. Dem Angeklagten wird von der Staatsanwaltschaft unter anderem mehrfacher versuchter Mord vorgeworfen. Er habe heimtückisch und grausam gehandelt, heißt es. Er soll erst seiner zehn Jahre jüngeren Ex-Frau in Tötungsabsicht mit einem Rasiermesser dreimal in Hals und Nacken gestochen haben. Dann übergoss der 50-Jährige laut Anklage nacheinander den kleinen Sohn, seine Frau und die zwölf Jahre alte Tochter mit Benzin und entzündete es. Das Motiv des 50-Jährigen laut Anklage: Er habe nicht akzeptieren wollen, dass sich seine geschiedene Frau endgültig von ihm getrennt hat. Auch der Familienvater selber stand damals in Flammen und wurde schwer verletzt.

Frau und Kinder leiden unter körperlichen und mentalen Folgen

„Der Angeklagte hat vor Gericht gesagt, dass er seine Familie nicht habe umbringen wollen“, schildert Mittelacher. „Es sei ihm darum gegangen, seine Frau zu verletzen, nicht zu töten, sagt der 50-Jährige. ‚Ich wollte mich anzünden und mich töten’. Den Anschlag auf seine Familie bezeichnet er als ,furchtbare Tat‘, für die er sich ,unendlich schäme‘.“

Es wird auch die schwer verletzte Ehefrau des Angeklagten als Zeugin gehört. „Ihr gehe es sehr schlecht, sagen die Fachleute“, erläutert Püschel. „Körperlich, nachdem 35 Prozent ihrer Haut verbrannt sind, und auch psychisch. Ihre ,Gedanken kreisen ständig‘ um das Erlebte, heißt es. Auch die Kinder seien in sehr schlechter Verfassung. Das wäre ja nur zu verständlich.“ Bis zu einem Drittel der Haut verbrannt – Kopf, Oberkörper, Arme. Beide müssen noch weitere Operationen über sich ergehen lassen. Die 40-Jährige schildert, wie ihr geschiedener Mann sie mit einem Trick dazu brachte, die Tür zu öffnen. Sie sagte zu ihm: „Bitte tu mir nichts vor den Kindern.“ Er habe sie aber mit dem Messer angegriffen, so die 40-Jährige. Dann habe ihr Ex-Mann Benzin über seiner Familie ausgegossen, erst über den Sohn, dann auch über sie, die Frau.

Täter muss lebenslang in Haft

Letztlich verhängt die Kammer für den 50-Jährigen lebenslange Haft wegen versuchten Mordes. Der Vorsitzende Richter sagt in der Urteilsbegründung : „Wer einen Menschen mit Benzin überschüttet, der weiß, dass der andere Mensch verbrennen, mithin sterben kann.“ Die Leistung der Rettungskräfte und der Ärzte, die das Leben des Sohnes, der Mutter und auch des Angeklagten gerettet haben, sei gar nicht hoch genug einzuschätzen, sagt der Richter auch noch.

„Das kann ich aus meiner beruflichen Erfahrung nur bestätigen“, meint Püschel. „Die Ärzte müssen Großartiges geleistet haben.“ Der Richter über den Angeklagten: „Er wollte sich verbrennen. Sein selbst inszenierter Tod sollte der Familie deutlich machen, was sie ihm angetan hatte. Frau und Kinder sollten ihn leiden sehen und selber brennen.“

Der 50-Jährige hatte erklärt, plötzlich sei sein Verstand ausgeschaltet gewesen. Auch dazu hat der Richter eine Meinung: „Nicht der Verstand war ausgeschaltet, sondern das Herz.“ Wer andere bei lebendigem Leib brennen sehen wolle, handele „unmenschlich, herzlos und grausam“.